Gastbeitrag Dr. Eric Schweitzer: Eröffnung InnovationLAB ALBA Group
Vorwort der Redaktion:
Die Digitalisierung erfasst immer mehr Branchen und Bereiche und das Tempo der Innovation erhöht sich. Entscheidender wird für alle Unternehmen die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und deren Folgen. Zum ersten Mal ist nicht die Industrie oder das Gewerbe der alleinige Treiber sondern auch die Gesellschaft. Zwischen 2012 und 2016 wurden in Deutschland 120 Millionen Smartphones verkauft. Die Gesellschaft ist somit quasi durchdigitalisiert. Bis auf eine Minderheit kommunizieren wir täglich volldigital und online.
„Die ALBA Group, einer der führenden Recyclingdienstleister und Rohstoffanbieter weltweit, hat deshalb heute in der Firmenzentrale in Berlin ein InnovationLAB eröffnet, um gemeinsam mit Start-ups den Einsatz moderner Technologien, die Vernetzung im „Internet der Dinge“ und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle voranzutreiben.“ Dieses Zitat leitet die Pressemeldung der Alba Group vom 26. September 2017 ein. Zur Eröffnung des „InnovationLAB ALBA Group“ hat Dr. Eric Schweitzer, Vorstandvorsitzender der Alba Group, folgende bemerkenswerte Rede gehalten, die wir unseren Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten wollen.
Gastbeitrag Dr. Eric Schweitzer: Eröffnung InnovationLAB ALBA Group
26. September / Berlin
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie wissen vielleicht, dass heute dem größten Anbieter von Übernachtungsmöglichkeiten weltweit kein einziges Hotelbett gehört. Und dass das größte Taxiunternehmen der Welt kein einziges eigenes Fahrzeug besitzt. Das sind Airbnb und Uber.
Es könnte also sein, dass eines Tages das größte Recyclingunternehmen keine einzige Aufbereitungsanlage besitzt und der größte Rohstoffhändler selbst über kein Kilogramm Kupfer oder Stahlschrott verfügt.
Dafür möchten wir gewappnet sein. Wir wollen selbst aktiver Treiber der Digitalisierung sein, so wie wir auch mit unserer Recyclingtechnik führend in Deutschland und Europa sind. Denn so wie die Digitalisierung den Markt für Übernachtungen und Personentransporte revolutioniert hat, so wird sie in der Zukunft auch die Recycling- und Rohstoffbranche völlig umkrempeln. Da möchten wir nicht abseits stehen, sondern ganz vorn mit dabei sein.
Deshalb haben wir die Chancen der Digitalisierung auf unserer Prioritätenliste ganz nach oben gesetzt, deshalb eröffnen wir heute unser InnovationLAB hier in der Firmenzentrale in Berlin.
Seien Sie uns dazu herzlich willkommen.
Die Digitalisierung gilt als Megatrend und Innovationstreiber. Sie betrifft alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebensbereiche. Auf allen Stufen der Wertschöpfungskette treffen Unternehmen auf vernetzte Systeme und arbeiten mit Programmen und Praktiken, die auf Informations- und Kommunikationstechnologie basieren. Klar ist: Digitale Techniken sind nicht länger rein unterstützende Werkzeuge, sondern verändern Geschäftsmodelle – siehe Airbnb und Uber. Der digitale Wandel betrifft – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – alle Branchen und alle Unternehmen, ob Konzerne oder Mittelständler.
In unserer Branche kann man sich vieles vorstellen: Sensoren an Abfallbehältern beispielsweise, die genau mitteilen können, wie voll die Tonne bereits ist und was alles hineingeworfen wurde. Wenn alle über autonomes Fahren sprechen – dann ist das fahrerlose Entsorgungsfahrzeug keine Utopie. Und warum sollte nicht eine Handelsplattform für Metalle eines Tages funktionieren, also eine Art ebay für Rohstoffe.
Die Kontakte zu unseren Kunden werden sich weiter verändern – von der Auftragserteilung und Vertragsgestaltung über den Abruf von Leistungen oder Produkten zu jeder Zeit bis zur Abrechnung. Wichtig zu wissen ist: Gerade noch 11 Prozent der Kundenbeziehungen finden heute ohne zumindest digitalisierte Zwischenschritte statt.
