Gastbeitrag: Glas oder Aluminium – Einweg oder Mehrweg?

Gepostet von am 12. Mai 2016

Gastbeitrag: Glas oder Aluminium – Einweg oder Mehrweg?

Von Thomas Weyrauch. Verpackungen aus Glas und Aluminium benötigen bei der Herstellung eine Menge Energie. Das ist unbestritten. Nicht so eindeutig ist, ob das eine oder andere Material bei der Verpackung der gleichen Ware im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens und möglichst geringer Umweltbelastung im Vorteil ist. Ich habe mich deshalb ein wenig umgesehen.

Vorweg: Im Sinne einer nachhaltigen und wirtschaftlichen Produktion von Aluminium und Glas ist ein Herstellungsprozess ohne die Verwendung von Recyclingmaterial gar nicht mehr vorstellbar. Das liegt zum einem am Aufwand und den Kosten der Rohstoffbeschaffung für eine Produktion von Primärmaterial – also solchem, in dessen Herstellung kein Recyclingmaterial eingegangen ist, und zum anderen am technisch bedingten deutlich höheren Energieaufwand bei der Produktion ohne Recyclingmaterial.

Der Anteil der Recyclingmaterialverwendung bei der Behälterglasherstellung ist in Deutschland seit den Siebzigerjahren extrem angestiegen und bewegt sich jetzt auf einem Niveau am Rand des großtechnisch Umsetzbaren. Abhängig von der Glasfarbe ist bei der Behälterglasproduktion ein Recyclingmaterialanteil zwischen rund 70 und fast 100 Prozent verwendbar.

Das Deutsche Verpackungsinstitut e.V. gab am im Mai 2015 bekannt, dass man heute bei der Behälterglasproduktion 60 Prozent weniger Energie als 1965 benötige.

Behälterglasproduktion: Energieintensiv trotz Einsparungen

Einer der Hersteller von Behälterglas, die Firma Wiegand Glas, macht im Internet konkrete Angaben zur Energiemenge in Gigajoule, die die Produktionsstätten des Unternehmens durchschnittlich pro Jahr für eine Tonne verpackten Behälterglases aufwenden mussten. Zur Orientierung: Ein Gigajoule (GJ) ist die Energiemenge, die beispielsweise in etwa rund 28 Litern Heizöl steckt. Oder in rund 34 Kilogramm Steinkohle. In Kilowattstunden übertragen nicht ganz 280, das entspricht etwa der Strommenge, die ein Zwei-Personen-Privathaushalt im Monat verbraucht.

2010 waren es laut Wiegand 5,2 GJ, 2011 und 2012 jeweils 4,9 GJ an Energie, die für jede Tonne erzeugten Behälterglases benötigt wurde. Die vom Deutschen Verpackungsinstitut e.V. kommunizierten Energieeinsparungen erschienen nachvollziehbar, betrachtet man die 8,6 GJ, die Dieter Pautz und Hans-Joachim Pietrzeniuk 1984 als Energieverbrauch bei der Herstellung von einer Tonne (grünen) Behälterglases nannten.

Im Jahr 2013 wurden rund 45 Prozent der gesamten Glasproduktion für Verpackungen verwendet. Den größten Anteil an der Behälterglasherstellung hatten mit rund 65 Prozent Getränkeflaschen. Rund 26 Prozent der Verpackungen waren Konservengläser, neun Prozent der Glasverpackungen wurden für Kosmetik- und Pharmazieprodukte verwendet, schreibt die Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt e. V. Ein exemplarischer Vergleich von Getränkeverpackungen aus Glas und Aluminium dürfte also eine gewisse Relevanz haben.

Mehrwegflaschen: Eine Chance für nachhaltiges Handeln

Die Verwendung von Mehrwegverpackungen – insbesondere die von Mehrwegflaschen – erlaubt zusätzliche Optionen für nachhaltiges Handeln. Mehrwegflaschen überstehen zwischen 30 und 50 Zyklen zwischen Abfüller und Verbraucher. Genügen die Mehrwegflaschen den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr, können sie problemlos als Recyclingmaterial in den Glasherstellungsprozess zurückgeführt werden.

