Deponierungsverbot: Verwertung von Siedlungsabfall „Made in Europa“ – Teil 2

Gepostet von am 21. Dez 2016

Deponierungsverbot: Verwertung von Siedlungsabfall „Made in Europa“ – Teil 2

Wie im ersten Teil meiner Serie zur Deponierung angekündigt, soll der zweite Teil zeigen, wie die einzelnen europäischen Staaten ihren Siedlungsabfall entsorgen. Ihr werdet sehen, dass es bis zu einem Deponieverbot für manche Europäer noch ein sehr langer Weg ist. Lest hier, welche Länder ihre Abfallentsorgung bislang gut machen und welche noch nicht.

Nur noch kurz zur Erinnerung: Der BDE, der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V., hatte anlässlich des Klimaschutzgipfels in Marokko und des Inkrafttretens des Weltklimavertrags gefordert, die Deponierung unbehandelter Siedlungsabfälle in Europa zu verbieten. Käme das Verbot, bekämen manche Länder Europas eine Menge Arbeit, da sie bis heute einen Großteil ihres Siedlungsabfalls noch immer deponieren.

So viel Siedlungsabfall produziert Europa

In der europäischen Union (EU-28) sind im Jahr 2012 fast zweieinhalb Milliarden Tonnen Abfall an. Etwa ein Zehntel davon war sogenannter Siedlungsabfall wie:

  • Hausmüll einschließlich Sperrmüll,
  • hausmüllähnliche Gewerbeabfälle und Abfälle von Bürogebäuden oder öffentlichen Einrichtungen,
  • Straßenkehricht,
  • Marktabfälle,
  • kompostierbare Abfälle aus der Biotonne,
  • Garten- und Parkabfälle sowie Abfälle aus der Getrenntsammlung von Papier,
  • Pappe,
  • Karton,
  • Glas,
  • Kunststoffen,
  • Holz
  • und Elektronikteilen.

Wer meint, dass die Menge an Siedlungsabfällen im Vergleich zu Bau- und Abbruchabfällen, Bergematerial aus dem Bergbau und Industrieabfällen nur einen kleinen Teil der gesamten Abfallmenge ausmache, der unterschätzt womöglich, dass ihre Entsorgung und Behandlung sehr aufwendig ist. Ein Aufwand, den viele Länder mit den öffentlichen Budgets für die Verringerung und Vermeidung von Umweltbelastungen kaum zu stemmen vermögen.

Schauen wir uns zunächst einmal an, was jedes Land zu den 250 Millionen Tonnen Siedlungsabfall beiträgt:

Gut zur wissen: Als Faktoren zur Bestimmung der Menge der in einem Land erzeugten Siedlungsabfälle gelten

  • der Urbanisierungsgrad,
  • das Einkommensniveau der privaten Haushalte und deren Lebensgewohnheiten
  • sowie das daraus resultierende Konsumverhalten.

Anhand der Recyclingquoten der einzelnen EU-Mitgliedsländer lässt sich auf die Menge an Siedlungsabfällen schließen, die noch anderweitig entsorgt werden müssen, weil sie (noch) nicht recycelbar sind. Wobei anzumerken ist, dass Recycling sowohl werkstoffliches Recycling als auch Kompostierung und Vergärung umfasst.

Siedlungsabfälle über 600 Kilogramm pro Einwohner

In Deutschland erzeugte 2012 jeder Einwohner 611 Kilogramm Siedlungsabfälle – die Recyclingquote lag bei 64,5 Prozent. Die Dänen kamen auf 668 Kilogramm Siedlungsabfälle pro Einwohner, ihre Recyclingquote war mit 45,2 Prozent niedriger als die deutsche, in Luxemburg produzierte jeder Einwohner 662 Kilogramm Siedlungsabfall, die Recyclingquote lag bei 47 Prozent. In Zypern waren es 663 Kilogramm Siedlungsabfall pro Einwohner, wobei die Recyclingquote mit 21,2 Prozent deutlich niedriger war als in Deutschland.

Die Gruppe der vorgenannten Länder mit mehr als 600 Kilogramm spezifischem Siedlungsabfallaufkommen zeigt damit sehr unterschiedliche Recyclingquoten.

Siedlungsabfälle zwischen 500 und 600 Kilogramm pro Einwohner

In dieser Gruppe mit einem spezifischen Siedlungsabfallaufkommen zwischen fünf- und sechshundert Kilogramm pro Einwohner waren 2012 acht weitere Mitgliedsländer. Auch deren Recyclingquote variierte sehr stark: Sie lag zwischen 12,1 Prozent in Malta und 59,4 Prozent in Österreich.

Siedlungsabfälle zwischen 400 und 500 Kilogramm pro Einwohner

Bei den zehn Ländern mit jeweils 400 bis 500 Kilogramm Siedlungsabfall pro Einwohner variierte die Recyclingquote zwischen 20 Prozent in Litauen und 57,3 Prozent in Belgien.

Übrigens: In dieser Größenklasse lag mit 487 Kilogramm Siedlungsabfall pro Einwohner auch der Durchschnittswert für die Europäische Union in 2012, wobei die durchschnittliche Recyclingquote bei 41,3 Prozent lag.

