Die Fachkraft der Kreislauf- und Abfallwirtschaft darf kein Splitterberuf sein

Gepostet von am 1. Sep 2017

Die Fachkraft der Kreislauf- und Abfallwirtschaft darf kein Splitterberuf sein

Berufsbilder der Kreislaufwirtschaft

Der Beruf der Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft ist einer, der Zukunft hat und Abwechslung bietet. Dennoch mangelt es an Azubis. Woran das liegt, was man dagegen unternehmen kann – und warum sich junge interessierte Menschen in diesem Bereich Chancen auf mehr ausrechnen können, erklärt uns Ingo Ihlbrock von Bartscherer & Co.

Ingo Ihlbrock von Bartscherer & Co

Wertstoffblog: Aus welchen Gründen spricht der Beruf der Fachkraft für Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft so wenige Azubis an?

Ingo Ihlbrock: Sicher der Bekanntheitsgrad. Der Beruf der Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft ist ein relativ unbekannter Beruf, der auch nur als Splitterberuf ausgebildet wird. Es gab in Berlin – einer 4-Millionen-Stadt – drei Auszubildende im letzten Jahr, die diesen Beruf erlernt haben. Da ist es natürlich schwer, Begeisterung zu erzeugen.

Unser Unternehmen und Ich sind da von den Möglichkeiten eingeschränkt. Sicher, wir können den Beruf als solchen bewerben und dafür werben, mehr Auszubildende zu bekommen. Das tun wir auch. Aber wir brauchen dabei Unterstützung. Wir als Unternehmen haben nicht diese Macht und nicht diese Wirkung, um den jungen Menschen klar zu machen, dass es hier um einen Beruf geht, der spannend ist, der Zukunft hat und in dem man etwas Sinnvolles tut, von dem die Menschen nachhaltig etwas haben.

Wertstoffblog: Was müsste denn geschehen, um den Beruf in besseres Licht zu rücken?

Ihlbrock: Die Kammern und Verbände müssten dafür sorgen, dass dieser Beruf der Fachkraft für Kreislaufwirtschaft, der jung ist und wirklich Zukunft, hat einen Bekanntheitsgrad erreicht, unter dem junge Menschen sich etwas unter diesem Beruf vorstellen können.

Die andere Seite ist die: Wenn die jungen Damen und Männer, die diesen Beruf lernen die ersten anderthalb Jahre mit den Auszubildenden der Versorger – also den Wasserbetrieben – in einer Klasse sind und dort Dinge lernen, die nur peripher mit dem späteren Beruf in einem Entsorgungs- und Recyclingunternehmen zu tun haben, erzeugt das nicht unbedingt einen positiven Eindruck bei den jungen Leuten. Ein Beispiel: In der Zwischenprüfung müssen unsere Auszubildenden ein Rohrleitungssystem nachbauen, was zu 100 Prozent im Bereich Wasserversorgung angesiedelt ist. Man prüft hier Leute auf etwas, mit dem sie später nichts mehr zu tun haben.

Wertstoffblog: Das Problem fängt also mit dem Bekanntheitsgrad des Berufs an und setzt sich in der Ausbildung fort?

Ingo Ihlbrock: Leider ja. Wir kennen das ja alle. Schule ist Theorie. Theorie findet im Klassenraum statt. Junge Menschen, die ohnehin mehr die haptischen Lerntypen sind, die also durch das Tun und die Erfahrung lernen, empfinden das klassische Lernen aus Büchern ohnehin nicht als das Spannendste. Und wenn diese jungen Leute dann auch noch im Klassenzimmer sitzen und Dinge hören, die sie im späteren Beruf nicht brauchen, sinkt die Aufmerksamkeit auf Null und selbstverständlich leidet auch die Motivation darunter.

Wertstoffblog: Beschreiben Sie doch mal bitte den perfekten Bewerber.

Ingo Ihlbrock: Wir suchen nicht unbedingt die angehenden Akademiker oder Leute mit Einser-Abitur. Interesse, Einsatz und Engagement sind das wichtigste. Hier muss niemand mit Anzug und Krawatte auftauchen. Die Leute müssen lediglich vermitteln, dass sie ein höfliches und sympathisches Auftreten haben und bereits sind etwas Neues zu lernen. Sie sollen ja schließlich später unser Unternehmen repräsentieren und das auch vor den Kunden.

Wertstoffblog: Was lernen die Azubis bei Ihnen im Unternehmen?

