#DIGICHAN 2: Digitalisierung in der Abfallwirtschaft
Hat die Digitalisierung in der Abfallwirtschaft bereits Einzug gehalten? Welche Chancen birgt sie? Welche Veränderungen bringt sie? Wie nimmt die Branche die Digitalisierung auf? Wie setzt man Abfallwirtschaft 4.0 um? Fragen über Fragen. Wir Wertstoffblogger machen uns unter dem Hashtag #DIGICHAN auf die Suche nach Antworten darauf: Wir sind der Digitalisierung in der Abfallwirtschaft auf der Spur.
Wenn wir uns mit der Digitalisierung und ihrem Einzug in die Abfallwirtschaft als einem Teil der Wirtschaft und damit einem Teil der herrschenden Wirtschaftsordnung beschäftigen, müssen wir zunächst den einen oder anderen Begriff klären. Zum Beispiel:
Was ist Digitalisierung?
Der Begriff Digitalisierung bezeichnet laut der Freien Enzyklopädie Wikipedia im Allgemeinen die Veränderungen von Prozessen, Objekten und Ereignissen, die bei einer zunehmenden Nutzung digitaler Geräte erfolgt. Digitalisierung heißt damit ursprünglich und eng gefasst „die Erstellung digitaler Repräsentationen von physischen Objekten, Ereignissen oder analogen Medien“. Weiter gefasst und heute meistverbreitet ist die Bedeutung von Digitalisierung als „Wandel hin zu digitalen Prozessen mittels Informations- und Kommunikationstechnik“. Aussagen zu „Digitalisierung“ von Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft seien demnach „gleichbedeutend mit der digitalen Transformation oder Digitalen Revolution von Bildung, Wirtschaft, Kultur und Politik“. Die Digitalisierung als Erstellung digitaler Repräsentationen habe der Wiki zufolge den Zweck, Informationen digital zu speichern und zu verarbeiten.
Was bedeutet Industrie 4.0?
Das Wirtschaftslexikon Gabler definiert Industrie 4.0 als einen „Marketingbegriff, der auch in der Wissenschaftskommunikation verwendet“ werde, und für ein „Zukunftsprojekt“ der deutschen Bundesregierung stehe. Die sogenannte vierte industrielle Revolution zeichne sich demnach durch Individualisierung beziehungsweise Hybridisierung der Produkte und die Integration von Kunden und Geschäftspartnern in die Geschäftsprozesse aus.
Auch das Wesen einer Veränderung lässt sich politikwissenschaftlich erklären:
Was ist Transformation?
Als Politikwissenschaftlerin beziehe ich den Begriff Transformation auf ein politisches System, eine gesellschaftliche oder auch wirtschaftliche Ordnung. Diesbezüglich steht Transformation für einen Prozess grundlegender Veränderung. Die Politikwissenschaft hat verschiedene Theorien, um Transformation zu erklären. Sie identifiziert verschiedene Ursachen für Transformation und kennt mehrere Verlaufsformen. Außerdem kennt man inzwischen Transformationsstrategien.
Was ist Disruption?
Die Wiki definiert den Begriff Disruption in Bezug auf eine Technologie so: „Eine disruptive Technologie (englisch to disrupt „unterbrechen“) ist eine Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängt.“
Um das Wesen der Disruption zu verstehen, hilft die Erklärung des Trend- und Zukunftsforschers Matthias Horx, der auch das Zukunftsinstitut gründete, weiter, der Disruption nicht nur auf eine Technologie wie die Digitalisierung bezieht, sondern auch auf „Verfahren, Denkweisen, Prozesse, Systeme und ganze Kulturen“. Horx schreibt, dass Disruption immer dann entstünde, „wenn alte Systeme träge, selbstgerecht und zukunftsblind werden. Viele Unternehmen aber – die Mehrheit! – sind durchaus vital und lernfähig. Gerade deutsche Mittelständler üben seit Jahrzehnten die Kunst der graduellen Evolution: Sie verbessern ihre Produkte, aber auch ihre Prozesse, ständig. So laufen sie den Disrupteuren einfach davon – indem sie den Wandel, dessen Opfer sie werden könnten, selbst gestalten!“ Spannenderweise bringt Horx den Begriff Evolution ins Spiel:
Was ist Evolution?
