Handlungsbedarf: Spurenstoffe im Wasser

Gepostet von am 23. Nov. 2017

Handlungsbedarf: Spurenstoffe im Wasser

Spurenstoffe sind Stoffe, die in nur sehr geringen Konzentrationen im Gewässer vorkommen. Sie stammen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Produkten: Beispielsweise aus Schädlingsbekämpfungsmitteln (Biozide), Human- und Tierarzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln, Industriechemikalien oder aus Körperpflege- und Waschmitteln.

Nicht jeder Spurenstoff ist bedenklich, sondern nur solche, die bereits in sehr niedrigen Konzentrationen nachteilige Wirkungen auf die aquatischen Ökosysteme haben oder aber die Gewinnung von Trinkwasser negativ beeinflussen. Diese werden dann als »relevant« bezeichnet. Aufgrund des Vorhandenseins dieser relevanten Spurenstoffe im Gewässer wird intensiv darüber diskutiert, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um diese Einträge zu reduzieren.

Der Bund arbeitet dazu an einer Spurenstoffstrategie. Zur Vorbereitung dieser Strategie wurde im Jahr 2016 ein Stakeholder-Dialog angestoßen, aus dem 14 Handlungsempfehlungen hervorgingen, die im Juni 2017 vorgestellt wurden. Die Empfehlungen beziehen sich auf die Quelle beziehungsweise Herstellung, auf die Anwendung, d. h. den Verbraucher, sowie auf nachgeschaltete Maßnahmen.
Die Identifikation relevanter Spurenstoffe und die Kosten sind selbstverständlich elementar, ich möchte jedoch drei weitere Empfehlungen besonders hervorheben:

1) Herstellerverantwortung

„Hersteller von relevanten Spurenstoffen und Produkten, die solche enthalten, tragen Verantwortung für die Vermeidung oder Reduzierung des Eintrags in die Gewässer. Es müssen relevante Stoffe bzw. Stoffgruppen benannt und Handlungsempfehlungen zur Vermeidung/Minderung im Gewässer entwickelt werden. Basis dieser Empfehlungen ist eine Risikobewertung.“

Wesentliche Botschaft ist hier die Herstellerverantwortung bzw. das Verursacherprinzip. Unverändert besteht weiterer Forschungs- und Untersuchungsbedarf, um bewerten zu können, welcher Stoff in welcher Konzentration tatsächlich relevant ist und damit eine nachteilige Wirkung auf Mensch und Umwelt hat. Hier spielen natürlich auch Wechselwirkungen eine Rolle, die noch schwerer zu bestimmen sind.
Der Einsatz eines Spurenstoffes erfüllt auch einen Nutzen. Dafür weniger schädliche Alternativen zu finden, die für den Verbraucher/Nutzer mindestens gleichermaßen sinnvoll und attraktiv sind, wird eine weitere große Herausforderung. Die Arzneimittelindustrie ist an der Stelle ein wichtiger Adressat.

Für das Schmerzmittel Diclofenac gibt es beispielsweise den Vorschlag einer Umweltqualitätsnorm (UQN), die auf ökotoxikologischen Bewertungen basiert. Dieser wird in deutschen Gewässern weitverbreitet überschritten. Für viele andere Arzneistoffe fehlt ein solcher Bewertungsmaßstab.

2) Verbraucheraufklärung und Technikeinsatz im Bedarfsfall

„Für eine deutliche Reduzierung der Belastungen der Gewässer mit relevanten Spurenstoffen muss bereits an der Quelle bzw. bei der Anwendung deren Eintrag in die Gewässer vermieden bzw. reduziert werden. In begründeten Fällen ist eine weitergehende Behandlung auf Kläranlagen ein wichtiger Baustein zur Reduzierung relevanter Spurenstoffe. Kriterien für begründete Fälle sind bspw. Belastungssituation der Gewässer, Effizienzkriterien, Nutzungsanforderungen und Empfindlichkeit der Gewässer. Dafür ist ein bundeseinheitlicher Orientierungsrahmen mit ausreichendem Handlungsspielraum für die Länder zu schaffen.“

Über bessere Informationen und mehr Aufklärung beim Verbraucher können Schadstoffe in der Umwelt weiter reduziert werden. In der Stadt Dülmen wurde beispielsweise sehr erfolgreich eine Kampagne durchgeführt unter Verwendung verschiedener Kommunikations- und Sensibilisierungsaktivitäten für die jeweiligen Akteure.

Allerdings sind Gewässer auch über diffuse Quellen belastet, d. h. der Verursacher lässt sich im Zweifel nicht genau bestimmen. So kann es nötig werden, dass auch bei der Abwasserreinigung Maßnahmen zur Spurenstoffreduktion ergriffen werden müssen. In einigen Bundesländern, als Vorreiter sind hier Nordrhein-Westfalen (NRW) und Baden-Württemberg zu nennen, wurden bereits zahlreiche Machbarkeitsstudien durchgeführt. Wurde Handlungsbedarf identifiziert, ist auch in Anlagentechnik investiert worden. In NRW kann man sich den Fortschritt oder Sachstand zu den Kläranlagen sogar online ansehen unter: www.kompetenzzentrum-mikroschadstoffe.de (Umsetzung in NRW).

Folglich gibt es in NRW bereits ein recht umfassendes Know-how zur Technik, die eingesetzt werden kann. Dazu zählen beispielsweise Aktivkohle, Ozon oder Membrantechnik. Allerdings lässt sich derzeit nicht qualifiziert beantworten, welche Technik für welche Kläranlage sinnvoll ist. Eine allgemeingültige sogenannte 4. Reinigungsstufe, bei der Spurenstoffe reduziert werden, gibt es daher nicht. Das Erfordernis ist individuell und je nach Bewirtschaftungsziel der Anlage abzustimmen und eines ist auch sicher: Nullemission wird es auch trotz Einsatz von Technik nicht geben.

3) Intensivierte Öffentlichkeitsarbeit für sachgerechte Entsorgung

„Für Produkte, die relevante Spurenstoffe enthalten und ein Risiko für Gewässer darstellen, ist eine sachgerechte Entsorgung von Rest- oder Abfallmengen sicherzustellen. Dazu sind Anwendungsinformationen zu intensivieren und die bestehenden Sammelsysteme bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.“

Hinter dieser Empfehlung verbirgt sich ein Appell an die Kommune, ihre Pflicht zur Beratung und Öffentlichkeitsarbeit ernst zu nehmen und die Bürger ausreichend über relevante Spurenstoffe und ihre Entsorgungsmöglichkeiten zu informieren. Das Informationsangebot muss zielgruppenorientiert sein. Eine solche Dienstleistung kann auch von privaten Unternehmen in Drittbeauftragung durchgeführt werden.

Blick nach Europa

Auch die Europäische Kommission befasst sich mit Spurenstoffen und wird in Kürze eine Konsultation durchführen zum „Strategic approach to pharmaceuticals in the environment“. Die Initiative möchte zunächst Wissenslücken identifizieren und mögliche Lösungswege aufzeigen. Letztlich ist nicht auszuschließen, dass auch Anpassungen im gesetzgeberischen Bereich vorgeschlagen werden, die die Wasserwirtschaft oder die Arzneimittelüberwachung betreffen. Die Roadmap der Europäischen Kommission ist im Internet verfügbar.

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