Die wichtigste Veränderung für den Kunden und den Bürger, die wir alle bereits von der „Industrie 4.0“ kennen, wird sich auch in unserer Branche durchsetzen: Im Zentrum stehen maßgeschneiderte Lösungen für den Kunden. Also beispielsweise ein Entsorgungsprozess, der nicht mehr „von der Stange“ geliefert wird, sondern individuell: Behälter, Leerungsrhythmus, Uhrzeit – alles in enger Abstimmung mit dem Kunden. Irgendwann werden wir dem Kunden Behälter aus dem 3-D-Drucker liefern, deren Form genau zur Stellfläche auf seinem Hof passt.
Und natürlich spielt die Entsorgung eine wesentliche Rolle beim Umbau unserer Städte zu Smart Cities. Hier geht es nicht nur um eine effiziente Logistik, sondern auch um einen umfassenden, aber geregelten Datenaustausch. Denkbar sind aber auch Lösungen, dass jeder Bürger nur für die Menge Abfall bezahlt, die er auch wirklich verursacht hat. Dass also jeder gerecht behandelt wird.
Ob smarte Mobilität, intelligente Infrastruktur oder effizientes Gebäudemanagement – es gibt kaum einen Bereich in der Entwicklung von Smart Cities, der uns als Unternehmen nicht betreffen wird.
In unserem InnovationLAB wollen wir herausfinden, welche Chancen der Digitalisierung für eine saubere Umwelt, eine effiziente Rohstoffversorgung und für unser Unternehmen am besten passen.
Wir wissen: Gerade in der Start up-Hauptstadt Berlin sind wir mit einem solchen Lab weder die ersten noch die einzigen. Und schon gar nicht die größten, bei weitem nicht. ABER:
Für unsere Branche sieht das schon etwas anders aus. Die Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft steht bei der Digitalisierung erst am Anfang. Das hat – im Auftrag des Bundesumweltministeriums – auch die Unternehmensberatung Roland Berger festgestellt. Auf einer Skala von 0 bis 100, auf der die sogenannte „Readiness“ für die digitale Revolution gemessen wird, steht die Kreislaufwirtschaft gerade mal bei 30 Prozent. Zum Vergleich: Die Energiewirtschaft liegt bei über 70 Prozent, der Mobilitätssektor immerhin bei rund 50 Prozent.
Unsere Branche hat hier Nachholbedarf. Nur wenige Unternehmen der Abfallwirtschaft nutzen digitale Technologie so wie wir oder führen aktuell
Pilotprojekte durch, beispielsweise im Bereich der dynamischen Abfall- sammlung oder der digitalen Kennzeichnung von Verbrauchsgütern. Dies hemmt nicht zuletzt auch die Innovationsdynamik und damit ebenfalls die Anzahl von Patentanmeldungen in diesem Bereich, sagen Roland Berger und das Bundesumweltministerium.
Wir wollen das ändern und in den nächsten Jahren an der Spitze dieser Entwicklungen marschieren. So wie wir auch sonst den Anspruch haben, bei der Qualität unserer Rohstoffe, bei der Kundenfreundlichkeit und bei der Umweltleistung die Nummer eins im Markt zu sein.
Das ist auch wirtschaftlich attraktiv. Noch einmal das Bundesumweltministerium und Roland Berger: Durch die Digitalisierung ließe sich allein in der Kreislaufwirtschaft der Umsatz um rund sechs Prozent steigern, also um zwei Milliarden Euro pro Jahr. Das ist die größte Steigerung unter allen Leitmärkten der Umweltbranche.
Die Digitalisierung ermöglicht die effizientere Wiederverwertung von verwendeten Rohstoffen und die Erhöhung der Recyclingquote bei Abfällen. Auch bei Abfallsammlung und -transport werden durch die Digitalisierung Synergie-Effekte erzielt durch die Abstimmung zwischen Verbrauchern, Abfallsammlern und den Kapazitäten in der Abfallaufbereitung.
Das ist gut für die Umwelt. Denn die Recyclingwirtschaft trägt mehr zum Klimaschutz bei als jede andere Branche. Allein die Umweltleistung der ALBA Group steht für rund ein Prozent der gesamten CO2-Einsparung Deutschlands.
Im nächsten Jahr wird das Unternehmen, das unser Vater gegründet hat, 50 Jahre alt. Wir verbinden das Jubiläum nicht mit einem verklärten Blick zurück, sondern mit einem mutigen Blick nach vorn. Unser Motto heißt: „Tradition trifft Innovation.“ Für uns ist Erfahrung das beste Rüstzeug, um die Zukunft zu gewinnen.
