Die 1970er-Jahre – Geburtsjahre der Umweltbewegung: Recyclinggeschichte XI

Gepostet von am 7. Dez 2016

Die 1970er-Jahre – Geburtsjahre der Umweltbewegung:  Recyclinggeschichte XI

Die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts schufen infolge der Ölpreiskrise ein neues Bewusstsein für die Endlichkeit von Rohstoffen. Sie waren buchstäblich die Geburtsjahre des organisierten Umweltschutzes und auch das Design des internationalen Symbols für Recycling stammt aus dieser Zeit. Ich berichte hier über die Lage des Recyclings in den 1970ern, das damals mal wieder alltagstauglich wurde.

1973: Nichts rollt mehr ohne Erdöl – die Erdölpreiskrise trifft Deutschland

Über die Erdölpreiskrise

Am 25. Oktober 1973 starteten die OPEC-Staaten (OPEC steht für: „Organization of the Petroleum Exporting Countries“, auf Deutsch: „Organisation der erdölexportierenden Länder) einen Lieferboykott gegen Länder, die sie als gegenüber Israel freundliche einstuften. Damit waren plötzlich auch die Europäer, darunter die Deutschen, von den Auseinandersetzungen zwischen der arabischen Welt und Israel betroffen. Die OPEC-Staaten verknappten absichtlich die Menge des täglich geförderten Erdöls, um die ölkaufenden Länder unter Druck zu setzen: Je weniger Öl gefördert wurde, desto weniger konnte auf dem Markt gekauft werden. Das machte das verfügbare Öl teurer. Öl-Käufer waren vor allem die westlichen Industrienationen. Ziel der arabischen Länder war es, so lange wenig Öl zu produzieren, bis diese ölkaufenden Länder Probleme mit ihrer Energieversorgung bekämen. Letztendlich sollte die Verteuerung des Erdöls die von der Preisvervielfachung betroffenen Länder dazu bewegen, die israelische Regierung dahingehend zu beeinflussen, sich aus den 1967 im Sechs-Tage-Krieg eroberten Gebieten zurückzuziehen.

Über die Auswirkungen der Erdölpreiskrise auf Europa

Ab dem 5. November 1973 drosselten die OPEC-Staaten die Ölförderung um 25 Prozent. Die Niederlande reagierten als erstes der westlichen Erdöl- Abnehmerländer auf Erdöl-Knappheit: Sie verhängten am 4. November ein Fahrverbot. Deutschland erlebte am 25. November seinen ersten „autofreien Sonntag“.

„Am 9. November 1973 führte die Regierung Willy Brandt befristete Energiesparmaßnahmen in Form des Energiesicherungsgesetzes ein. Angewandt wurde das Gesetz an den vier Sonntagen vom 25. November bis zum 16. Dezember 1973. Außerdem sollte ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen Benzineinsparungen bewirken. Obwohl während der gesamten Ölpreiskrise kein realer Benzinmangel bestand, nahmen die westlichen Industrienationen durch die imaginierte Knappheit der Ressource Rohöl zum ersten Mal potentielle Grenzen des Wachstums wahr. Dass die Einsparmaßnahmen der Regierung jedoch ökonomisch und nicht ökologisch begründet waren, zeigt die Abschaffung des Energiesicherungsgesetzes nach dem Ende der ersten Ölpreiskrise“, schreibt die Internetseite Umwelt und Erinnerung hier.

In Großbritannien verschärfte der Lieferboykott die dort herrschende Wirtschaftskrise. Am 7. Januar 1974 erließ man auf der Insel Drei-Tage-Arbeitswoche, um die Energieversorgung aufrecht zu erhalten.

In Westdeutschland versechsfachte sich der Preis für leichtes Heizöl. Der Preis hatte Ende 1972 bei zwölf Pfennig pro Liter gelegen, 1974 kostete ein Liter 70 Pfennig. Die OPEC-Staaten steigerten währenddessen ihre Einnahmen von 14,3 Milliarden US-Dollar in 1972 auf 90,5 Milliarden in 1974.

Maßnahmen der Europäer in Zeiten der Erdölpreiskrise

Um einem finanziellen Ruin und einer totalen Abhängigkeit vom Erdöl und seinen Lieferanten entgegenzutreten, ergriffen die europäischen Länder Energiesparmaßnahmen. Zudem begann man mit der Ausbeutung einheimischer Ölquellen, beispielsweise in der Nordsee. Langfristig suchte man nach von Dritten unabhängigen Energiequellen und entschloss sich gegen heftigen Widerstand aus der Bevölkerung dazu, Kernenergie zu fördern.

1970: Europäisches Naturschutzjahr – Geburtsjahr der modernen Umweltbewegung

Schon 1966 hatte der Europarat das Jahr 1970 zum ersten Europäischen Naturschutzjahr (ENJ) proklamiert. Groß angelegte nationale Aufklärungs- und Bildungskampagnen, mehr als 200.000 in ganz Europa, sollten ein Bewusstsein für die Umweltprobleme in Europa vermitteln.

