Mobilität in der Recyclingwirtschaft (2): Wie gelingt Abfallentsorgung in der künftigen Kreislaufstadt?

Gepostet von am 30. Nov 2017

Mobilität in der Recyclingwirtschaft (2): Wie gelingt Abfallentsorgung in der künftigen Kreislaufstadt?

In Teil 1 unserer Reihe zu Mobilität in der Recyclingwirtschaft haben wir euch am Beispiel der deutschen Müllautoflotte gezeigt, wie mobil die Branche derzeit ist. Rund wie im Sinne einer kreislaufwirtschaftlichen Abfallentsorgung nach dem Prinzip „Cradle to Cradle“ läuft die deutsche Recyclingwirtschaft trotz vieler guter Ansätze lange noch nicht. Auf der Suche nach Gründen dafür haben wir die folgenden gefunden – die es aus dem Weg zu räumen gilt, wenn künftige Kreislaufstädte funktionieren sollen.

Was ist eine Kreislaufstadt?

Der Begriff Kreislaufstadt haben wir aus dem Band 2: Teilbericht „Kreislaufstadt 2030“, den das Umweltbundesamt (UBA) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in seinen „Szenarien für eine integrierte Nachhaltigkeitspolitik – am Beispiel: Die nachhaltige Stadt 2030“ im Rahmen eines Umweltforschungsplanes (Forschungskennzahl 3709 11 155 UBA-FB 001727/2) als Text 25/2013 veröffentlichte.

Mit einer Kreislaufstadt meinen die berichtenden Forscher Städte und urbane Räume in einer Kreislaufwirtschaft. Wobei sie Kreislaufstädte

  • über ihren funktionalen Mix und daraus resultierend ihre „Funktionsmischungsstrukturen“ definieren: Die Stadt sei demnach unter anderem Wirtschafts-, Wohn-, und Lebensraum sowie Arbeits-, Infrastruktur-, Freizeit-, Kultur-, Mobilitäts- und Integrationsort. Global gesehen seien urbane Regionen im Vergleich zu ländlichen wachsend. Städte stünden international in Wettbewerb – etwa bei der Standortwahl von Bevölkerung und Unternehmen. Urbane Räume müssten demnach für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gleichermaßen attraktiv sein; Fragestellungen wie Effizienz, Effektivität und Lebensqualität würden hierbei immer wichtiger werden. Zukunftsfähig sei deshalb nur die nachhaltige Stadt.
  • Städte seien zentrale Orte des Ressourcenverbrauchs: Es würden direkt oder indirekt umfangreiche Emissionen von Städten ausgehen, schreiben die Wissenschaftler, die auch für Treibhauseffekt, Ozonabbau, Versauerung und Gesundheitsprobleme verantwortlich seien.
  • Städte seien oft Vorreiter bei der Begegnung von Herausforderungen, so weisen sie zum Teil geringe spezifische Verbräuche (pro Einwohner)
  • Städte seien laut den Forschern geeignete Orte für die Umsetzung innovativer Konzepte und um Probleme anzugehen.

Die Schaffung hocheffizienter Kreisläufe, könne demzufolge ein zentraler Bestandteil zur Minimierung des Ressourcenverbrauchs in urbanen Räumen sein. Kreisläufe würden zur Verringerung der Ressourceninanspruchnahme und gleichfalls zur Verbesserung der Ressourceneffizienz sowie des Ressourcenschutzes führen, womit positive Umwelteffekte einhergehen würden.

Bislang, so schrieben die Forscher in ihrem Bericht aus dem Jahr 2013, würden noch keine integrierten Konzepte für eine Kreislaufstadt existieren. Auch in der Praxis seien Kreisläufe demnach bisher nicht umfassend beschrieben worden. In urbanen Regionen würden Kreisläufe bislang lediglich sektoral in Ansätzen umgesetzt worden, heißt es weiter.

Das ist also der Stand der Dinge. Die nächste Frage ist:

Welche Ansprüche stellen die Forscher an eine Kreislaufstadt?

„Eine Kreislaufstadt sollte hingegen den Anspruch erheben, möglichst lokal und integriert, geschlossene Kreisläufe sämtlicher vorhandener Ressourcen aufzubauen sowie beim Entwickeln, Erneuern, Verändern und Wirtschaften in Städten nachhaltig mit Ressourcen umzugehen.“

In der Kreislaufstadt würden den Forschern zufolge somit einzelne Kreisläufe nicht nur in sich geschlossen, sondern vor allem integriert betrachtet und ressourcenübergreifend miteinander verbunden.

Eine Kreislaufstadt stelle demnach neue Anforderungen an unter anderem:

  • Strukturen,
  • Prozesse,
  • Zuständigkeiten
  • und Verhaltensweisen.

Aus dem Vorgeschriebenen ergibt sich die Frage:

Was kann und muss die Abfallwirtschaft beziehungsweise Recyclingwirtschaft jetzt tun, um so mobil zu werden, dass sie ihren systematischen Beitrag in einer künftigen Kreislaufstadt zu leisten vermag?