Auch bei der Aluminiumproduktion können bereits benutze Produkte im Herstellungsprozess verwertet werden. Bei ausschließlicher Recyclingmaterialnutzung in der Produktion ergibt sich nach Zahlen, die eine Flensburger Arbeitsgruppe nach Untersuchungen aus der Schweiz von 1995 zusammengestellt hat, ein Energiebedarf von 8,24 GJ für eine Tonne. Bei einem Recyclingmaterialanteil von 80 Prozent sind es 43,140 GJ, bei 50 Prozent schon 95,510 GJ und bei nur 25 Prozent Recyclatanteil 139,150 GJ pro Tonne Aluminium.

Alu: Energieintensiv bei geringem Recyclatanteil und hohem Verarbeitungsgrad

Chemieuntericht.de addiert für eine Tonne Primäraluminium, also für Aluminium, das aus Bauxit sowie kleineren Mengen Natriumhydroxid, Aluminiumfluorid und Koks (für Elektroden) hergestellt wird, 123 GJ. Die Flensburger Arbeitsgruppe nennt für die Herstellung einer Tonne Aluminiumbarren 182,79 GJ. Für eine Tonne Aluminiumfolie gar 193,19 GJ.

Der Energieaufwand bei der Aluminiumherstellung kann merklich gesenkt werden, wenn der Anteil der Verwendung von Recyclingmaterial erhöht wird. Wird sogenanntes Sekundäraluminium aus Recyclingmaterial gewonnen, braucht man dafür nur rund fünf Prozent der für die Herstellung von
Primäraluminium aus Aluminiumerzen erforderlichen Energie, schreibt das Informations-Portal eneff-industrie.info. Dies stimmt mit den Zahlen der Flensburger Arbeitsgruppe gut überein, sofern es sich um einen 100-prozentigen Einsatz von Recyclatmaterial handelt.

Hinsichtlich der Herstellung von Aluminiumverpackungen stoße ich bei der Ermittlung des Anteils von Recyclingaluminium in Aluminiumverpackungen schnell auf Schwierigkeiten. Auch nach intensiver Suche konnte ich beispielsweise überhaupt nur zwei deutsche Anbieter von Haushaltsfolie aus Recyclingmaterial, die überdies nicht in Deutschland hergestellt wird, finden.

Die Deutsche Aluminium Verpackung Recycling GmbH und der Gesamtverband der Aluminiumindustrie e. V. berichteten im Januar 2014 stolz, dass von 2012 im Markt eingesetzten 93.800 Tonnen Aluminiumverpackungen 83.500 Tonnen stofflich verwertet worden seinen. In diesem Zusammenhang nennen sie eine Recyclingrate von 89 Prozent.

Streitobjekt Aludose – nicht jeder Werkstoff taugt für eine nachhaltige Verpackung

Doch welche Produkte entstehen aus dem mit Recyclingmaterial hergestellten Aluminium? Was entsteht bei der sogenannten stofflichen Verwertung von Aluminiumschrott? Gibt es Getränkeverpackungen mit nennenswertem Aluminiumrecyclatanteil? Was passiert beispielsweise mit der Getränke-Alu-Dose, die ich in den gelben Sack werfe?

Für Getränkedosen hatte sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH) 2012 festgelegt: „Gleichzeitig wird für die Dosenproduktion fast ausschließlich Neumaterial eingesetzt. So enthält eine Weißblechdose weniger als sechs Prozent Recyclingmaterial – eine Aluminiumdose gar keine
Anteile“, berichtete Thomas Fischer aus der DUH-Abteilung für Kreislaufwirtschaft. Weniger wahrscheinlich also, dass das Aluminium aus der Getränkedose, die ich entsorge, erneut den Weg in eine Getränkedose findet. Eine neue Alu-Getränkedose könnte also oft oder sogar in der
Regel aus besonders energieintensivem Primäraluminium bestehen.

Echtes Sparpotenzial

Wer sich dafür interessiert, wie viel Energie in Österreichs Hauptstadt Wien gespart werden könnte, wenn in Wien statt Halblitergetränkedosen aus Aluminium nur Mehrwegglasflaschen für Bier verwendet würden, findet Details im Wiener Abfallwirtschaft Endbericht von 2008. 19.000 GJ wären einsparbar, wenn 35 Millionen Liter Bier in Mehrwegglasflaschen statt in den benutzten Aluminiumdosen verkauft würden – Energie in der Größenordnung des Jahresstromverbrauchs von 1.500 durchschnittlichen Wiener Haushalten.

