Wirtschaftliche Zukunft Deutschlands gelingt nur mit einer Rohstoffversorgung 4.0

Der BDI, der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., hat gerade ein Strategiepapier zum Thema „Rohstoffversorgung 4.0“ mit acht „Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Rohstoffpolitik im Zeichen der Digitalisierung“ vorgelegt. Wir stellen euch das Strategiepapier vor.
Das Strategiepapier des BDI könnt ihr euch kostenlos aus dem Internet herunterladen (Downloadlink). Es erschien im Oktober 2017 und umfasst 24 Seiten.
Hintergrundwissen
Nach einem Vorwort wird euch zunächst Hintergrundwissen vermittelt, darunter die Erklärung des Begriffs Rohstoffversorgung 4.0.
Der stehe demnach „für die Vernetzung und Verzahnung von industriellen Prozessen mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik“. Wobei „Themen wie Industrie 4.0, die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft oder die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“ laut dem BDI „aus Sicht der Industrie nicht abgekoppelt von der Rohstoffversorgung betrachtet und diskutiert werden“ dürfe. Ihre Umsetzung könne ohne Rohstoffe nicht gelingen. Rohstoffe seien die Grundlage für die Produkte der Zukunft. Zudem würden aus ihnen die Maschinen gefertigt, mit denen Zukunftstechnologien im Industrieland Deutschland hergestellt werden sollen. Dank ihrer jeweiligen Materialeigenschaften würden Rohstoffe die Produkte und Maschinen effizienter, energiesparender und leistungsfähiger machen.
Ihr lernt beispielhaft die klassischen Rohstoffe kennen:
und bekommt Beispiele für High-Tech-Rohstoffe:
Dann liefert euch der BDI sowohl einen Überblick über
- die bisherige Entwicklung des Rohstoffbedarfs
- nationale
- sowie internationale Rahmenbedingungen
- und über Nachhaltigkeit und Verantwortung.
Beispiele für die Veränderung des zukünftigen Rohstoffbedarfs
Unter dieser Überschrift beschreibt das Strategiepapier, „wie sich der Rohstoffbedarf aus Sicht der deutschen Industrie in Zukunft verändern wird“. Darüber werde aufgezeigt, „welche Innovationen die deutschen Industrieunternehmen perspektivisch bereithalten und was sie im Bereich der Rohstoffeffizienz unternehmen“.
Der Absatz ist unterteilt in die Punkte:
- Elektromobilität
- Recycling
- Windkraft
- Photovoltaik
- 3D-Druck
- Baustoffindustrie
8 Handlungsempfehlungen
Teil 4 des BDI-Strategiepapiers schließlich enthält acht Handlungsempfehlungen, die laut BDI „einen konstruktiven Beitrag zu einer notwendigen Diskussion um einen Paradigmenwechsel in der Rohstoffpolitik“ leisten würden. Dass es eben dieses Paradigmenwechsels in der Rohstoffpolitik bedürfe, betont der BDI-Präsident Prof. Dieter Kempf.
Der BDI schreibt vorweg, dass die europäische und nationale Politik dafür verantwortlich sei, „mit geeigneten und verlässlichen Rahmenbedingungen eine sichere Rohstoffversorgung zu ermöglichen und zu fördern“. Dies gelte demnach auch für die Rohstoffversorgung 4.0. Mit der bestehenden Rohstoffstrategie habe die Politik die richtigen Weichenstellungen gesetzt. Auch weiterhin müsse eine sichere Rohstoffversorgung im Mittelpunkt stehen.
Dabei müssten auch in Zukunft alle drei Säulen der Rohstoffsicherung –
- Importrohstoffe,
- heimische Rohstoffe
- und Recyclingrohstoffe
– gleichrangig beachtet werden. Nur so könne ein sicherer, nachhaltiger und verantwortungsvoller Rohstoffbezug sichergestellt werden, heißt es im Strategiepapier.
