Nachhaltig mobile Menschen- und Rohstoffströme in der Stadt der Zukunft

Gepostet von am 27. Dez 2017

Nachhaltig mobile Menschen- und Rohstoffströme in der Stadt der Zukunft

Mobilität in der Recyclingwirtschaft (3)

Im zweiten Teil unserer Reihe zur Mobilität in der Recyclingwirtschaft fokussierten wir auf die Kreislaufstadt der Zukunft. Das ideale Stadtbild von morgen wollen wir heute erneut aufgreifen, um es mit Zahlen aus der derzeitigen Realität zu belegen. Daraus ergeben sich Anforderungen an die künftige Mobilität von Unternehmen, darunter auch der Entsorger von Ressourcen.

Wohin es den Menschen zieht: Zustrom in die Stadt ist ungebrochen

Die Fraunhofer Academy hat ein Fraunhofer Magazin mit dem Titel „Die Zukunft der Stadt“ herausgebracht, das ihr euch hier als PDF downloaden könnt. Darin geht es unter anderem ums „Forschen für die Stadt von morgen“. Aus dem Beitrag „Die Zukunft der Stadt“ stammen folgende Zahlen und Fakten, die wir zunächst in den Raum stellen:

  • mehr als 200.000 Menschen würden jeden Tag vom Land in die Stadt ziehen
  • 1900 seien mit 165 Millionen Menschen zehn Prozent der Weltbevölkerung Städter gewesen
  • aktuell würden demnach 3,4 Milliarden Menschen in urbanen Siedlungen leben
  • 51 Prozent und damit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebe in Städten
  • Gründe für den Zustrom seien Arbeit, gute Schulen und Hochschulen, Geschäfte aller Art, die Auswahl an Ärzten/Krankenhäusern, die Vielfalt an Kultur- und Freizeitangeboten
  • Paris (Frankreich), Mexico City (Mexico), Sāo Paulo (Brasilen), Bangkok (Thailand) oder Tokio (Japan) würden 30 bis 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts ihrer Länder erwirtschaften
  • im Ballungsraum Tokio würden mehr als 37 Millionen Menschen leben (das sei ein Drittel der japanischen Bevölkerung)

Während diese Zahlen und Fakten den aktuellen Wohnstand der Menschen beschreiben, sagen Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), dass der Zustrom der Menschen in die Stadt weiterhin anhalten werde: Für das Jahr 2050 erwarten sie deshalb, dass zwei Drittel aller Menschen in Städten wohnen und arbeiten würden, also etwa 6,4 Milliarden Männer, Frauen und Kinder.

Städtisches Wachstum wird problematisch

Das städtische Wachstum bringt Probleme mit sich – der Bericht des Fraunhofer Magazins erklärt, warum: Demnach würden Städte heute zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche ausmachen, aber laut den Ergebnissen einer Studie, die Siemens in Auftrag gegeben habe, schon jetzt zwei Drittel der weltweit genutzten Energie und 60 Prozent des vorhandenen Trinkwassers verbrauchen. Zugleich würden die Großstädte Unmengen an Schadstoffen, Abwasser, Müll und Treibhausgasen erzeugen. So seien Metropolen für 80 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Außerdem bräuchten die Städte für die Versorgung ihrer Bewohner riesige Flächen. Als Beispiel wird in dem Bericht London genannt: Der britische Umweltberater Fred Pearce habe demnach vorgerechnet, dass Großbritanniens Hauptstadt das 125fache ihres aktuellen Stadtgebietes zur Versorgung der Londoner benötige.

Nachhaltige Mobilität für Menschen- und Rohstoffströme in der Stadt der Zukunft

Bei der Gestaltung zukunftsfähiger, nachhaltiger Städte komme es insbesondere auf eine strategische Synchronisation von

  • kurzfristigen
  • und langfristigen Innovationszyklen
  1. Die Fraunhofer Wissenschaftler erklären das so: Ein Server oder Software-System müsse bereits nach wenigen Jahren erneuert werden, während Gebäude meist mehr als 50 Jahre stünden und Straßen sowie Abwasserinfrastrukturen oft länger als 80 Jahre in Betrieb seien.

Der Aufbau einer nachhaltigen Mobilität für Menschen und Stoffströme in der Stadt der Zukunft ist demzufolge eine der großen Aufgaben, die wir heute bereits durchdenken, planen und angehen müssen. Noch haben wir Autostädte, das Ziel nachhaltiger Mobilität müsse es sein, daraus wieder Menschenstädte zu machen, sagen die Fraunhofer Experten. Dazu sei ein strukturelles Umdenken nötig.