Bei der Planung und Organisation der betrieblichen Strukturen und Prozesse in den Unternehmen der Abfallwirtschaft, privaten wie nicht privaten, kommt es in der Kreislaufstadt auf ökonomische wie ökologische Effizienz an. Dabei hilft Digitalisierung 4.0 schon heute: Computergesteuerte Regeltourpläne sorgen beispielsweise dafür, Sammelgebiete in Tagestouren für die Müllautos zu gliedern, die

  • die Fahrzeuge optimal auslasten
  • und die kürzeste Durchfahrt durchs Sammelgebiet berechnen.

In einer Kreislaufstadt braucht der Prozess allerdings direkte und aktuelle Rückmeldungen aus dem Müllauto, das unterwegs ist, beispielsweise bezüglich Füllstand im Wagen, plötzlich aufkommende Verkehrsbehinderungen, außergewöhnliche Müllaufkommen bei den angefahrenen Behältern und so weiter, und die entsprechend optimierte Reaktion aus dem logistischen Führerstand inhouse.

Auch die heute noch häufig die Effizienz bremsende Bürokratie muss in der Kreislaufstadt rund laufen: Das trifft insbesondere auf die Beseitigung von Müll zu, die schon heute kein linearer Vorgang sondern zumindest hierzulande ein komplexer Kreislauf ist. Wichtig: Damit ist nicht gemeint, dass die Müllbeseitigung bereits den Standards einer Kreislaufwirtschaft gerecht wird. Müllbeseitigung bedeutet heute einen hohen organisations- und Verwaltungsaufwand, der von vielen Akteuren betrieben wird, die aus der privaten Wirtschaft und der öffentlichen  Verwaltung kommen, darunter

  • der Müllerzeuger,
  • der Transporteur,
  • der Entsorger,
  • das Recyclingunternehmen
  • und die zuständigen Behörden.

Hier wird uns vor Augen geführt, was Bürokratie von heute heißen kann: Für alle gewerblichen Abfallstoffe, die gefährlich und damit nachweispflichtig seien, müsse der Erzeuger die Entsorgung bei der zuständigen Behörde beantragen. Je nach Abfallstoff und Bundesland würden dabei mindestens acht Seiten mit je vier Durchschlägen an – wohlgemerkt pro Abfallstoff anfallen. Jeder Transport erhalte zudem einen Begleitschein in sechsfacher Ausfertigung, der von allen Beteiligten im Laufe des Müllentsorgungsprozesses unterschrieben werde. Noch größer werde der Papierkrieg bei der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen. Denn hier würden neben den Behörden im Start- und Zielland auch die Behörden der Transitländer mitreden. Hier würden unter anderem Prozessbeschreibungen der Abfallentstehung, Versicherungsdokumente oder Deklarationsanalysen anfallen – insgesamt seien so rund 20 verschiedene Antrags-Unterlagen nötig, um einen Transport überhaupt zu starten, schreibt Alexander Marschall in Business Application & Analytics. Seiner Einschätzung nach arbeiten „viele Abfallbeauftragte und Abfallentsorger … heute … immer noch mit Papier, Telefon und Excel“, was nicht nur wertvolle Bearbeitungszeit koste, sondern auch fehleranfällig sei.

Das elektronische Abfallnachweisverfahren eANV für die Entsorgung gefährlicher gewerblicher Abfallstoffe innerhalb Deutschlands, das als „gänzlich digitale Abwicklung des bürokratischen Prozesses verpflichtend umgesetzt“ worden sei und seit April 2010 als gesetzliche Vorgabe gelte, stellt Marschall als ersten Schritt in die richtige Richtung heraus.

Einsparpotenziale für die Abfallwirtschaft sieht der Experte zudem in digitalen Lösungen wie:

  • Umstellung von Papier auf elektronische Rechnungsabwicklung (das spare ein bis zwei Prozent des Umsatzes!),
  • eine gemeinsame standardisierte (cloudbasierte) Datenplattform (das spare die Datenpflege seitens einzelner Anwenderunternehmen),
  • detailliertes Stoffstrommanagement (das spare Arbeitszeit und vermeide Übertragungsfehler),
  • Angebot der unternehmensseitigen Serviceprozesse auf einer digitalen Kommunikationsplattform anstelle E-Mail-Einzelversand und Nachfass,

die es heute in der einen oder anderen Form durchaus schon gebe.

Fazit:

Die Müllentsorgung einer Kreislaufstadt läuft rund, wenn alle beteiligten Akteure ökologisch wie ökonomisch effizient strukturiert und zielführend miteinander arbeiten. Das braucht ein hohes Maß an Interaktion, der die heute noch dezentral organisierten Zuständigkeiten teilweise im Wege stünden. Auch Daten müssten zentral zur Verfügung stehen und von vielen Akteuren gemeinsam benutzt werden können. Das bedeutet eine teilweise Aufweichung heutiger Strukturen, denn einzelne Unternehmen müssten Teile ihrer Eigenständigkeit (ihres Besitzes an Daten) aufgeben und zu einem interaktiven System zusammenfinden. Sharing ist caring – könnte ein Motto dafür sein.

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