Die 8 Handlungsempfehlungen sind:
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Ressortabstimmung verbessern
Die Fülle an verschiedenen Initiativen und Projekten der Bundesregierung im Rohstoffbereich nehme laut BDI immer weiter zu. Was fehle seien klare Zuständigkeiten. Wichtig sei, dass bei jeder neuen Initiative beziehungsweise neuen Projekten der zusätzliche Nutzen klar erkennbar sei.
Daher müsse die Rolle des BMWi bei der Koordinierung der rohstoffpolitischen Arbeit der Bundesregierung gestärkt werden. Dazu müsse man wissen dass im BMWi die Fachaufsicht über die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und somit der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) liege. Beide würden demnach mit richtungsweisenden Studien und Kooperationen einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffsicherung leisten. Die Federführung bei allen rohstoffpolitischen Entscheidungen müsse beim BMWi liegen, damit die Expertise von BGR und DERA einfließen könne. Gleichzeitig müsse die Arbeit der BGR und der DERA durch eine bessere finanzielle Ausstattung gestärkt werden.
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Ausgaben für Forschungsförderung erhöhen
In Deutschland würden dem BDI zufolge Wissenschaftler gemeinsam mit deutschen Unternehmen sowie anderen Verbundpartnern an einer Reihe von Zukunftsthemen forschen, darunter an Recycling oder 3D-Druck. Diese Forschung müsse weiterhin gefördert werden. Darüber hinaus solle das Innovationspotenzial der deutschen Industrie weiter gestärkt werden. Dafür bedürfe es einer breit angelegten und technologieoffenen steuerlichen Forschungsförderung. In vielen Industriebereichen sei Forschungsbedarf vorhanden, unter anderem beim Recycling von kritischen Technologiemetallen. Dabei seien vor allem auch Ansätze zur besseren
- Erfassung,
- Stoffverfolgung
- und Sicherstellung der Zuführung zu hochwertigen Recyclingprozessen
zu erarbeiten. Die Aktivitäten für eine Forschungsförderung sollten demnach generell eng mit den Industrieunternehmen abgestimmt werden, die näher am Stand der Technik seien.
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Heimische Rohstoffförderung stärken
Dem BDI nach müsse die Rohstoffgewinnung „immer auf die geologischen Gegebenheiten Rücksicht nehmen“. Das bedeute, dass ein Rohstoff sich nur dort gewinnen lasse, wo er lagere. Aufgrund dieser Standortgebundenheit müssten die dafür notwendigen Flächen systematisch und langfristig gesichert werden. Sie dürften nicht anderweitig überplant oder genutzt werden, sonst seien die Bodenschätze für die Gewinnung verloren.
Dafür seien
- sowohl das Raumordnungsgesetz des Bundes und der Länder,
- das Bundesberggesetz
- als auch das Bundesimmissionsschutzgesetz
die richtigen Instrumente. Diese würden auch die umfassende Anwendung des Umweltrechts auf bergbauliche Vorhaben sicherstellen. Die deutsche Rohstoffwirtschaft brauche laut BDI Planungs- und Investitionssicherheit.
Effiziente und transparente Genehmigungsverfahren seien demzufolge ein „wesentlicher Baustein für die rechtssichere Zulassung von neuen Vorhaben beziehungsweise die Erweiterung bestehender Betriebe“.
Entscheidungen zur Rohstoffsicherung dürften sich dabei nicht nur an kurzfristigen Bedarfsabschätzungen ausrichten, sondern müssen strategischer Natur sein. Nur dann sei auch eine effiziente, ressourcenschonende und nachhaltige Rohstoffgewinnung durchführbar.
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Kreislaufwirtschaft ausbauen
Rohstoffe seien dem BDI zufolge viel zu wertvoll, um sie nur einmalig zu nutzen. Eine echte Kreislaufwirtschaft müsse die Rohstoffe möglichst vollständig am Produkt-Lebensende zurückgewinnen, wann immer dies technisch machbar und wirtschaftlich sei. In einer globalisierten Gesellschaft bedeute dies auch die Einbindung einer Kreislaufwirtschaft in ein globales Umfeld.