Um das Wesen der Disruption zu verstehen, sei es nützlich, die Gesetze der Evolution zu kennen, schreibt der Trend- und Zukunftsforscher. Auch in der Evolution der Arten komme es demnach immer wieder zu gewaltigen Umschwüngen und Kaskaden, in denen neue Spezies auf der Bildfläche erscheinen und alte verschwinden würden. Gesteuert werde dieser Wandel durch
- entweder von äußeren Katastrophen wie Kometeneinschläge oder radikale Klimawandel
- oder von der evolutionären Drift, in der biologische Systeme und Spezies stetig komplexer und interdependenter würden.
Laut Horx verkürze „die heutige Disruptionsdebatte die Zukunft auf das katastrophische Modell, dem die technischen Veränderungen zugeordnet“ würden. Er fragt zu Recht, ob die Digitalisierung sich wirklich mit einem Kometeneinschlag gleichsetzen lasse.
Die Devise, dass das eine das andere ablöse sei demnach völlig un-evolutionär. Organismen und Organisationen seien vielschichtige Entitäten, die in ihrer Lebendigkeit einen hohen Grad an Adaptivität aufweisen würden. Die Evolution sei Horx zufolge spontan, sie fülle jede Nische, sie erfinde sich selbst immer wieder neu.
Und wir müssten auch verstehen, dass Evolution und Disruption an einer gewissen Stelle dasselbe seien, wohlbemerkt: (nicht das gleiche). Evolution finde demnach nur aufgrund permanenter Störung statt. Komplexe Organismen brauchen ein Immunsystem, und Immunsysteme müssen ständig „trainiert“ werden – durch Infektionen, oder in der Wirtschaftswelt: durch Krisen!
So gesehen sei Disruption „nur eine Information“, die zur Veränderung anrege – eine konstruktive Störung also.
Wie verändert Digitalisierung Unternehmen?
Was Digitalisierung mit Unternehmen macht, beantwortet Michael Rasch, Partner und Digital Transformation Leader bei PwC, in einem Interview: Der Markteintritt für Start-ups sei demnach heute viel leichter. Denn dank neuer Technologien wie Cloud Computing benötigten sie viel weniger Startkapital. Das
- verschärfe einerseits den globalen Wettbewerb
- und erhöhe andererseits die Innovationsgeschwindigkeit.
Etablierte Großkonzerne würden kleinere Unternehmen aufkaufen und damit neue Märkte erschließen. Gleichzeitig änderten sich die Kundenbedürfnisse: Der moderne Verbraucher sei immer mobil, vernetzt und habe jederzeit vollständige Transparenz. Er lege Rasch zufolge mehr Wert auf Service und Qualität. Das Eigentum an einem Produkt werde zur Nebensache. Und letztlich verändere sich die Wertschöpfung: Die Produkte eines Unternehmens würden immer mehr von mobilen Services und das Internet ergänzt. Darüber hinaus würden sich auch völlig neue Geschäftsmodelle etablieren, die vollkommen auf den digitalen Technologien basierten.
Das Vorgeschriebene Wesen der Digitalisierung und auch die Chancen, die sie bringt, lassen sich im Grunde auf jedes Wirtschaftssystem oder Teile davon, zum Beispiel Branchen wie die Abfallbranche oder einzelne Unternehmen davon, beziehen.
Digitalisierung ist alltägliche Realität. Wie sie in der Abfallwirtschaft angekommen und angenommen wird, das zeigt eine aktuelle Umfrage.
Wie nimmt die Abfallwirtschaft die Digitalisierung wahr?
