Abfallentsorgung – Blick in die Schwellenländer II

Abfallentsorgung ist in den meisten Schwellenländern so eine Sache. Sie hat nichts mit einer Entsorgung zu tun, wie wir sie uns vorstellen. Recycling ist die Ausnahme. Anlagen gibt es in den wenigsten Ländern. Wenn, dann trennen und recyceln Menschen den Abfall per Hand unter gesundheitsschädlichen Bedingungen. Der meiste Abfall landet aber ohnehin auf Deponien. Und auch diese Deponien sind in Schwellenländern nicht das, was wir darunter verstehen. Oft sind sie bloß Haufen von nicht getrennten, unbehandelten Abfällen, die Boden, Wasser und Luft verpesten.
Gibt es Abfallverbrennung in Schwellenländern?
Ja, die gibt es. Aber wieder gilt: Es funktioniert nicht so, wie wir uns das vorstellen. Es gibt keine modernen Anlagen, in denen Abfälle thermisch verwertet werden und dabei die Luft kaum verschmutzt wird. Die Deponien werden einfach angezündet. Die Schäden für Luft und Menschen sind immens.
Aber ginge das nicht anders? Wieso soll eine thermische Verwertung von Abfällen in Schwellenländern nicht machbar sein? Dass es ein lohnendes Geschäft sein kann, beweist Deutschland. Hier wurden viele Anlagen allein aus privatwirtschaftlichem Interesse gebaut, weil es so profitabel ist.
Die Kosten sind zu hoch
Es sind halt doch die Kosten. Was in Europa profitabel ist, kann in Schwellenländern einen unerschwinglichen Luxus darstellen. Zum Vergleich: Die Stadt Wien gibt im Jahr mehr als 100 Euro pro Einwohner für die Abfallwirtschaft aus. Das entspricht 0,4 Prozent des jährlichen BIP. Dhaka, die Hauptstadt von Bangladesch, gibt dafür im Jahr 0,7 Euro pro Einwohner aus. Würde Dhaka so viel investieren wie Wien, entspräche das 30 Prozent des BIP. Das Beispiel zeigt: Die Voraussetzungen sind vollkommen verschieden, eine thermische Verwertung nach europäischen Standards noch nicht absehbar.
Die Rolle des BIP
Der Abfall in Schwellenländern ist ein großes Problem – national und international. Aber es scheint eine Hierarchie in der Infrastrukturentwicklung ablesbar zu sein. Und in dieser wird ersichtlich, dass mit einer thermischen Abfallentsorgung in einem Land ab einem BIP pro Kopf von 30.000 US-Dollar zu rechnen ist. Die Alternative ist, diese Länder aktiv zu unterstützen.
Errungenschaften | BIP pro Kopf (US-$) |
sauberes Trinkwasser | > 500 |
Strom | > 1.000 |
Kanalisation | > 1.500 |
geordnete Abfalleinsammlung | > 3.000 |
geordnete Abfalldeponie | > 5.000 |
allgemeine Luftreinhaltung | > 15.000 |
Abwasserbehandlung | > 20.000 |
Abfallverbrennung/thermische Abfallbehandlung | > 30.000 |
(Brunner 2015, S. 179)
Die Institutionen sind unerfahren (oder nicht vorhanden)
Getrieben oder motiviert von der EU-Gesetzgebung kommen Länder der EU nicht umhin, langfristige und ambitionierte Pläne für eine bessere Abfallbewirtschaftung zu entwerfen. Das fehlt in Schwellenländern. Und selbst wenn der Wille zu einer geordneten Planung vorhanden wäre: Was sind die Alternativen zu Deponien? Nach europäischen Standards ist die nächst höhere Stufe der Abfallhierarchie die thermische Verwertung. Und wie hoch hier die finanzielle Hürde steht, wissen wir bereits.
Ein weiteres Problem ist die Gesetzeslage. Wenn in vielen Schwellenländern der meiste Abfall ungeordnet und unbehandelt auf einem Haufen beisammen liegt, gibt es entweder keine diesbezüglichen Gesetze oder sie funktionieren nicht.
Aber gehen wir einmal davon aus, dass Alternativen zu Deponien leistbar wären, und es Gesetze zur Abfallwirtschaft gäbe, die auch eingehalten werden. Dann stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine Institution gibt, die sich für zuständig erklärt. Und wenn ja, steht diese vor dem Problem, dass sie in Bezug auf thermische Verwertung, Recycling – oder auch nur einer planmäßigen Abfallwirtschaft – völlig unerfahren ist. Es herrscht also große Planungsunsicherheit. Risken und Nutzen sind nicht genau berechenbar. All das sind Herausforderungen, die nicht auf die Schnelle gemeistert werden können. Hier bedarf es Willen und Geduld.
Einen besseren Weg zeigen
Man muss Schwellenländer dabei unterstützen, ihr Abfallproblem in den Griff zu bekommen. Und das gelingt am besten mit Abfallvermeidungsstrategien und mit der Perspektive, Abfälle auch als Ressource zu gebrauchen. Bisher geschieht im Rahmen der Entwicklungshilfe zu wenig in diesem Bereich. Und das, obwohl die Abfallproblematik mit vielen anderen Themen im Zusammenhang steht. Zum Beispiel mit Energie und sauberem Wasser. Die Entwicklungshilfe muss sich diesem Thema stärker annehmen. Denn in puncto Know-how und Ausbildung im Bereich der Abfallwirtschaft ist Deutschland ein Vorbild.
Weitere Artikel zum Thema:
ABFALLENTSORGUNG – DER BLICK IN DIE SCHWELLENLÄNDER 1
ALTAUTOS – EIN WERTSTOFFDESASTER?
PRIMÄR- UND SEKUNDÄRROHSTOFFE – EINE DEFINITION
Quellen:
Brunner, Martin: Abfallverbrennung in Schwellenländern (2015) in: Den steigenden Energiebedarf decken (und gleichzeitig die Umweltbelastung reduzieren) S. 177-181. Link: http://www.vivis.de/phocadownload/2015_spu/2015_SPU_176_181_Brunner.pdf
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