Kommentar: Die Bremsklötze der Klima- und Energiestrategie in Österreich

Kommenden Dienstag wird es endlich vorgestellt: Die heißersehnte Klima- und Energiestrategie der österreichischen Bundesregierung wird vorgestellt. Vorab sickerte ein Entwurf durch. Ein Entwurf, der selbst die Erwartungen der Pessimisten untertrifft.
Ein neu(nt)er Anlauf
Ihre „Vorgänger sind an Klimastrategie gescheitert“, sagte Umweltministerin Elisabeth Köstinger bereits im Dezember. Damit ging sie mit ihren ÖVP-Parteifreunden hart ins Gericht. Denn seit über 20 Jahren bekleiden Politiker aus den Reihen der ÖVP das Amt des Umweltministers.
Köstinger – als neunte ÖVP-Umweltministerin en suite – kündigte den großen Schritt an. Es sollte eine große integrierte Klima- und Energiestrategie kommen: Ein sektorenübergreifender Fahrplan für die nächsten Jahrzehnte, der Österreich auf zukunftsfähige Beine stellt. Bei solch großen Worten, bei solch einer großen Ankündigung sind auch die Erwartungen zurecht sehr hohe.
Wirtschaftsvertreter streichen Klimaschutzmaßnahmen
Diese Woche kam dann die mehrmalige Ernüchterung. Wie die „Kleine Zeitung“ berichtete, klopften Vertreter der Wirtschaftskammer und des Finanzministeriums an die Tür der Umweltministerin, mit dem Vorhaben, zentrale Punkte der Klimastrategie zu entschärfen. Dem Entwurf nach hat man sie nicht lange vor der Türe warten lassen, sondern ihnen beim Streichen wichtiger Passagen auch noch den Stift gereicht.
Wir haben in Österreich umweltpolitische Missstände, deren Beseitigung seit langer Zeit in der Reformwarteschleife stecken. So gibt es jährlich über 4 Milliarden Euro an umweltschädigenden Subventionen, wie zum Beispiel für Ölheizungen. Ja, tatsächlich! Der Bau einer Ölheizung ist im Jahr 2018 nicht nur gestattet, sondern wird auch noch gefördert. Erst heuer hat die „Heizen mit Öl GmbH“ dem 50.000. Förderantragsteller ein neues Öl-Brennwertgerät im Wert von 10.000 Euro geschenkt und dazu eine Presseaussendung versandt, die zum Gratulieren einlädt. Insgesamt fließen jährlich über 4 Milliarden Euro von staatlicher Seite an solche Obskuritäten.
Dem Bericht der „Kleinen Zeitung“ zufolge hätten diese Subventionen durch die Klima- und Energiestrategie angepasst werden sollen. Hätten sollen. Denn offensichtlich war dies einer jener Punkte, die den Vertretern der Wirtschaft sauer aufgestoßen ist. Nun ist von Evaluierung die Rede. Das heißt nichts anderes als: „Schau ma mal.“ Auch die geplante Elektromobilitätsoffensive sei zurechtgestutzt worden.
Wir sind Zeugen eines Wunders
Zudem offenbart der Entwurf zahlreiche Widersprüche. Der öffentliche Verkehr auf der Schiene soll forciert werden. Doch erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die Regierung die ÖBB auf Diät setzt und die Bahn in den kommenden Jahren 150 Millionen Euro einsparen muss. Der Radverkehr soll bis 2025 auf 13 Prozent verdoppelt werden. Das größte Potential dazu gäbe es in Wien. Doch den Wiener Radfahrer haben die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ in den letzten Jahren zum Feindbild hochstilisiert.
Der krasseste Wiederspruch ist aber dieser hier: Am Dienstag wird die Klima- und Energiestrategie vorgestellt. Im besten Fall ist das ein Katalog voller Reformen, die unser Land dringend nötig hat. Und laut Entwurf findet sich in der Strategie das Bekenntnis zur Einhaltung der budgetären Obergrenzen des Bundesfinanzrahmens. Und dieser sieht vor, dass im Umweltbereich bis 2022 gespart wird. Wir könnten also Zeugen eines Wunders werden: Eine Dekarbonisierung, ein Umstieg auf erneuerbare Energien und Elektromobilität ohne Investitionen des Staates. Oder aber wir sind Realisten und betrachten die Strategie als das, was sie wohl werden wird: Dutzende Seiten schöner aber leerer Worthülsen.
Strategie: Wirtschaft vor Umwelt
Dabei hat der Entwurf durchaus seine positiven Seiten – ebenso wie das Regierungsprogramm zu den Themen Umwelt und Energie. In beiden stehen Vorhaben, die zu begrüßen sind. Nur wenn jeglicher Fahrplan und ein Budget für diese Vorhaben fehlt, ist das Ziel der Dekarbonisierung, das bis 2050 erreicht werden soll, nicht mehr als eine schöne Überschrift. Jemand muss die Geschichte dazu schreiben. Doch Umweltministerin Köstinger ziert sich.
Der Strategie fehlt ein konkreter Zeitplan. Es fehlen Zwischenziele. Es fehlt Budget. Es fehlt auch die wissenschaftliche Begleitung. Sehr wohl verankert sind laut Bericht des „Standards“ jedoch „geänderte externe Faktoren“, sowie „Reaktion auf geänderte Rahmenbedingungen“ als auch die Wirtschaftslage oder die „Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen“, die es allesamt zu berücksichtigen gilt. Das heißt frei übersetzt: Erst kommt die Wirtschaft, dann die Umwelt. Passend dazu hat die Regierung ja bereits angekündigt, den Wirtschaftsstandort zum Staatsziel zu erklären. Solch lästige Einmischung der Gerichte, die den Bau der dritten Piste am Flughafen Schwechat wegen befürchteter Klimaschäden bremsten, soll es künftig nicht mehr geben.
Alternative: Wirtschaft + Umwelt
Ich bin der Meinung, die Regierung missversteht den Begriff „Wirtschaftsstandort“. Ebenso glaube ich, dass die „Wirtschaft“ in einem zu engen Rahmen betrachtet wird. Denn durch die Dauerbremserei in puncto Klimaschutz, wird die Wirtschaft keineswegs gefördert. Ihr wird nicht geholfen. Es werden lediglich Branchen künstlich am Leben erhalten, die in einigen Jahrzehnten ohnehin obsolet sind. Ich präzisiere: Es werden mächtige(!) Branchen künstlich am Leben erhalten.
Die Regierung tut dem Wirtschaftsstandort keinen Gefallen, wenn der Umstieg auf Elektromobilität künstlich verschleppt wird. Das Land und die Unternehmen verlieren nur Zeit und Chancen. Auch das Festhalten an Ölheizungen ist kein Standortvorteil. Heizen werden die Menschen auch in Zukunft. Wir könnten heute schon in klimaschonende Technologien investieren, anstatt das bereits Totgeweihte auch noch zu fördern. Der Energiebedarf steigt stetig. Warum nicht also entschlossen auf erneuerbare Energien setzen und Österreich als Land etablieren, um dessen Know-how andere Nationen buhlen?
Weil jene, die für sich in Anspruch nehmen, „die Wirtschaft“ zu sein, bremsen. Weil die Vertreter von Wirtschaft und Industrie nicht jene Innovationsmotoren sind, als die sich gerne zelebrieren. Sie halten fest an einer veralteten von fossilen Energien getragenen Wirtschaft und Industrie und outen sich damit selbst als Fossile. So betrachtet, muss ich einen obigen Satz abändern: Erst kommen die Wirtschaftsvertreter, Punkt.
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