Recycling-ABC: Lizenzgebühren für Verpackungsabfälle

Gepostet von am 15. Jan 2016

Recycling-ABC: Lizenzgebühren für Verpackungsabfälle

Will ein Unternehmen seine zu Abfall gewordenen Verpackungen nicht selbst zurücknehmen oder vom Kunden abholen, muss es ein duales System damit beauftragen. Dafür zahlt es Lizenzgebühren. Das ist ein Geschäft für die Entsorgungswirtschaft – aber nicht mehr das einzige.

Die Produktverantwortung

Seit dem 12. Juni 1991 ist in Deutschland die Verpackungsverordnung in Kraft. Seither sind Hersteller und Vertreiber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass gebrauchte Verpackungsabfälle entsorgt und wiederverwertet werden. Die Verantwortung für die Abfallbeseitigung tragen also weder die Verbraucher, noch die Kommunen, sondern die Hersteller und Vertreiber. Man spricht von Produktverantwortung.

Um eine umfassende und möglichst kostengünstige Entsorgung und Wiederverwertung von Verpackungsabfällen gewährleisten zu können, gründeten 95 Unternehmen zusammen Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland (DSD). Kurze Zeit später waren bereits mehr als 400 Unternehmen beteiligt. Dieses Non-Profit-Unternehmen sollte von nun an die Sammlung, den Transport und die Sortierung der Verpackungsabfälle organisieren.

Als Non-Profit-Unternehmen stand nicht das Gewinnstreben im Vordergrund, sondern die Reduzierung von Verpackungsabfällen. Und dennoch: Auch ein Non-Profit-Unternehmen muss sich finanzieren. Dazu dienten die sogenannten Lizenzverträge. Wenn ein Unternehmen seine Entsorgungs- und Wiederverwertungspflichten an DSD übertragen wollte, musste es diesen Lizenzvertrag unterzeichnen. Das Unternehmen zahlt an DSD eine Gebühr, und darf dafür auf seinen Verpackungen das Zeichen Grüner Punkt abdrucken. Verpackungen mit dem Grünen Punkt durften in der gelben Tonne oder in einem gelben Sack entsorgt werden. Um die Abholung und Verwertung kümmerten sich Entsorgungsunternehmen, die von DSD beauftragt wurden.

Geschichte der Lizenzgebühren

Es gab nun Abfälle, für deren Abholung öffentliche Gebühren erhoben wurden, und solche, für deren Abholung die Hersteller Lizenzgebühren leisten. Das liest sich im ersten Moment so, als würden die Bürger durch die Einführung eines dualen Systems entlastet. Dem war aber nicht so. Zwar waren die Hersteller für die Zahlung der Lizenzgebühren verantwortlich. Aber zur Finanzierung dieser Lizenzgebühren wurden die Produktpreise erhöht und somit die finanzielle Last den Verbrauchern aufgehalst.

Zunächst war die Höhe des Lizenzentgelts abhängig vom Verpackungsvolumen. Ab Oktober 1993 waren das Gewicht und das Material der Verpackungen ausschlaggebend für die Höhe der Lizenzgebühren. Glas und Papier waren auf das Kilo gerechnet am billigsten. Die Entsorgung von Aluminium und Verbunden war teurer. Und mit Abstand am meisten mussten Unternehmen für die Abholung von Verpackungen aus Kunststoff zahlen. Durch die Berücksichtigung von Gewicht und Material der Verpackungen näherte man sich den tatschlichen Kosten an. Was nicht in die Höhe des Lizenzentgelts einfloss – mit Ausnahme von Kunststoffen –, waren die Kosten der Abfallverwertung.

Ab Oktober 1994 waren die Lizenzgebühren abhängig vom Material der Verpackung und von derem Volumen. Das ist eine Kombination der ersten beiden Modelle zur Berechnung des Lizenzbeitrags. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits über 17.000 Unternehmen einen Lizenzvertrag mit DSD. Seither wurde die Gestaltung der Lizenzgebühr immer differenzierter.

Lizenzgebühren zu erheben ist kein reines Privileg. Damit sind Pflichten verbunden. Durch die Einhebung des Lizenzentgelts garantiert DSD, dass die Verpackungen abgeholt, entsorgt und verwertet werden. Sowohl Selbstentsorger als auch DSD müssen die gesetzlich vorgeschriebenen Verwertungsquoten erfüllen. Metalle, Papier, Kunststoffe und andere Wertstoffe müssen je zu einem bestimmten Anteil recycelt werden. Ein Unternehmen, das Lizenzgebühren an ein duales System zahlt, überträgt diese Pflicht.