170 Akteure der Entsorgungswirtschaft haben Ende 2016 an einer NETWASTE-Umfrage teilgenommen, davon 57,5 Prozent aus der privaten Entsorgungswirtschaft, 17,5 Prozent aus kommunalen Betrieben sowie ÖPP-Unternehmen. Die anderen Teilnehmer seien Branchenlieferanten gewesen. 35,5 Prozent der befragten Unternehmen hätten weniger als 50 Mitarbeiter und nur 10 Prozent mehr als 1.000 Mitarbeiter gehabt. 37,5 Prozent hätten zwischen 50 und 250 Mitarbeiter, während 12,5 Prozent zwischen 250 und 1.000 Mitarbeiter hätten. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen einerseits, dass „viele Entsorgungsunternehmen in der Digitalisierung eine große Notwendigkeit [sehen], während sie aus praktischen Gründen oft noch davor zurückschrecken“:
Das Fazit der Umfrage lautet demnach, dass auch die Abfallwirtschaft immer digitaler werde.
Allerdings würden die Ergebnisse „eine digitale Teilung der Entsorgungsbranche“ andeuten: Auf der einen Seite würden sich demnach „innovative Unternehmer zum ‚Digital-Entsorger‘“ entwickeln, „die umfassend auf die Digitalisierung setzen und Geschäftsprozesse und Interaktionen mit Kunden, Lieferanten und Partnern digital abbilden“ würden. Auf der anderen Seite verblieben offenbar “Analog-Entsorger”, „die den digitalen Anschluss verlieren werden“.
Ob diese “Analog-Entsorger” langfristig im Markt bestehen bleiben, sei mehr als fraglich.
Tipps für Akteure der Abfallwirtschaft zur effizienten digitalen Zusammenarbeit
Alexander Marschall, Leitung Business Development Abfallwirtschaft bei Fritz & Macziol, gab in der Online-Ausgabe des Recycling Magazins folgende Einschätzung der aktuellen Lage in der Abfallwirtschaft: Die Prozesse der Abfallwirtschaft würden von hohem bürokratischem Aufwand aufgrund zunehmender Rechtsvorschriften belastet. Viele Unternehmen kämpften mit unterschiedlichen Software-Lösungen und einer Vielzahl an digitalen Schnittstellen. Gleichzeitig würden Aufträge sogar noch manuell bearbeitet – Fehler seien dabei oft kaum zu vermeiden. Die Vereinfachung der Prozesse überall dort wo mehrere Beteiligte zusammenarbeiten, das verberge sich hinter dem Begriff „Abfallwirtschaft 4.0“. Marschall hat für Erzeuger, Beförderer, Entsorger, Makler und Händler von Wertstoffen folgende Tipps zur effizienten digitalen Zusammenarbeit:
- Medienbrüche vermeiden (durchgängige elektronische Prozesse statt teils analoge und teils digitale Prozesse).
- Dateneingabe, wo Daten anfallen (jeder Beteiligte gibt seine Daten einmalig direkt dort ein, wo sie entstehen, statt doppelter Eingabe)
- E-Rechnung
- Serviceportal integrieren (integriertes Serviceportal stellt relevante Informationen und Dokumente bereit und gibt sie frei)
- Schnittstellen reduzieren (einheitlichen Schnittstelle zwischen den Softwarelösungen; zentrale Datendrehscheibe als Zwischenebene)
Marschall fasst zusammen, dass wenn die Unternehmen es schaffen würden, die täglich anfallenden Prozesse der Entsorgungsbranche zu vereinfachen, sie daraus unmittelbaren Nutzen ziehen könnten:
- messbare Zeitersparnis,
- Produktivitätsgewinn
- sowie Rechtssicherheit für ihre Prozesse.
1 Kommentar
Guten Tag,
da haben sie aber einen sehr ausführlichen und gut belegten Artikel erstellt. Hut ab! Wir haben Ihn gerne gelesen.
Liebe Grüße aus Hannover