Recyclingpapier geht am deutschen Allerwertesten vorbei! Warum?

Gepostet von am 2. Jun 2015

Recyclingpapier geht am deutschen Allerwertesten vorbei! Warum?

Deutschland sammelt eifrig Altpapier. Wegen der Bäume, die so stehen bleiben oder so langsam wachsen dürfen, wie sie wollen. Das ist vielen Verbrauchern wichtig. Darum wird hierzulande Altpapier meisterhaft und ordnungsgemäß in die Wertstofftonne geworfen. Auch von mir. Doch anders als ich kauft nahezu die Hälfte aller Verbraucher kein Recyclingpapier. Nicht mal für den Allerwertesten. Warum, frage ich mich.

244 Kilogramm Papierverbrauch pro Kopf – das ist die Zahl, die das Umweltbundesamt für 2012 nennt. Wir Deutschen zählen damit zur Spitze der Papierverbraucher dieser Welt. Was der deutsche Papierberg die Welt kostet, lest Ihr gleich!

Wie viel Baum kostet unser Papier?

Aus einem 25 Meter hohen Baum mit einem Stammdurchmesser von 40 Zentimetern kann man laut dieser exemplarischen Rechnung 3,14 Kubikmeter Holz gewinnen. Bei einer Fichte wären das demnach 1.475, 8 Kilogramm Holz. Für ein Kilogramm Papier braucht man mehr als das Doppelte an Holz. Das macht Summa summarum: Der jährliche Papierverbrauch von 2,7 Bundesbürgern kostet jeweils eine Fichte der beschriebenen Größe das Leben. Grund genug für mich, auf die Herkunft des Papiers zu achten, das ich kaufe. Ganz gleich, ob ich

  • Aktenordner,
  • Briefpapier,
  • Druckerpapier,
  • Geschenkpapier,
  • Kalender,
  • Küchenpapier,
  • Malblöcke,
  • Notizzettel und -bücher,
  • Postkarten,
  • Schreibhefte für die Schule,
  • Schnellhefter,
  • Servietten,
  • Taschentücher,
  • Toilettenpapier,
  • oder Umschläge

kaufe, versuche ich im reichhaltigen Angebot Recyclingpapier zu kaufen. In den vergangenen Jahren beschleicht mich beim Sichten des Angebots in Supermärkten, Drogerien und Papierfachgeschäften allerdings das Gefühl, dass das Angebot an Recyclingpapier immer mehr schrumpft. Als mündiger Verbraucher habe ich nachgefragt. Bei meinem Lieblingsdrogisten bekam ich die Antwort, dass mein Eindruck mich nicht trüge, Recyclingpapiere seien eben nicht so gefragt, insbesondere nicht die sogenannten Hygienepapiere, zu denen auch Wischpapier für Nase und Po zählten. Und genau darum soll’s jetzt gehen: um Klopapier.

Recyclingklopapier ist nicht gefragt!

Ich wurde kürzlich Zeugin eines Gesprächs zwischen Drogeriemitarbeiterin und Kundin. Beide waren sich einig – leider nicht im „Für 100 Prozent Recyclingpapier“, sondern im Dagegen. Toilettenpapier aus Frischfasern, so lautet übrigens der Fachausdruck für die zig Pakete mit Klopapierrollen in drei oder vier Lagen, blütenweiß, mustervoll geprägt und / oder gar bunt bedruckt (Darauf komme ich gleich nochmal zurück.) seien laut den beiden Frauen alternativlos weich.

Ohne den beiden nahetreten zu wollen, tat ich genau das: Ich outete mich als Zeugin ihres Gesprächs, mischte mich ein und bekundete meine sehr gute Meinung, die ich von recyceltem Klopapier habe. Der übrigens einzigen Sorte im Regal, fast weiß, geprägt und dreilagig. Meiner der eingangs geschilderten ähnlichen Begründung für statt wider Recyclingpapier pflichteten beide Frauen kopfnickend bei, um gleich ein „Aber, es ist so hart! …“ dazwischenzuschieben. Dagegen konnte ich nur meine taktile, also den Tastsinn unserer Hautzellen bedienende Erfahrung einwerfen. Doch auf mein „Mir ist es nicht zu hart, nickten sie nur mitleidig. Ich mach’s kurz: Ich trug mein recyceltes, die Kundin ihr Premium-Frischfaserpapier zur Kasse. Ökologie als Argument zieht bei einem Teil der Verbraucher bezüglich ihrer Kaufentscheidung gegen Recyclingklopapier offensichtlich nicht so stark wie Weichheit – das ergab auch eine Umfrage von Greenpeace in meiner Heimatstadt Hamburg unter 1.400 auf der Straße befragten Passanten. Doch zurück zu meiner Recherche vor Ort.