Rückkehr der Trittbrettfahrer

Seit 2003 ist DSD nicht mehr das einzige duale System in Deutschland. Mittlerweile sind zehn duale Systeme zugelassen. Die neue Situation im Entsorgungsmarkt beschreibt der ehemalige DSD-Chef Stefan Schreiter so: „Handel und Industrie müssen eigentlich für jede verkaufte Verpackung eine Lizenzgebühr an einen der insgesamt neun Systembetreiber bezahlen. Anschließend beauftragt das System dann ein Entsorgungsunternehmen, das den Abfall aus der gelben Tonne einsammelt und sortiert. Die anfallenden Kosten teilen die dualen Systeme entsprechend der Marktanteile untereinander auf.

So weit, so gut. Nur war ein in den 1990er-Jahren beseitigt geglaubtes Problem wieder aufgetreten. Das der sogenannten Trittbrettfahrer. Das sind Unternehmen, die keine Lizenzgebühren bezahlen – oder nur für einige ihrer Produkte –, deren Abfälle aber trotzdem in der gelben Tonne landen. Man schätzt den Anteil der Trittbrettfahrer bei zirka 30 Prozent.

Das boomende Recyclinggeschäft

Was sich zunächst vor allem besorgniserregend für die dualen Systeme anhört, richtet das Licht auf eine zweite Einnahmequelle abseits der Lizenzgebühren: das Recyclinggeschäft. Während in den 1990er-jahren Abfälle teils illegal in afrikanische und asiatische Länder exportiert wurden, um sie ja nicht selbst deponieren oder verwerten zu müssen, ist heute mit Recycling gutes Geld zu machen. Die Wiederverwertung von Wertstoffen ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Entsorgungswirtschaft gerückt. Auch Schreiter meinte: „Der künftige Weg des DSD führt über die Verwertung, nicht über die Lizenzen.“

 

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BATTERIEN: WERTVOLLE ROHSTOFFE – SCHWACHE RÜCKLAUFQUOTEN

DAS HANDY – EINE SCHATZKISTE VOLLER RECYCLINGROHSTOFFE

HISTORIE III: DSD / GRÜNER PUNKT – DIE KARTELLSTRAFE

HISTORIE II: DUALES SYSTEM DEUTSCHLAND – DIE EU-KOMMISSION UND DAS MONOPOL

HISTORIE I: DUALES SYSTEM DEUTSCHLAND – DIE NEUNZIGER-JAHRE IM MONOPOL

 

Quellen:

http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/verpackv_1998/gesamt.pdf

Tina Emslander: Das duale Entsorgungssystem für Verpackungsabfall – ein effizientes Regulierungsinstrument? (1995) Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Link: https://books.google.de/books?id=l57vBgAAQBAJ&pg=PA66&lpg=PA66&dq=duales+system+deutschland+1991&source=bl&ots=SjSmezlX2k&sig=o0Sc0jGEfLoVNKASQSWrndIjbS0&hl=de&sa=X&ved=0CFQQ6AEwCWoVChMI0di2m6i9yAIVw3EUCh1bmQVm#v=onepage&q=duales%20system%20deutschland%201991&f=false

http://www.welt.de/wirtschaft/article135116342/Der-Gruene-Punkt-sieht-das-Duale-System-in-Gefahr.html

    5 Kommentare

  1. Wo kann man sich hinwenden hinsichtlich Lizenzgebühren für Kunststoffbecher?
    Vielen Dank für Ihre Ausführungen.

    MFG

    H. Dyba

    • In Deutschland bestehen keine Mindestmengen- oder Umsatzgrenzen zur Verpflichtung, aber es gibt vergünstigte Tarife für Inverkehrsetzer von kleinen Mengen. Sämtliche Verpackungen egal welcher Art müssen bei einem Rücknahmesystem lizenziert werden. (gesetzliche Grundlage: derzeit Verpackungsverordnung, ab 2019 Verpackungsgesetz)

      Verpflichtete Inverkehrbringer können in Deutschland zwischen zehn privaten, konkurrierenden Rücknahmesystemen wählen.

      Lieder gibt es offenbar keine Liste dszu im Internet, die sich auf die schnelle aufrufen lässt. Wir werden dieses Manko am Wertstofblog nachholen.

      Mit freundlichen Grüßen
      Die Redaktion

        • Vielen Dank!

      • Hallo Herr Nasswetter,

        danke für die Ausführungen.
        3 Fragen habe ich:
        1) Welche sind denn die autorisierten „Systeme“, so heißt es glaube ich im neuen VerpackG.
        2) Welche Wertstofffraktionen werden von ihnen entsorgt.
        3) Wie werden sich die Entsorgungskosten pro kg in 2019 für diese Fraktionen entwickeln?

        Über Ihre kompetente Antwort würde ich mich sehr freuen.

        Mit freundlichen Grüßen

        Uwe Crepon

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