Für eine Marktdurchdringung von Zukunftstechnologien wie der Elektromobilität sei neben dem Ausbau der Primärproduktion gleichzeitig auch der Aufbau von leistungsfähigen Recyclingkreisläufen unabdingbar.
Es müsse demnach sichergestellt sein, dass die Altbatterien aus Elektrofahrzeugen vollständig erfasst und in qualitativ hochwertigen Prozessen recycelt würden. Die entsprechenden Recyclingverfahren seien laut BDI bereits vorhanden. Die Erfassung und Einsteuerung in die Recyclingprozesse müsse entwickelt werden. Geschäftsmodelle wie Leasing, Sharing und gesetzliche Rahmenbedingungen würden dabei eine wichtige Rolle spielen. Gegenwärtig werde dabei noch viel Potenzial verschenkt. Zur Optimierung und Erforschung von Recyclingprozessen sollten Pilotprojekte in geeigneten Wirtschaftszweigen stärker gefördert werden, fordert der BDI in seinem Strategiepapier.
- Global Level Playing Field schaffen
Der wachsende Protektionismus durch politische Eingriffe schränke nach Einschätzung des BDI den fairen Wettbewerb auf den Rohstoffmärkten ein. Die Bundesregierung müsse sich daher auch weiterhin für einen fairen und diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffen einsetzen. Dazu brauche es
- verlässliche Handelsregeln
- und die Einhaltung des Regelwerks der Welthandelsorganisation (WTO).
Insbesondere dürften die bestehenden Ausnahmeklauseln der Sicherheits- und Umweltstandards nicht als Vorwand von Handelshemmnissen missbraucht werden.
Wichtig sei vor allem eine Straffung des WTO-Streitbeilegungsmechanismus. Streitfälle müssten dem BDI zufolge in Zukunft zügiger und effektiver verhandelt werden. Die Bundesregierung und die EU müssten sich noch stärker als bisher für den Abschluss internationaler Handelsabkommen einsetzen. Darüber hinaus müssten sie die Einhaltung internationaler Vereinbarungen und die Transparenz bei der Anwendung von Handelsbeschränkungen einfordern. Dazu sollten Rohstoffthemen und die Gefahren von Exportbeschränkungen bei G7 und G20 wieder verstärkt in den Fokus gerückt werden.
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Innovative Rohstoffprojekte fördern
Die Politik müsse, so empfiehlt der BDI, innovative Rohstoffprojekte stärker als bisher fördern. Tiefseerohstoffe könnten beispielsweise in der Zukunft einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Versorgungssicherheit mit strategischen Rohstoffen leisten. Damit könnten sie auch dazu beitragen, die Rohstoffabhängigkeit von Krisenstaaten zu verringern. Beim Tiefseebergbau müssten drei zentrale Herausforderungen gelöst werden:
- Der umweltverträgliche Abbau der Rohstoffe (Ökologie).
- Das Zusammenfügen der verschiedenen einzelnen Technologien zu einem Gesamtprozess (Technologie).
- Die Produktion zu wirtschaftlichen Kosten (Ökonomie).
Damit der Tiefseebergbau einen Beitrag zur Rohstoffsicherung leisten kann, müssen diese Herausforderungen in enger Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik gelöst werden.
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Rohstoffförderung und Entwicklungspolitik verzahnen
Für viele Schwellen- und Entwicklungsländer sei der Rohstoffreichtum zum Fluch geworden, weil die Wirtschaft zu einseitig auf Rohstoffförderung und -export ausgerichtet ist. Zu oft würden keine zusätzliche Wertschöpfung und damit keine wirtschaftliche Diversifizierung stattfinden. Die einseitige Abhängigkeit von der Rohstoffförderung begünstige nach Aussage des BDI in vielen Schwellenländern zudem
- Vetternwirtschaft,
- Korruption,
- soziale Spannungen
- und Verteilungskämpfe auf dem Rücken von Mensch und Umwelt.
