Irland: Abfallsammlung wird zu politischer Bewährungsprobe

Gepostet von am 10. Jul 2017

Irland: Abfallsammlung wird zu politischer Bewährungsprobe

Der 38 Jahre alte ehemalige Gesundheitsminister Leo Varadkar übernahm vor einem Monat das Amt des Taoiseach, des irischen Regierungschefs. Schon hat die irische Presse eine erste handfeste Bewährungsprobe für den jungen Politiker ausgemacht. Es handelt sich hierbei nicht, wie hätte vermutet werden können, um die Umsetzung des Brexit-Votums und der damit verbundenen Einführung einer Außengrenze der EU auf der grünen Insel. Die größere Stolperfalle scheint die Einführung neuer Preisgestaltungsregeln für die Müllsammlung aus Haushalten zu sein.

Abfallsammlung in privater Hand

Die Sammlung von Haushaltsabfall ist in Irland privatwirtschaftlich organisiert. Insgesamt 53 Unternehmen haben eine Lizenz zum Müllsammeln. Sechs Anbieter dominieren den Markt – AES, City Bin, Oxigen, Thorntons, Greenstar und Panda. Die restlichen Lizenzen werden von kleinen Familienunternehmen gehalten, die in der Regel nur in ihren Heimatgrafschaften aktiv sind. Die Lizenzbehörde garantiert den Wettbewerb, so dass irische Haushalte in allen Grafschaften aus mindestens zwei Unternehmen wählen können, um Abfall abholen zu lassen.

Fehlende Deponiekapazitäten und Exporte nach China

Seit Jahren verfolgt die Politik das Ziel, den Sammelunternehmen eine Preisgestaltung vorzuschreiben, die den Haushalten stärkere Anreize zur Abfallvermeidung und zur getrennten Sammlung von Wertstoffen gibt. Grund hierfür ist eine zunehmende Verknappung der Deponiekapazitäten. Letztes Jahr mussten durch Noterlasse zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Irland für Wertstoffe keine heimische Industrie als Abnehmer hat. Papierabfall wird in großem Stil in chinesische Papierfabriken verbracht. Die Qualität der getrennten Sammlung und Sortierung ist jedoch häufig miserabel. Dies macht den Export zu einem Risikogeschäft. Ende 2016 wurden 160 Containerladungen irischer Abfall aus der Wertstofftonne, mit Bestimmung chinesische Papierfabrik, aufgrund zu hoher Kontaminierung im Rotterdamer Hafen gestoppt. Die Rückbringung nach Irland kostete die Abfallindustrie 500.000 Euro.

Unter Varadka’s Vorgänger Edda Kenny wurde Anfang 2016 beschlossen, dass Müllsammler ab Jahresmitte bei der Preisgestaltung folgende, nach Abfallart gestaffelte, Mindestpreise pro Kilogramm einhalten müssen: 0,11 Euro/Kg für Restabfall, 0,06 Euro/Kg für Bioabfall und 0,02 Euro/Kg für getrennte Wertstoffe. Dies löste eine Kontroverse über zu erwartende Kostensteigerungen aus, die dazu führte, dass die Einführung der Mindestpreise auf das Folgejahr verschoben wurde.

Neue Abfallmarktaufsichtsstelle

Die derzeitige Regierung beschloss nun, aufgrund der nicht enden wollenden Debatte über mögliche Preissteigerungen, eine flexiblere Herangehensweise. Am 27. Juni 2017 verkündete man, von der verpflichtenden „One-size-fits-all“-Preisgestaltung abzusehen. Stattdessen sollen ab Herbst, die „All-in flat rates“, also gewichts- und abfallartunabhängige Pauschalbeträge, sukzessive auf differenzierte Preise umgestellt werden. Die Müllsammler haben bei der Ausgestaltung freie Hand.

Die Debatte konzentriert sich aktuell auf die Einrichtung einer Abfallmarktaufsichtsstelle. Auf Druck des Juniorpartners der Regierung beschloss der Umweltminister vor ein paar Tagen ein Gremium zur Überwachung und monatlichen Berichterstattung über die Preisentwicklung und den Wettbewerb einzurichten.

Verbrauchsabhängige Gebühren als Stolperstein

Dass die Einführung neuer Müllgebühren von politischen Beobachtern als Bewährungsprobe für den neuen, noch jungen Regierungschef eingestuft wird, rührt aus Erfahrungen, die bei der Einführung von Trinkwassergebühren in 2015 gemacht wurden. Insbesondere der Versuch, die Einrichtung von Wasserzählern vorzuschreiben, hatte zu Großdemonstrationen und Rücktrittsforderungen geführt. Über die Hälfte der Iren zahlten ihre Rechnungen nicht. Statt verbrauchsabhängiger Gebühren wurde ein Pauschalpreis festgelegt. Die Debatte um die Einführung verbrauchsabhängiger Gebühren steckt seitdem im Parlament fest. Ein weiterer Knackpunkt für Leo Varadkar.

 

 

 

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