Altpapiereinsatz bei Hygienepapier sinkt

Das Angebot in der Drogerie um meine Ecke entspricht längst nicht der vom Verband Deutscher Papierfabriken e.V. im „Papierkompass 2015“ veröffentlichten Altpapiereinsatzquote bei Hygienepapieren von 51 Prozent für das vergangene Jahr. Sondern eher diesen Fakten: Laut Greenpeace steige hierzulande zwar die Altpapiereinsatzquote über alle Papiersorten hinweg grundsätzlich, bei Hygienepapieren sei sie von 77 Prozent im Jahr 2001 jedoch auf besagte 51 Prozent in 2014 gefallen, wobei ihr Verbrauch von 11 auf 18 Prozent stieg. Angesichts der 2,5 Milliarden Klopapierrollen, die laut der GfK jährlich in unserer Republik gekauft werden, wird das Ausmaß der Kaufentscheidung jedes einzelnen deutlich. Denn – und das bewegt mich bei diesem Thema am meisten: All diese Rollen Toilettenpapier wandern direkt ins Klo! 8,6 Blatt Klopapier pro Stitzung, um es ganz genau zu beziffern. Es ist das kurzlebigste Papier mit dem schmutzigsten Schicksal. Und somit keinesfalls wert, aus Frischfasern gemacht zu werden, oder?

Fürs und Widers Recyclingklopapier

Selbstverständlich müssen in einem Beitrag wie diesem mehr als nur taktile Fürs und Widers von Recyclingklopapier diskutiert werden. Es geht hier schließlich um einen Wertstoff. Ich habe mich deshalb für eine aktuelle Momentaufnahme in meiner Verwandtschaft und Bekanntschaft umgehört und in einschlägigen Foren im Internet umgeschaut. Das sind meine Rechercheergebnisse:

Für Recyclingpapier spricht dessen Ökologie. Nicht mehr, nicht weniger.

Wider Recyclingpapier sprechen:

  1. seine Härte,
  2. seine (nicht reinweiße) Farbe (Warum muss Klopapier weiß sein?)
  3. und – wenn auch selten geäußert: seine möglicherweise Belastung mit chemischen Schadstoffen, die aus den Druckerfarben stammen, mit denen das Altpapier teilweise bedruckt war, aus dem es recycelt wurde.

Letzteres Gegenargument scheint mir das Wichtigste der gefundenen. Ich habe dazu einen spannenden Diskussionsstrang (Thread) auf Utopia.de gelesen. Darin wird auf die Schädlichkeit gegebenenfalls vorhandener Druckfarbenreste im recycelten Klopapier für die Haut und für das Abwasser hingewiesen. Und eine Studie der TU Leipzig erwähnt. Der Verbraucher Molzen macht dazu folgende Rechnung auf: „Auf Seite 98 der Studie finde ich eine Tabelle mit Werten, daraus nehme ich den zahlenmäßig höchsten Wert: BPA mit 86,6mg/kg Vorkommen. Ich wiege sechs Blatt dreilagiges RecyKlopapier ab (= 4,05 g), die enthalten umgerechnet noch 350ug dieses Stoffes. Das Papier berührt die Haut 10-30 Sekunden. Wieviel wird davon dann auf den Körper übertragen? Ich meine: Unmessbar wenig. Die echte Sauerei findet also nicht am Po, sondern im Abwasser => Klärschlamm statt. Das Zeug muss verbrannt werden. Die Forderung kann nur dahin gehen, ein Verbot für „nicht biokompatible“ Papier-Druckfarben auszusprechen.“

Der Argumentation von Molzen kann ich gut folgen. Und für mich ist das eine Forderung, die in ein Wertstoffgesetz geschrieben werden könnte, um die Gefahr von schadstoffhaltigem Recyclingklopapier zu bannen.