Ingo Ihlbrock: Der Auszubildende als Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft muss erstmal sein tägliches Handwerk hier lernen. Anfangs macht die junge Dame oder der junge Herr bei uns einen Führerschein für den Gabelstapler und später auch für den Radlader. Das sind die zwei elementaren Geräte mit denen hier gearbeitet wird. Man lernt, wie Abfälle sortiert und behandelt werden. Auch andere Maschinen lernen die Azubis hier kennen. Sie lernen die Sortieranlage, die Schneidemaschinen und die Kanalballenpressen zu bedienen.

Wichtig ist auch der Einsatz bei unseren Kunden vor Ort. Die Azubis lernen die Logistik kennen und werden auch mit den Bedürfnissen der Kunden konfrontiert. Diese wollen beraten werden, was die Entsorgung und die Zuordnung von Abfällen angeht und vertrauen auf die Kompetenz und das Wissen unserer Angestellten. Dabei lernen die jungen Menschen das Arbeiten im Team und sehen auch, wie solch ein Team geleitet wird. Das A und O ist hier die Kommunikation und das Verständnis der Materie. Und im Sinne des Verständnisses sind die Azubis auch in der eignen Betriebswerkstadt zu Gange. Hier wird das technische Hintergrundwissen zu den Maschinen und den Anlagen vermittelt, um in einem Problemfall auch in der Lage zu sein, das Problem zu identifizieren und es zu beschreiben.

Auch unsere großen Fahrzeuge, die Hakenfahrzeuge und die Müllautos lernen unsere Auszubildenden kennen. In beiden fahren sie mit, um den Kreislauf der Abfälle zu sehen und zu verstehen. Ist dieses Hintergrundwissen erstmal aufgebaut, werden die Azubis der Fachkraft für Sicherheit zugeordnet. In dieser Branche wird mit tonnenschweren Fahrzeugen und Maschinen gearbeitet – da ist ein umfangreiches Verständnis was die Sicherheit am Arbeitsplatz betrifft unumgänglich.

Allgemein lernen die Auszubildenden auch von Anfang an alles über die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die in der Recyclingbranche einen sehr hohen Stellenwert einnehmen und permanent verschärften Anforderungen unterliegen. Nicht zuletzt auch um sich der gesellschaftlichen Verantwortung eines zertifizierten Entsorgungsfachbetriebes bewusst zu sein, der vom Privathaushalt bis hin zum Industrieunternehmen alle Anfallstellen bedient.

Wertstoffblog: Ein ziemlich breites Betätigungsfeld…

Ingo Ihlbrock: Die Auszubildenden sehen und lernen hier im Unternehmen viel, was über die Tätigkeit als Fachkraft für Kreislaufwirtschaft hinausgeht. Doch das ist wichtig, um das Unternehmen und die Branche als Ganzes kennenzulernen. Mit diesem Wissen und Können, das die jungen Leute bei uns erwerben, steht ihnen in Zukunft auch die Türe offen, in einer leitenden Position eingesetzt zu werden – sei es als Teamleiter oder als Vorarbeiter. Dafür werden unsere Azubis ausgebildet und dafür sind sie im Anschluss auch qualifiziert. Sie kennen das A und O der Abfallwirtschaft, die Entsorgung, das Recycling und verfügen über ein Grundverständnis der Gerätschaften und der Arbeitssicherheit. Damit sind sie auch prädestiniert in der Hierarchie eine Stufe aufzusteigen.

Wertstoffblog: Angenommen Sie hätten einen Wunsch frei, was politisch geschehen müsste, um in den Köpfen der Leute ein attraktiveres Bild vom Beruf der Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft zu erzeugen – was wünschen Sie sich?

Ingo Ihlbrock: Die Unterstützung von Kammern und Verbänden! Die Fachkraft der Kreislauf- und Abfallwirtschaft darf kein Splitterberuf sein. Dafür ist er zu wichtig.

Die jungen Leute arbeiten hier bei uns in einem attraktiven Umfeld und der Job hat Zukunftsperspektive. Recycling ist in unserer Gesellschaft absolut notwendig und wird in den nächsten Jahren noch wichtiger als er ohnehin schon ist. Allein der Wandel in der Semantik: Wir sprechen nicht mehr vom Abfallkreislauf, sondern von Wertstoffkreislauf – nicht mehr von Müll, sondern von Sekundärrohstoffen. Das alleine zeigt schon, wohin die Reise geht. Da steckt sehr viel Potential drin aber es muss auch noch viel getan werden. Dabei mitzumachen ist spannend und bietet Karrieremöglichkeiten.

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