Siedlungsabfälle bis 400 Kilogramm pro Einwohner

Sechs europäische Länder wiesen im Jahr 2012 ein spezifisches Siedlungsabfallaufkommen zwischen 270 und 400 Kilogramm pro Einwohner auf, ihre Recyclingquoten lagen zwischen 2,6 Prozent in Rumänien und 39,5 Prozent in Slowenien.

Zwischenfazit:

Man sieht an den Zahlen, dass nicht mehr recycelt wird, wenn das Siedlungsabfallaufkommen steigt. Was man aber sieht ist das: Es gibt bei en Recyclingquoten ein Gefälle zwischen westeuropäischen und osteuropäischen Mitgliedstaaten. Die Recyclingquote der Osteuropäer lag deutlich unter dem EU-Durchschnitt – allerdings gilt Gleiches auch für Griechenland, Portugal, Spanien, Zypern und Malta. Und: Als einziges osteuropäisches Land erreiche Slowenien mit einer Recyclingquote von 39,5 Prozent fast den EU-Durchschnitt.

Deponieren in Europa

Damit haben wir einen Überblick darüber, welche Mengen an nicht recycelbarem Siedlungsabfall pro Jahr in Europa anfallen. Da jedoch nicht alles davon deponiert wird, sondern teilweise auch in Müllverbrennungsanlagen verfeuert wird, müssen wir das noch näher betrachten. Denn wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) schreibt: „Was in Dänemark verbrannt wird, kann in Deutschland recycelt werden und landet in Italien auf Deponien.“

Benjamin Kloiber schrieb hier auf dem Wertstoffblog bereits, in Deutschland und Österreich der Großteil der nicht recycelbaren Siedlungsabfälle verbrannt werde und so gut wie nichts mehr deponiert werde: Doch so wie in Deutschland sähe es demnach nicht überall in der EU aus. Während in Italien und Großbritannien die Hälfte des Mülls deponiert werde, seien es in Malta, Kroatien und Bulgarien über 90 Prozent. In Rumänien gebe es gar kein Recycling von Haushaltsabfällen – dort lande sämtlicher Müll auf Deponien.

Die folgende Tabelle zeigt, welcher der EU-28-Staaten wie viel seines nicht recycelbaren Siedlungsabfalls deponiert.

Um klar zu machen, was das Deponieren großer Müllmengen für ein Land wie Italien bedeutet, hier eine anschauliche Beschreibung der italienischen Müll-Alltäglichkeit aus dem Jahr 2014, die die SZ gibt:

Die Erde qualmt. Aufgerissene Müllsäcke stapeln sich an Straßenecken, auf Rastplätzen, zwischen Hauseingängen und sogar auf Äckern, wo sonst Oliven und Trauben wachsen. Der Abfall der Gesellschaft wird hier illegal vergraben, verbrannt oder einfach liegen gelassen. Die Folgen: verseuchte Gemüsefelder und mehr Krebserkrankungen. In den Medien kursieren immer wieder Berichte von immensen Abfallbergen. Neapel, die drittgrößte Stadt Italiens, zählt zu den verseuchtesten Gegenden der Welt. Auch vor den Toren Roms entsorgte das Land zuletzt 4.500 Tonnen Hausmüll täglich. Auf einer Fläche von 250 Hektar, das entspricht etwa 340 Fußballfeldern, erstreckt sich ‚Malagrotta‘ – die größte Müllkippe Europas. Mit der Schließung im Oktober letzten Jahres stellt sich erneut die Frage: Wohin mit dem Müll?

Fazit

Die gute Nachricht zum heutigen Kapitel Deponierung von Siedlungsabfall in Europa hatte ich euch schon am Ende des ersten Serienteils überbracht: „Die Europäische Umweltagentur (EEA) veröffentlichte gerade Zahlen, die belegen, dass der Anteil der deponierten Siedlungsabfälle in den EEA-Mitgliedstaaten in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen ist. Demnach sank die Deponierungsquote von Siedlungsabfall von 49 auf 34 Prozent. In 27 von 32 Mitgliedstaaten sei die Deponierung somit rückläufig. Zugleich hätten die EEA-Staaten ihre Recyclingquoten für Siedlungsabfälle von 23 auf 33 Prozent gesteigert.“

Ein Prozess, der sich fortsetzen muss – in einigen Staaten braucht er größeres Engagement als bislang, in allen Staaten braucht er Konsequenz.

Im nächste Teil 3 der Artikelreihe geht es um die Altlasten, mit denen die Bundesrepublik aus den Jahren vor der gesetzlichen Depoierregelung allerdings eine Reihe von Altdeponien, bei denen keine Aufzeichnungen vorliegen. Sprich: Bei denen niemand weiß, was unter der Erde tatsächlich schlummert und welche Gefahr Mensch und Umwelt droht. Allein in Bayern gibt es rund 6700 stillgelegte Abfalldeponien – aber noch qualmt die Erde nicht.

Zum Weiterlesen:

Recycling von Siedlungsabfällen in Europa

 

Weitere Artikel zum Thema Deponierungsverbot:

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