Recyclingklopapier per Wertstoffgesetz verordnen?

Würden mehr Verbraucher zu recyceltem Klopapier greifen, wenn es mehr davon im Regal gäbe? Greenpeace zum Beispiel fordert den Einzelhandel sogar auf, nur noch Recyclingpapier mit dem Umweltsiegel „Blauer Engel“ zu verkaufen. Eine Forderung, der ich umweltbewusst verbrauchend von mir aus schon freiwillig nachkomme. Ich ginge sogar soweit, eine solche für mich Selbstverständlichkeit in einem Wertstoffgesetz zu verankern. Und wenn jetzt jemand meint, das sei ein Eingriff in die Privatsphäre (bei Klopapier gar in die privateste aller Sphären), der zu einer freiheitlichen Demokratie wie der unseren nicht passe, dem entgegne ich als Hamburger Deern in plattem Deutsch und hanseatisch: „Watt mutt, dat mutt!“. Den Katalysator haben wir doch ähnlich geschluckt, hmm? Als Politologin fordere ich sogar, dass Ökologie dringend zum Fundament unseres Gesellschaftsmodells werden muss, auf das die vier Säulen Ökonomie, Soziales, Kultur und politisch-institutionelle Umsetzung gestellt werden (Stichwort: gewichtetes 4-Säulenmodell der Nachhaltigkeit).

Ökopapier ist nicht gleich Ökopapier!

Auf der Suche nach einem Grund für die deutsche Ignoranz gegenüber Recycling-Klopapier, kommt man um eine Diskussion der Ökolabel nicht umhin. Wiegt sich so mancher Verbraucher in der falschen Sicherheit angesichts eines Gütesiegels für Öko-Papier, weil er womöglich die Kriterien für das Label auf seinem Premium-Klopapier nicht kennt? Die Hersteller sind an der trügerischen Bewertung von Frischfaserqualität nicht unbeteiligt: Greenpeace wirft ihnen teilweise Irreführung vor, wenn sie ihr Klopapier mit Angaben wie „aus hygienischem Zellstoff“ bewerben. Mein Recyclingpapier ist ebenso hygienisch! Doch das nur nebenbei. Zurück zu den Siegeln:

Ich orientiere mich beim Kauf von Papier an den Herstellerangaben und gegebenenfalls ausgewiesenen Gütesiegeln. Derer gibt es allerdings mittlerweile so viele, dass sie alle zu beschreiben, den Rahmen dieses Posts sprengen würde. Daher verweise ich an dieser Stelle gerne auf eine Übersicht im Heldenblog, die viele Siegel für Ökopapiere vorstellt. Der „Blaue Engel“ und der grüne FSC-Baum sind vielen bekannt. Wofür sie stehen, wissen nicht viele Verbraucher. Doch nur wer die Unterschiede zwischen den Siegeln kennt, kann tatsächlich öko-korrekt kaufen. Greenpeace empfiehlt wie bereits geschrieben den „Blauen Engel“.

Alternative zu Toilettenpapier: Wasser

Last but not least will ich hier darüber schreiben, dass es durchaus Alternativen zu Klopapier, recycelt oder nicht, gibt. Eine benutzen Nomaden in der Wüste: Sand. Die andere und für uns WC-Benutzer praktikablere heißt: Wasser. Ich bin damit bei einem meiner Lieblingsthemen gelandet, der Geokosmetik, und kann aus jahrelanger Recherche und Erfahrung am eigenen Leib schreiben: Viele Menschen dieser Welt benutzen kein Klopapier, sondern Wasser, um sich nach kleinem oder großem Geschäft zu reinigen. In Asien und Afrika beispielsweise. Ich selbst mache das auch. Und wer sich jetzt ekelt, dem sage ich: Ausprobieren! Das Reinheitsgefühl, das Wasser bringt, kann kein Klopapier der Welt mir liefern. Ich weise in diesem Zusammenhang gerne auf die in anderen Ländern selbstverständlichen Bidets hin. Und auf die luxuriösen Toiletten, die ich dank meiner vier Kinder auf den Geburtsstationen hamburgischer Krankenhäuser genießen konnte (und die in Japan beispielsweise Standard sind): Sie liefern digital gesteuert und temperiert Duschwasser und Föhn bei jeder Sitzung. Herrlich! Nicht nur für wunde Wöchnerinnen, sondern sicher auch für von der Volkskrankheit Hämorrhoiden geplagte Deutsche. Und wem meine Meinung zu unwichtig ist, der hält sich diesbezüglich vielleicht lieber an den Rat eines Mediziners.