Wie können wir also die Digitalisierung in unserer Branche vorantreiben?
Genau dazu sollen in unserem InnovationLAB Konzepte und Projekte entstehen. Durch die Stammbesatzung des LAB, aber ganz besonders auch durch unsere Mitarbeiter aus allen Teilen unserer Gruppe. Denn sie werden ihre guten Ideen hier in Berlin zusammen mit den LAB-Kollegen ausarbeiten und testen können.
Das ist die Grundlage dafür, dass aus Versuch und Irrtum am Ende neue Prozesse und Produkte entstehen.
Einen wesentlichen Beitrag dazu werden unsere Kooperationspartner leisten, auf die wir stolz sind:
Für den Ausbau unserer Digitalisierungsoffensive arbeiten wir mit „Plug and Play Tech Center “ zusammen. Das ist der weltgrößte Accelerator mit Sitz im Silicon Valley und gilt als führend in der Förderung von Start ups. Im Innovationsstrang Logistik sind wir exklusiv der deutsche Partner aus der Recyclingwirtschaft.
Wir haben auch Verträge mit der Deutschen Telekom geschlossen, mit der wir künftig an mehreren Projekten arbeiten wollen. Ein weiterer Kooperationspartner ist der chinesische Telekommunikationshersteller Huawei. Aber wir haben uns auch mit dem Stuttgarter Start-up
„Binando“ verbunden, um neue Anwendungen von Sensorik in Abfallbehältern und an anderen Stellen zu entwickeln.
Eines der Projekte, an dem wir arbeiten, ist eine selbst fahrende Kehrmaschine, die auf Betriebsgeländen genauso wie später auch auf öffentlichen Straßen für Sauberkeit sorgt. Im LAB treffen Sie nachher Herrn Nordt von „ecanter“, mit dem wir hier zusammenarbeiten. Wenn Sie das in deutschen Städten noch für eine Utopie halten – in Asien werden wir danach bereits gefragt.
Bereits eingeführt wird derzeit deutschlandweit bei uns eine intelligente Tourenplanung. Sie ist das erste Großprojekt der Digitalisierung bei uns im Unternehmen. Die AMCS-Plattform optimiert die Tourenplanung der Entsorgungsfahrzeuge, damit diese kundenfreundlicher, transparenter und umweltschonend wird. Der Fahrer erhält eine optimierte Route, die auch die aktuelle Verkehrssituation berücksichtigt, in Echtzeit direkt ins Fahrzeug. Das Ergebnis ist weniger Verkehr, weniger CO2-Ausstoß. Für unsere Kunden wird das im nächsten Schritt auch mehr Transparenz bieten. Sie können die Entsorgungsleistung in Echtzeit mit verfolgen.
Oft wird ja die Befürchtung geäußert, die Digitalisierung würde massiv Arbeitsplätze kosten. Bei uns geht es mit AMCS genau um das Gegenteil. Unsere gesamte Branche leidet darunter – ebenso wie das Speditionsgewerbe übrigens -, dass es in Deutschland viel zu wenig LKW- Fahrer gibt. Hier hilft uns die intelligente Routensteuerung, unsere knappste Ressource – unsere qualifizierten Mitarbeiter – so effizient wie möglich einzusetzen. Denn überflüssige Fahrten können wir uns angesichts des Personalmangels in unserer Branche nicht erlauben.
Über das, was Sie nachher beim Rundgang durch unsere Lab-Räume erwartet, wird Ihnen in wenigen Minuten Carla Eysel einige Hinweise geben, die bei uns die Abteilung Business Development and Organisation leitet und damit auch für die Digitalisierungsstrategie verantwortlich ist.
Zuvor aber freue ich mich, dass ich Ihnen jetzt Felix Scheuffelen ankündigen kann. Ich habe es vorhin erwähnt: Wir sind stolz, dass wir unter anderem den weltgrößten Accelerator aus dem Silicon Valley als Partner gewonnen haben. Felix Scheuffelen, der Deutschland-Chef des Plag and Play Tech Center, wird Ihnen nun das Zusammenspiel seines Unternehmens mit Start ups vorstellen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf einen spannenden Nachmittag mit Ihnen.
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