Mehrweg macht Sinn. Gerade dann, wenn Transportwege in überschaubarem Rahmen bleiben. Bei der Glasherstellung entfallen rund 70 Prozent des Energieaufwandes auf den Schmelzvorgang. Wenn der Energieaufwand für Flaschentransport und Reinigung geringer ausfällt, als der für die Produktion einer neuen Flasche, ist es sinnvoll, mit der existierenden Flasche weiterzuarbeiten.

Glas: Material mit eindeutigen Vorteilen

Die Minimierung gesundheitlicher Risiken und  Schutz vor geschmacklichen Veränderungen bietet die Mehrwegflasche außerdem. Getränkeverpackungen aus Aluminium oder einem aluminiumhaltigen Materialmix sind innen ganzflächig kunststoffbeschichtet und nicht unverletzlich. Material aus den Beschichtungen kann auf den Inhalt übergehen. Ernsthaft betrachtet konnten nachteilige gesundheitliche Folgen bislang nicht ausgeschlossen werden.

Bei Getränken mag für eine Reihe von Abfüllern und Verbrauchern die Kunststoffmehrwegflasche eine interessante Alternative darstellen. Der Umweltwissenschaftler Norbert Kopytziok sagte voraus: „Vor allem wenn die Flaschenreinigung und Wiederbefüllung der PET-Flaschen optimiert werden können, gibt es für die Glasflasche nur noch nostalgische Argumente.“ Medial wurde aber gerade Anfang 2016 in Deutschland massiv für ein Leben ohne Plastik und für die Vermeidung von Kunststoff geworben.

Der Markt entscheidet. Beziehungsweise der Verbraucher.

Ich mag Lebensmittelverpackungen aus Glas. Die Mehrwegflasche mit dem besonderen Bier der lokalen Brauerei aus der Region, Sahne ohne Carageen und Jogurt in Pfandgläsern von der regionalen Molkerei. Der wegen langer Schifffahrtswege gewissermaßen massiv schwerölbelasteten Flasche Wein aus Australien oder Chile gehe ich aus dem Weg. Könnte ich mir die Milch in Deutschland im Laden abfüllen lassen oder vom Milchmann in der Mehrwegglasflasche vor’s Haus liefern lassen – ich würde darüber nachdenken!

Wo bleibt eigentlich die Aluminiummehrwegverpackung? Es gibt sie tatsächlich. Sie dringt aber selten in den Privathaushalt vor. Im Transport- und Logistikgewerbe ist sie eine nicht wegzudenkende Hausnummer. Großformatig beispielsweise in Form der sogenannten Unit Load Devices (ULDs), Container und Paletten, die beim Lufttransport unterschiedlichster Waren zum Einsatz kommen.

 

Zum Autor:

Thomas Weyrauch ist ein Kind des guten Jahrgangs 1968 und ein hessisch-rheinlandpfälzisches Mischgewächs. Nach dem Abitur lernte er an der Universität und in der Wirtschaft, dass Nachhaltigkeit viel mit guten Konzepten und Produkten zu tun hat. Bei seiner Tätigkeit in der Informationstechnik nimmt die Weiter- und Wiedernutzung von Material und Maschinen einen breiten Raum ein. Der Auswahl und Nutzung von im Wortsinne wertvollen Produkten hat er sich verpflichtet. Dementsprechend entstanden diese Zeilen auf einem Rechner mit dem Aufkleber: „Enthält gebrauchte Teile.“

 

Mehr zum Thema Recycling:

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Spezielle Quellenhinweise:

Ökobilanz von Glasverpackungen – http://www.fh-flensburg.de/ct/Lehre/INU/%D6kobilanz%20von%20Glasverpackungen.pdf

Betrachtung einer Ökobilanz der Herstellung von Verpackungsstoffen aus Aluminium in der Schweiz nach einer Untersuchung des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) aus dem Jahr 1995 – http://www.fh-flensburg.de/ct/Lehre/INU/%D6kobilanz-Aluminium

Ökologischer Vergleich von Mehrweggetränkeverpackungenmit Einweggetränkeverpackungen Abfallwirtschaft
Endbericht Version 1.0: März 2008 – https://www.wien.gv.at/kontakte/ma22/studien/pdf/mehrweg.pdf

