Recyclingrohstoff Verbundwerkstoffe: Das zweite Leben von Autoreifen

Gepostet von am 24. Sep 2015

Recyclingrohstoff Verbundwerkstoffe: Das zweite Leben von Autoreifen

Sie sind acht oder zehn Jahre alt und das, was Auto und Straße verbindet. Doch was, wenn die alten Reifen ausgedient haben? Aufgrund der Verbundwerkstoffe in Autoreifen ist es nicht möglich, durch Recycling aus Reifen wieder Reifen zu machen. Der Recyclingrohstoff ist nicht gleichwertig – aber dennoch nicht nutzlos. Wie lange Autoreifen durchschnittlich haltbar sind, ist auch bei Experten umstritten. Zehn Jahre werden häufig als zu erwartende Lebensdauer genannt. Oder 50.000 Kilometer, nach denen das Profil so weit abgefahren ist, dass die Reifen von Gesetzes wegen gewechselt werden müssen. Das ist dann der Fall, wenn die Profiltiefe 1,6 Millimeter bei PKW-Sommerreifen unterschreitet. Ans Auto werden neue Reifen montiert, das ist klar. Doch was geschieht mit den gebrauchten?

Was geschieht mit 600.000 Tonnen Altreifen?

In Europa fallen jährlich 3,4 Millionen Tonnen Altreifen an. Alleine in Deutschland werden pro Jahr Reifen in einer Gewichtmenge von rund 600.000 Tonnen aussortiert. Gemeinsam mit anderen ausrangierten Altgummiprodukten sind es etwas mehr als eine Million Tonnen im Jahr. Das entspricht zwar nur einem Viertelprozent des jährlichen Abfallaufkommens, das Volumen der Reifen ist aber beachtlich. Rund ein Drittel der gebrauchten Reifen werden ins Ausland verkauft und dort zum Teil wieder an ein Auto montiert. Möglich ist das deswegen, weil in den meisten Ländern außerhalb der EU nicht so strenge Gesetze gelten, was die Profiltiefe und sonstigen Verschleiß betrifft. Der Rest wird wiederverwertet. Doch die klassische Wiederaufbereitung, bei der die Abfallprodukte in ihre Rohstoffe zerlegt werden und diese als gleichwertige Recyclingrohstoffe wieder in die Reifenproduktion fließen, ist bei Autoreifen und anderem Altgummi nicht ohne Weiteres machbar.

Autoreifen werden keine Autoreifen

Was bei Glas, Papier und vielen Metallen Routine ist, stellt bei Autoreifen ein Problem dar. Wir sprechen nämlich von einem Verbundwerkstoff: Ein Werkstoff der aus zwei oder mehreren Materialien besteht, die zusammen völlig andere Eigenschaften besitzen, wie die Materialien einzeln. Nur um den Werkstoff später recyceln zu können, muss der Verbund gelöst werden, was sehr aufwendig und zum Teil gar nicht möglich ist. Im Falle der Herstellung von Autoreifen wird dem weichen Gummi Schwefel beigemengt, sodass der Reifen hart, aber elastisch wird. Das Problem bezüglich Recycling ist, dass sich der Gummi nicht mehr vom Schwefel lösen lässt. Der Gummischwefelverbund ist irreversibel. Das heißt: Aus Kautschuk werden Autoreifen – aus Autoreifen kein Kautschuk.

Rundumerneuerung und Zweckentfremdung

Also wohin mit altgedienten Reifen, die im Straßenverkehr nichts mehr zu suchen haben? Eine Möglichkeit bietet die Rundumerneuerung. Dabei wird der Reifen bis zur Karkasse, dem tragenden Gerüst, abgeschält. Unter hoher Hitze wird dann eine neue Lauffläche angebracht. Klassisches Recycling ist das nicht, eher eine Reparatur. Bei PKW-Reifen kann so eine Reparatur – wenn überhaupt – einmal vollzogen werden, bei LKW-Reifen etwas öfter. Eine andere Möglichkeit ist es, sie zweckzuentfremden – sie also in Form des Reifens weiterzuverwenden. Das wird in der Landwirtschaft gemacht, wo Reifen bei Wind und Regen die Abdeckfolie festhalten. Auch als Kinderschaukeln können Reifen dienen. Auf dem Boden eines 190 Meter tiefen Staubeckens in San Francisco sind 400 Reifen gestapelt, welche den Fischen als Laichplatz dienen. Auch die Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel und Nico Rosberg haben mit Altreifen zu tun. Denn bevor sie mit bis zu 300km/h in die Leitplanken krachen, dämpfen Reifenstapel ihren Aufprall ab.