So und nun würde mich Eure Meinung interessieren: Geht Euch Recyclingklopapier am Allerwertesten vorbei – oder nicht? Schreibt Eure Gründe für oder wider gerne als Kommentar!

 

Weitere Artikel von Doreen Brumme:

WAS “PEPPA PIG” MIT DEM NEUEN WERTSTOFFGESETZ ZU TUN HAT

    3 Kommentare

  1. Hallo! Was ist denn die TU Leipzig? Viele Grüße

    • Das TU steht bei Universitäten meist für Technische Universität 🙂

  2. Ich persönlich benutze kein normales Toilettenpapier weil die alle zu stark parfümiert sind und teilweise sind diese „weichen“ sanften T-Papiere sowas von krümmelig das ich mehr Papier verbrauche als nötig um die als Frau zum Schluss nicht dorf zu haben wo ToilettenPapierkrümel bei Frau nun mal garnix zu suchen haben 😉
    Ich habe meine Toilette zuHause gleich neben dem Waschbecken ein Bidet hat keinen Platz in meinem Bad 😉 deswegen habe ich mir ein Bidet für „Arme“ angeschafft eine Dusche für den Wasserhahn und seitdem komme ich prima zurecht . Da meine Verdauung sehr gut eingependelt ist , habe ich auch das Glück das mir unterwegs höchstens das Bedürfniss nach dem „kleinen Geschäft“ ist .
    Ich wundere mich wieso das Leute die Umweltbewußtsein auf ihrer Stirn zu stehen haben , wenn es um die eigene Bequemlichkeit geht auf einmal so wenig Umweltbewußtsein an den Tag legen ! Mir ist vor einiger Zeit mal aufgefallen wie locker wir im Umgang mit Slipeinlagen / Binden und Windeln für unsere Kinder umgehen. Ich bin noch die Generation die Kinder bekommen hat bevor es Wegwerfwindeln und ähnliches gab . Ich wohne in einem Haus mir sehr vielen Kleinkindern und sehe in den Mülltonnen mehr Windeln als Müll in den Tonnen , das hat mich als ich mal eine vorsichtige Hochrechnung nur auf meine unmittelbare Nachbarschaft sehr erschreckt und das bei Müttern die aber beim Einkaufen genaustens die Angaben auf den Lebensmittelpakungen durchforsten.
    Vor ein paar Monaten fingen bei mir die Probleme mit der Blase an und ich musste ständig einen „Tropfenfänger“ einlegen der ansteigende Verbrauch in meinem Haushalt machte mich dann noch Nachdenklicher zumal dazu kam das diese Binden bei mir eine Hautreizung auslösten die ich nicht lustig fand und das obwohl ich drauf achtete das meine Binden unparfümiert waren .Nun kann man ja erwähnen das es in Apotheken mitlerweilen auch dafür diverse Cremes / Lotions und Salben gibt … aber ict das eigendlich der Sinn der Sache ?? Ich bin zu einer anderen Lösung gekommen ich habe wieder die Möglichkeiten genutzt mit der meine Miutter , die Mutter meiner Mutter klarkommen mussten . Ich recylcle nun meine Binden ich nutze alte Handtücher / Bettwäsche T-Shirt aus Baumwolle und habe mir meine eignen „tropfenfänger“ gemacht , diese spüle ich nach Benutzung durch und sammle sie dann für die Buntwäsche in der Waschmaschine an und siehe da ich brauche keine 2 Pakungen Binden mehr in der Woche und habe was noch viel besser ist kein Hautjucken mehr da wo Frau absolut kein Hautjucken haben möchte 🙂 und die Umwelt schone ich auch etwas ……

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