Wertstoffgesetz – Streitpunkt Zentrale Stelle

Gepostet von am 11. Jun 2015

Wertstoffgesetz – Streitpunkt Zentrale Stelle

Wer aufmerksam durch Berlin geht, dem ist sicher folgendes aufgefallen: neben den quietschorangen Fahrzeugen der kommunalen Stadtreinigung gibt es noch viele andere – in eher gedeckten Farben gehaltene – Müllautos privater Entsorger. Und das ist deutschlandweit so. Warum eigentlich?

Theorie & Praxis

Man sagt, das Duale System, das für die unterschiedlichen Müllautos verantwortlich ist, sei intransparent, teuer und ökologisch anspruchslos. Duales System deshalb, weil die Kommunen für den Hausmüll verantwortlich sind und private Firmen für die Wertstoffe.

In der Praxis funktioniert das Ganze so schlecht, dass die Bundesregierung eine Reform plant. Diskutiert wird unter anderem, ob nicht statt der vielen Firmen eine Zentrale Stelle die Verantwortung für die Wertstoffe tragen sollte.

Zwei im Abseits?

Die FIFA ist derzeit in aller Munde. Von Korruption und Bestechung in Millionenhöhe ist die Rede. Kaum jemand durchblickt das Geschäftsgebaren des Weltfußballverbandes.

Auch bei den Dualen Systemen – so heißen die privaten Betreiberunternehmen – sieht in Wahrheit niemand so richtig durch. Beiden gemein ist außerdem, dass nach außen hin alles funktioniert. Gute Fußballspiele, der Müll wird pünktlich abgeholt. Dringend notwendige Reformen von innen scheinen deshalb unwahrscheinlich.

Seit Einführung der Verpackungsverordnung 1991 gibt es neben der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung die privatwirtschaftlich organisierte Sammlung, Erfassung und Verwertung von Wertstoffen. Die Betreiber haben bis heute die Organisationsverantwortung.

Bis 2003 gab es nur ein Unternehmen. Dann wollte das Kartellamt mehr Wettbewerb und öffnete den Markt. Heute gibt es neun Unternehmen, die aber keineswegs wettbewerblich agieren, sondern sich den Markt teilen. Branchenkenner kritisieren Klüngelei und Absprachen. Hier lesen Sie mehr dazu.

„Duale Systeme sind kein schützenswertes Kulturgut“ – © Peter Meiwald MdB

Daseinsvorsorge ist für alle wichtig. Dazu gehört eine gute Energie- und Wasserversorgung, die verlässliche Betreuung der Kinder, und eben auch eine funktionierende Abfallentsorgung, die ökologische Kriterien berücksichtigt. Undurchsichtige Strukturen sind dabei fehl am Platz. Unter anderem Grüne, SPD und Kommunale Verbände sind sich sicher, dass die Rückübertragung der Verantwortung auf die Kommunen eine Alternative wäre. Übergeordnet könnte eine ‚Zentrale Stelle’ eingerichtet werden – in öffentlich-rechtlicher Hand und vom Bund überwacht.

So könnte eine effizientere und transparente Organisation aussehen. Transaktionskosten würden gespart, einer ökologisch anspruchsvollen Gestaltung wäre der Weg geebnet.

Die Kommunen brauchen dringend Geld, das sie – im Unterschied zur gewinnorientierten Privatwirtschaft – bürgernah einsetzen. Und: auch die Erfahrungen mit der Privatisierung  von Daseinsvorsorge waren in der Vergangenheit nicht die besten. Man denke nur an das Debakel mit der Deutschen Bahn.

Aktion: Tatsachen schaffen

Aber es gibt Widerstand aus der Wirtschaft, denn mit Wertstoffen lässt sich sehr viel Geld verdienen. In den Augen der Wirtschaft wäre die Rekommunalisierung ein Schritt in die falsche Richtung. Bestehende Strukturen und Know-how der privaten Entsorgungswirtschaft würden mit Füßen getreten, Investitionen und Wettbewerb blieben auf der Strecke.

Eine Allianz aus Wirtschaftsverbänden gründete im Frühjahr eine GmbH „…als organisatorische Vorläuferin einer zukünftig im Wertstoffgesetz vorgesehenen neutralen Zentralen Stelle…“ – samt Vorfinanzierung und Projektleitung. Dieser Vorstoß verwundert angesichts der finanziellen Bedeutung des Sektors nicht. Eine in den Händen der Wirtschaftsverbände liegende beliehene, das heißt mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Zentrale Stelle käme der gewinnorientierten Privatwirtschaft natürlich entgegen.

Das Für und Wider einer Zentralen Stelle innerhalb des geplanten Wertstoffgesetzes wird hinter den Kulissen diskutiert – das Ergebnis ist offen.

 

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Quellen:

https://www.freitag.de/autoren/christian-fueller/fffcdie-muell-mafia

http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/18/18106.pdf

http://wertstoffgesetz-fakten.de/category/kurzinterviews/

http://www.einzelhandel.de/index.php/presse/aktuellemeldungen/item/125136-verbändeallianz-gründet-gmbh-als-vorläuferin-einer-zentralen-stelle

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