Downcycling wenn Recycling zu teuer ist

Altreifen, die in Recyclinganlagen landen, werden geschreddert. Dabei werden zunächst durch Magnete die Metalle aussortiert, welche später als Recyclingrohstoffe dienen. Der Gummi von schlechter Qualität wird als Sekundärbrennstoff bei der Zementherstellung verwendet. Gummi von guter Qualität wird weiter zermahlen. So werden aus alten Reifen Bodenbeläge auf Sport- und Kinderspielplätzen oder sie dienen als Schicht in Kunstrasenplätzen. Ein Recycling, bei dem aus Abfall Recyclingrohstoffe gewonnen werden, welche in der Herstellung die Primärrohstoffe substituieren können, ist das nicht. Da der Recyclingrohstoff  minderwertiger ist, spricht man von Downcycling. Diese kreativen Wege, Altreifen nicht zu etwas Unnützem verkommen zu lassen, sind nötig, weil Recyceln nicht möglich ist. Der Gummiverbund verhindert, dass aus alten Reifen wieder Kautschuk wird. Technisch ist es jedoch machbar, aus Altreifen synthetisches Rohöl zu gewinnen, aus dem sich Benzin, Heizöl oder die Stoffe zur Herstellung von synthetischem Kautschuk – und damit Autoreifen – gewinnen lassen. Doch die Sache hat einen Haken. Der Grund, warum dieses Verfahren nicht gängige Praxis ist, liegt am immer noch zu niedrigen Preis für Rohöl. Das Gewinnen des Recyclingrohstoffs wäre teurer als das Gewinnen des Primärrohstoffs und ist damit wirtschaftlich nicht rentabel.

Nachwachsende Rohstoffe statt Erdöl

Eine andere Möglichkeit, um der Reifenproduktion einen grünen Touch zu verleihen, ist es, den Primärrohstoff Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Durch die Verwendung von Sojabohnenöl können nicht nur fossile Brennstoffe gespart werden, die  Haltbarkeit der Reifen verbessert sich außerdem um rund zehn Prozent. Auch der Naturkautschuk vom Gummibaum erhält Konkurrenz. Dieser muss zumeist aus Regionen nahe dem Äquator importiert werden, wobei der lange Transportweg die Umwelt und das Portemonnaie belastet. Unter den 1.200 Pflanzen, aus denen Naturkautschuk gewonnen werden kann, ist der Löwenzahn die vielversprechendste Alternative. Auch wenn sich die Idee, auf Sojabohnen und Löwenzahn die Straße entlang zu fahren, romantisch anhört, ist es für die Reifenindustrie derzeit nicht denkbar, ganz auf pflanzliche Ressourcen zu setzen. Demnach wird weiterhin synthetischer Gummi mit Schwefel zu einem Verbundwerkstoff verarbeitet, was ein Recyceln nicht möglich macht.

 

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Quellen:

http://www.welt.de/motor/article119473280/Reifen-aus-Loewenzahn-und-Sojabohnen.html

http://recyclingportal.eu/Archive/6349 http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/faszination-wissen/recycling-downcycling-kleidung-100.html

    2 Kommentare

  1. Hallo und vielen Lieben Dank für diesen Tollen Beitrag, Altreifen sind ein Wirkliches Problem. Immer wieder sieht man auf Parkplätzen und Parks Altreifen rumliegen. Dabei steckt in so ein Reifen viele Energie und Wertvolle Substanzen die man sicherlich weiter verwenden könnte. Viel Altreifen gehen auch in den Export, da andere Länder lockere Gesetze haben bezüglich Abnützung ect.

  2. 600.000 Tonnen Altreifen in Deutschland, dass hätt ich jetzt nicht gedacht. Und das schlimmste ist in anderen Ländern werden die Altreifen einfach so verbrannt. Die Rauchwolke sieht man sogar im Flugzeug 🙁

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