Pressemitteilung Berlin, 13.07.2012 – Deutsche Umwelthilfe verklagt Dosenhersteller wegen irreführender Werbung – http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=2890&cHash=0dfa0e2e9fcc771d3a55ac8cbbd9cdc8

Norbert Kopytziok: Für und wider – Einweg und Mehrweg – http://www.mehrweg.at/file/000245.pdf

Leben ohne Plastik – So können Sie Kunststoff vermeiden – http://www.br.de/radio/bayern2/gesellschaft/notizbuch/plastik-ohne-leben-tipps-100.html

    8 Kommentare

  1. Sehr interessanter Einblick auf die Möglichkeiten eines nachhaltigen Handelns. Danke dafür!

    Die Wiederverwendung von Glas ist ja zusammen mit Papier der Vorreiter in Sachen Recycling in Deutschland.
    Bei der Alu-Wiederverwendung liegen wir da hingegen traurigerweise weit zurück, obwohl der ökologische Fußabdruck hier deutlich größer ist – Stichwort Bauxit-Abbau.

    Wieso gibt es da keine weiterführende Entwicklung? Das Dosenpfand hat fast zum Aussterben der Getränkedose geführt, jedoch kein Recyclingverhalten ausgelöst. Ich Frage mich, wieso?

    Ein Thema, über das stundenlang gesprochen werden könnte – es würde sich lohnen!

  2. Für mich ist der Artikel eine echte Entscheidungshilfe. Eine Dose ist (selten, aber hin und wieder) schnell gekauft. Das werde ich mir in Zukunft noch mehr überlegen! Zu den Milchflaschen kann ich nur sagen: Die gibt es schon 🙂 Zwar nicht zum Selberabfüllen, aber als Mehrweg-Glasflaschen; meiner Beobachtung nach im Bio-Segment. Teilweise freilich auch als Plastikflaschen …

  3. Vielen Dank für den gut recherchierten und informativen Artikel! Zuerst einmal bin ich erfreut darüber, dass der Recyclinganteil mittlerweile doch so hoch ist, sich das Wertstoff-Sammeln also doch lohnt. (Ich hatte gelegentlich meine Zweifel, dass der gelbe Sack wirklich seinen Sinn erüllt).
    Wir leben in unserem Haushalt zwar relativ verpackungs-arm (das Trinkwasser kommt aus der Leitung, das Gemüse im Rucksack oder Korb vom Markt), aber an einigen Stellen hat mich der Artikel nochmal zum Nachdenken gebracht: Die Verwendung von Alufolie könnte man sicher noch reduzieren, und man könnte noch viel mehr Mehrwegglas-Angebote nutzen. Danke für diese Denkanstöße.

  4. Der hohe Recyclinganteil bei Behälterglas motiviert. Danke für die Zusammenstellung der Zahlen!
    Auf Alu-Verpackungen werde ich in Zukunft mein Augenmerk richten, um sie noch mehr zu meiden. Denn bisher kenne ich zwar die Alufolie z.B. bei Schokolade und natürlich zum Grillen, aber weniger als Dosen.

  5. Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Ich habe mich schon immer gefragt, wie Glasflaschen recycelt werden. Bei Plastikflaschen habe ich mich bereits erkundigt. Gehen die Glasflaschen an die Glaserei zurück oder einfach nur gereinigt und neu befüllt?

  6. Wow, dass die Glasproduktion für Verpackungen verwendet wird ist mir komplett neu! Dass Glasereien eine Rolle in der Produktion verschiedener Materialien hat erschließt sich nun. Schön, dass die eine Chance für nachhaltiges Handeln ermöglicht.

  7. Danke für einen ausführlichen Artikel. Vollkommen teile ich die Meinung, dass Glas mehrere Vorteile hat. Die Glasflasche bringt dem Getränk keinen Schaden, Kugeln zum Neujahr strahlen Freude aus, sowie auch durchsichtige Vasen und Tassen verleihen dem eigenen Nest sonnige Geläufigkeit, Luftigkeit und Mühelosigkeit. Im Innenbereich des Nestes kann viel Arbeit für eine Glaserei gefunden werden.

  8. Aus Getränkeflaschen will ich auch etwas basteln. Mein Freund arbeitete lange Zeit in einer Glaserei. Er zeigt mir ein bisschen, wie ich alles selbst basteln kann.

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