Mit der zentralen Stelle wär‘ das nicht passiert …

Die Tageszeitung „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) fragte Anfang Oktober, ob es beim gelben Sack einen Betrug gebe, weil dem Dualen System 50 Millionen Euro fehlten. Eine berechtigte Frage, deren Beantwortung seitens der an der Verpackungsmüll-Entsorgung Beteiligten noch aussteht. Wir nutzen die Gelegenheit für einen Ausblick in die Zukunft: die Zukunft mit einer sogenannten zentralen Stelle, wie es sie ab 2019 geben soll. Einer Stelle also, die die Entsorgung des Verpackungsmülls staatlich regelt und kontrolliert.
Wer verstehen will, welche systemische Änderung die Einführung einer zentralen Stelle für die Entsorgung des deutschen Verpackungsmüll bringt, muss wissen, wie diese bislang abläuft. Deshalb gibt’s zuerst einen kurzen Überblick zur aktuellen Lage der Verpackungsmüll entsorgenden Nation BR Deutschland und anschließend den versprochenen Ausblick in die nahe Zukunft mit staatlicher Regelung.
Wie die Verpackungsmüll-Entsorgung bislang geregelt ist
Die Süddeutsche hat den Status quo der Verpackungsmüllentsorgung in ihrem eingangs erwähnten Artikel beschrieben: Zehn Unternehmen teilten sich demnach hierzulande den Markt für den Verpackungsmüll. Sie schlössen Verträge mit Firmen, die solche Verpackungen in den Markt brächten. Das verlange auch das Gesetz: Wer hierzulande, nur zum Beispiel, eine Zahnpastatube auf den Markt bringe, der brauche eine sogenannte Lizenz, die deren Entsorgung sicherstelle. Er müsse garantieren können, dass die Tube auch über gelbe Tonne oder gelben Sack entsorgt werde. Dafür werde laut der Beschreibung der Zeitung eine Summe fällig, die auf jede einzelne Zahnpastatube aufgeschlagen werde. So zahle der Käufer der Tube Zahnpasta dafür, also der Verbraucher, dass die Verpackung auch abgeholt und in irgendeiner Form verwertet würde. Wie viel Verpackungsmüll lizenziert sei, das halte derzeit ein Register beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fest.
Die erwähnte Lizenz hole sich der Hersteller demnach bei einer der zehn Unternehmen. Die wiederum beauftragten andere damit, die Verpackungsabfälle abzuholen. Da nicht jeder der Zehn eigene Müllautos durch die Städte fahren lassen könne, teilten sie sich diese Aufgabe. Das wiederum verlange, dass die Zehn Kosten und Einnahmen untereinander aufteilten. Dazu melde jeder die Verpackungsmengen, für die er Lizenzen ausgestellt habe – und übernehme dann anteilig die Kosten der Entsorgung. Dafür hätten die zehn Recycling-Firmen vertraglich eine sogenannte Clearingstelle gegründet.
Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der eingangs bezifferte Fehlbetrag von 50 Millionen Euro aus der Kompliziertheit des beschriebenen Systems resultieren kann – und den buchungstechnischen Möglichkeiten, die es den Beteiligten bietet. Fakt sei laut der Süddeutschen, dass dem DIHK-Register im Jahr 2016 größere Müllmengen gemeldet worden seien als der Clearingstelle. Die SZ erklärt sich das so: Unter den zehn Firmen müsse es schwarze Schafe geben, die an die gemeinsame Clearingstelle geringere Mengen gemeldet hätten, als sie tatsächlich unter Vertrag genommen hätten. Der Anreiz dazu sei laut der Zeitung groß, denn wer weniger melde, müsse auch weniger für die Entsorgung zahlen. 210.000 Tonnen Verpackungen seien so quasi herrenlos, was Kosten von insgesamt 50 Millionen Euro entspreche.
Wie eine zentrale Stelle die Verpackungsmüll-Entsorgung regeln würde
Die zentrale Stelle, die wir hier auf dem Wertstoffblog im Zuge des Hin und Her um das Wertstoffgesetz bereits mehrfach diskutiert haben, würde dem aktuellen System übergeordnet werden. Sie wäre eine Einrichtung der öffentlichen Hand, die der Bund überwachen würde. Die zentrale Stelle wäre für den reibungslosen Kreislauf der Verpackungen innerhalb des wertstofflichen Wirtschaftskreislaufs verantwortlich.
Benjamin hat sie in seinem Artikel hier auf dem Blog als eine „von den Herstellern errichtete Stiftung“ beschrieben, die gewährleisten solle, dass die Hersteller ihre Interessen einbringen könnten. Die dualen Systeme seien demnach verpflichtet, „sich entsprechend ihrem jeweiligen Marktanteil, an der Finanzierung der Stiftung zu beteiligen“. Die Zentrale Stelle solle dank ihrer Neutralität einen fairen Wettbewerb sicherstellen. Die Systeme würden zwar untereinander regeln, wer in welchem Gebiet sammle, doch die Ausschreibung für solche Aufträge, würde über eine von der Zentralen Stelle bereit gestellte Online-Plattform erfolgen, schreibt Benjamin weiter.
Die Zentrale Stelle sei demnach ein Kontrollorgan. Sie verwalte ein reibungsloses Miteinander von Herstellern und dualen Systemen mit. Sie erhebe umfangreiche Infos von Herstellern und Systemen,
- über Art und Masse der Verpackungen, die lizenziert worden seien
- und über Art und Masse von Verpackungen, die später gesammelt würden
– und kontrolliere damit die Lizenzierung und die Entsorgung der Verpackungen.
Auch das Erfassen der Wertstoffe und welcher Anteil davon dem Recycling zugeführt werde, wickle die zentrale Stelle ab.
Fazit
Der Süddeutschen zufolge würde von 2019 an die „Sache komplett neu geregelt, dann über eine staatliche Stelle. Schon 2018 werde sie zu wirken beginnen … – etwa mit einer verbindlichen Feststellung der jeweiligen Marktanteile.“ Und Verstöße gegen die Meldepflichten könnten dann wesentlich besser geahndet werden. … Auch mit hoheitlichen Mitteln, zitiert die Zeitung einen Sprecher des Bundesumweltamtes.
Die privaten Betreiber des aktuellen Dualen System blieben (vorerst) in ihrer aktuellen Form im Spiel, wären mit einer zentralen Stelle jedoch der staatlichen Kontrolle unterworfen.
Ich habe hier auf dem Blog schon 2015 geschrieben, dass mir das Duale System in seiner heutigen Ausprägung zu teuer, zu wenig ökologisch und zu undurchsichtig sei und es dringend einer Reform bedürfe, um ein ökologisches, ökonomisches und transparentes Verwertungssystem zu werden, das Zukunft hat und Zukunft verantwortet. Die Chance dazu ist zum Greifen nah, näher als bislang überhaupt – dank der kommenden zentralen Stelle.
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