Im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland richtete der Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) das Europäische Naturschutzjahr unter Leitung von Hubert Weinzierl aus:

„Damals herrschte eine fulminante Aufbruchstimmung und wir haben über fünfhundert Veranstaltungen in Deutschland durchgeführt. Die Säle waren voll und die Herzen der Menschen schienen offen für den Naturschutz. Der Artenschutz war in aller Munde.“

Auch der Begriff „Umweltschutz“ soll 1970 erfunden worden sein – übrigens laut DNR in Folge eines Missverständnisses:

„Während der Eröffnungstagung in Straßburg wurde der Begriff ‚Umweltschutz‘ geboren, da die englischsprechenden Reporter von ‚protection of environment‘ und nicht von ‚protection of nature‘ sprachen. Damals begann die wissenschaftlich unhaltbare und sachlich oft schädliche Trennung in ‚Natur- und Umweltschutz‘.“

Zur Lage des Recyclings in den 1970ern

Bis weit in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein, so wird hier berichtet,

„zogen die Schrottsammler mit ihren Karren durch die Straßen der Städte und Gemeinden. Kaputte Töpfe, alte Bettgestelle, Fahrräder und alles andere, was aus Metall war, sammelten sie ein, um es zu verkaufen. Der Schrott wurde von der Eisen verarbeitenden Industrie wieder eingeschmolzen und zu neuen Metallgegenständen oder Werkstücken verarbeitet.“

Die Menge an Hausmüll beziffert Wikipedia für deutsche Haushalte in den 1970ern auf 4,7 Kilogramm pro Einwohner und Woche. Das mache 244 Kilo pro Einwohner im Jahr. Der Hausmüll wurde demnach Großteils nicht mehr wiederverwendet, sondern weitgehend vollständig deponiert.

Recyceln wird alltagstauglich

Erst mit dem Aufkommen der Grünen Bewegung hätte demnach ein Umdenken stattgefunden: Man identifizierte die Müllentsorgung als einen der Hauptursachen der Umweltverschmutzung. Gleichzeitig sei einerseits ein Bewusstsein für die Begrenztheit natürlicher Ressourcen insgesamt gewachsen, während andererseits das Deponieren zunehmend undurchführbar wurde, zum Beispiel in urbanen Ballungsräumen.

„Den größten Einfluss auf die Entwicklung des Gedankens der Ressourcenbegrenztheit hatten das ‚Spaceship Earth‘-Modell von Kenneth Boulding (1966) und der Bericht des Club of Rome über die ‚Grenzen des Wachstums‘ (1972). Beide Analysen betrachteten die Erde als ein geschlossenes System, das durch den Verbrauch seiner endlichen Ressourcen bei gleichzeitiger Steigerung der Abfallmenge zunehmend aus den Fugen geriet. Aus dieser Bedrohung des Systems Erde leiteten beide Berichte die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit („sustainability“) ab, um das System erneut zu stabilisieren.Recycling spielte bei beiden Konzepten eine Schlüsselrolle und schlug sich ab den 1970ern zunehmend in deutschen Konsum- und Wegwerfmustern nieder“, schätzt die Internetseite Umwelt und Erinnerung hier ein.

Teile der Bevölkerung begannen freiwillig, ihren Müll zu trennen. Die Mülltrennung wurde so zum Sinnbild einer ganzen Generation in der westlichen Welt, schreibt Wikipedia:

„Ausgehend von der Altpapier-Wiederverwendung wurden zunehmend Technologien erarbeitet, die die Wiederaufbereitung aller Arten von Altstoffen wirtschaftlich machen, wodurch Abfall zu einem bedeutenden Wirtschaftsgut wurde: Geprägt wurde dafür der Ausdruck Sekundärrohstoff.“

„Ende der 1970er Jahre tauchten in Deutschland die ersten Altglascontainer auf“, liest man hier.

1970er – Zeit des Recyclingdesigns

Das wachsende Bewusstsein für die Endlichkeit der Rohstoffe wirkte sich auf die Entwicklung von Design aus:

„Aber auch die Ölkrise von 1973 und das aufkeimende Bewusstsein endlicher Rohstoffressourcen spielten für die Designentwicklung in den 70er Jahren eine bedeutende Rolle. Gruppen wie die Offenbacher ‚Des-in‘ widmeten sich ganz dem Recyclingdesign, wie der Entwurf des Reifensofas zeigt. Auch wenn sich die meisten der Designkollektive nach ein paar Jahren wieder auflösten ohne die Welt wirklich verändert zu haben, ebneten sie den Weg für eine unglaubliche Vielfalt im Design der 80er Jahre.“

Recycling in den 1970ern anderswo und die Entwicklung des internationalen Recycling-Symbols

Einen schönen Überblick über die Entwicklung des Recyclings in den 1970ern habe ich hier für euch gefunden:

„Nevertheless, in the 1970s, recycling became more popular again and drop-off recycling centers were established. The environmental movement had started since 1960s, and there was greater public awareness and rising environmental consciousness. A milestone in the history of recycling was the introduction of the universal symbol for recycling. In the form of a Mobius strip, the symbol was designed by Gary Anderson in the late 1960s, after a Chicago-based recycled-container company sponsored an art contest to raise environmental awareness. Since then, the triangle has been used to represent the recycling hierarchy of reduce, reuse and recycle. The increased interest in recycling in the 1970s was also a result of rising energy costs. Significant savings were achieved through recycling. For example, recycling aluminum used only 5% of the energy required with virgin production. There were also significant energy savings when recycling glass, paper and metals as compared to extracting the raw materials. In the early 1970s, Rose Rowan started with the idea of towing a ‘recycling’-trailer behind a waste management vehicle to collect trash and recyclable items at the same time. This innovation allowed for the introduction of curbside collection in the late 1980s and 1990s, which made it even easier for people to recycle. For the United States, the first city to mandate recycling was Woodbury, New Jersey.”

Fazit

Die vorgeschriebenen Fakten zur Geschichte des Recyclings in den 1970ern zeigen zum ersten Mal, dass Recycling nicht nur am Ende eines schöpferischen Prozesses als Wiederverwertung von Wertstoffen stattfindet, sondern bereits in die Planung und das Design von Produkten einfließt. Eine gute Nachricht! Schauen wir, was uns die 1980er an Entwicklung bringen werden: Bleibt dabei!

 

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