Neue Strukturen braucht die Stadt der Zukunft

Picken wir uns aus dem komplexen Stadtbild der Zukunft als Nächstes einmal den Aspekt Abfall heraus, wird klar, vor welchen Herausforderungen die Abfall- und Recyclingwirtschaft steht:

Die Stadt von morgen soll leise, verkehrsarm und weitgehend emissionsfrei sein. Dennoch soll die Mobilität für die vielen Menschen und die vielen Rohstoffe

  • ausreichend,
  • sicher,
  • zuverlässig
  • und bezahlbar sein.

Das wiederum erfordere beispielsweise

  • eine bessere Vernetzung privater und öffentlicher Verkehrsmittel
  • sowie einen umweltfreundlichen Betrieb derselben mit regenerativer Energie.

Um die Stadt der Zukunft so umzustrukturieren, dass kurze Wege zu Kindergarten, Schule, Ausbildung, Arbeit, Handel, Freizeitangeboten und wieder nach Hause führen, bräuchte man künftig auch wieder Produktionsstätten in der Stadt. Wie alle anderen müssten sich die Entsorger von Müll in das Stadtbild von morgen neu integrieren. Dazu brauchen die Unternehmen innere wie äußere Mobilität:

Versteht man unter Mobilität wie Wolfgang Sudhoff in seinem Buch „Methodik zur Bewertung standortübergreifender Mobilität in der Produktion“ (Herbert Utz Verlag) allgemein die räumliche Beweglichkeit oder Ortsveränderung der Ressourcen

  • Menschen,
  • Maschinen und Anlagen
  • sowie Gebäudestrukturen,

die eine produkt-, prozess- und auftragsbezogene Verlagerung der gesamten oder Teilen der Produktionsstätte ermöglicht, dann spielt die Entfernung eine große Rolle für

  • Aufgaben,
  • Ziele
  • und Herausforderungen

in der Stadt von morgen. Aus diesem Grund unterscheidet Sudhoff die physische Mobilität von Unternehmen (Ortsungebundenheit) in

  • innere
  • und äußere Mobilität.

Innere Mobilität des Unternehmens meint Sudhoff zufolge das Ausnutzen der Beweglichkeit produktionsrelevanter Ressourcen innerhalb eines Standortes (Standortgebundenheit). Mit innerer Mobilität werde damit ein Freiheitsgrad zur Restrukturierung der Produktionsstruktur bezeichnet, der an der Standort- oder Werksgrenze des Unternehmens ende.

Äußere Mobilität des Unternehmens meine demnach die standortübergreifende Ausnutzung der Beweglichkeit produktionsrelevanter Ressourcen (Standortungebundenheit) und bezeichne die Fähigkeit eines Unternehmens, seinen Standort zu wechseln.

Auswirkungen auf die Recylingwirtschaft

Picken wir uns jetzt aus dem Stadtbild der Stadt von morgen nur die Unternehmen der Abfallwirtschaft heraus und betrachten die Anforderungen, die die künftige Mobilität an diese stellt, lässt sich schon heute schreiben, dass diejenigen Abfallentsorger am ökologischsten und ökonomischsten handeln, deren Ressourcen mobil aufgestellt sind. Die Mobilität der Ressourcen muss heute geplant und durchgesetzt werden, damit sie in Zukunft als Erfolgsgarant klappt.

Das erfordert unternehmerisches Umdenken: Der Vorteil, der sich (noch) aus einer installierten räumlichen Standortstruktur der Produktion oder des Produktionsnetzwerks ergebe, werde von der dynamischen Veränderung der Stadt der Zukunft (bei Sudhoff: Umwelt) ebenfalls beeinflusst und könne demnach seine Vorteilhaftigkeit verlieren. Mobilität dagegen werde zur regelmäßigen Lösung, die räumliche Verlagerung mit Demontage, Transport und Remontage der Produktionsstätten zum integrativen Bestandteil von Produktionslebenszyklen.

Für die Müllentsorgung in der Stadt der Zukunft bedeutet das, dass sie als ein Mix aus

  • beweglichen Entsorgungssystemen, die in Bewegung entsorgen,
  • temporären Entsorgungssystemen, die an kurzfristig installierten Standorten entsorgen,
  • verlagerbaren Entsorgungssystemen, die an langfristig wechselnden Standorten entsorgen,
  • und remontierbaren Entsorgungssystemen, die in Ausnahmefällen verlagert werden,

aufgestellt sein sollten. Und das ist eine Herausforderung, vor der die Recyclingwirtschaft heute steht.

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