Eklatante Menschenrechtsverletzungen seien häufig die Folge. Viele Schwellenländer würden demnach von der Rohstoffförderung leben. Eine Verbesserung der sozio-ökonomischen Situation ist in diesen Ländern deshalb maßgeblich vom Rohstoffsektor abhängig
Im Zuge der global steigenden Nachfrage nach insbesondere Rohstoffen für Zukunftstechnologien werde sich demnach die Abhängigkeit einzelner Schwellenländer von der Rohstoffgewinnung, verbunden mit all ihren Problemen, vergrößern.
Die fortschreitende Digitalisierung in China und den westlichen Staaten könne somit letztlich dazu führen, dass sich die Situation in rohstoffreichen Schwellenländern weiter verschärfe. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Rohstoffförderung vor Ort, verbunden mit einer transparenten und fairen Verteilung der Rohstofferträge, sei folglich notwendig.
Die Deutsche Industrie wolle laut BDI einen Beitrag zur Verbesserung der Situation für die Menschen und die Umwelt leisten. Ihre Möglichkeiten seien aber stark begrenzt.
- Dies liege zum einen daran, dass es keine relevanten deutschen Bergbaukonzerne gebe, die Rohstoffe in Schwellen- und Entwicklungsländern fördern würden.
- Zum anderen lägen die wesentlichen Herausforderungen in den politisch- und rechtlichen Rahmenbedingungen der Förderländer.
Es könne und dürfe nicht Aufgabe von privaten Unternehmen sein, die politischen Verhältnisse in anderen Ländern zu verändern. Genauso wenig dürfe die Durchsetzung von Menschenrechten ausschließlich an Unternehmen delegiert und somit privatisiert werden.
Damit die deutsche Industrie ihren Beitrag in den Förderländern leisten kann, brauche sie die Unterstützung der deutschen und europäischen Politik.
Durch eine stärkere Konditionierung von Entwicklungshilfe sollten Deutschland und die EU Einfluss auf die Rahmenbedingungen vor Ort nehmen und die Einhaltung von Menschenrechten offensiv einfordern, empfiehlt der BDI.
Mithilfe einer stärkeren Verzahnung der Entwicklungszusammenarbeit mit konkreten Projekten der Rohstoffförderung sollte der Aufbau einer nachhaltigen Weiterverarbeitungs- und Zulieferindustrie zudem aktiv befördert und hohe Standards in der Exploration implementiert werden.
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Rohstoffbewusstsein schaffen
Die Steigerung der Akzeptanz von Rohstoffgewinnung müsse politisch unterstützt werden, lautet die achte Empfehlung des BDI.
- Wirtschaft,
- Verwaltung
- und Politik
seien dem BDI zufolge gleichermaßen in der Pflicht, den gesellschaftlichen Nutzen der heimischen Rohstoffproduktion zu verdeutlichen.
Zum Bedauern des BDI sei das Thema Rohstoffgewinnung fast vollständig aus der Schulbildung verschwunden. Es brauche daher auch bildungspolitische Ansätze, um ein Rohstoffbewusstsein weiter zu entwickeln. Ein gemeinsames Verständnis von heimischen Rohstoffen als Bodenschätze führe zu einer höheren, angemessenen Wertschätzung der eigenen Wertschöpfung.
Ein zukunftssicherer Industriestandort brauche demnach klare Erkundungs- und Förderperspektiven sowie mehr Technologieoffenheit und Innovationsfreundlichkeit in der Gesellschaft. Ziel müsse es sein, zu einer sachlicheren und entemotionalisierten Debatte über die Rohstoffgewinnung zu kommen, empfiehlt der BDI schließlich.
Fazit:
Eine Menge Infos, Hintergrundwissen und schließlich acht ausführlich begründete Handlungsempfehlungen, die der BDI da auf den Tisch legt – und das zu einer Zeit, in der die Regierung der BR Deutschland sich – politisch frisch mandatiert – gerade sondiert und neu aufzustellen versucht. Bleibt abzuwarten, wer von den politischen Entscheidern sich der Handlungsempfehlungen des BDI annimmt und politisch verantwortungsvoll handelt. Politisch Verantwortung für die Zukunft muss schließlich heute übernommen werden. Von wem das werden wir sehen.
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