Das Handy – Eine Schatzkiste voller Recyclingrohstoffe

Gold, Silber, Platin, Kupfer … So gut wie jedes Metall ist in einem Handy verarbeitet. Einige werden recycelt, andere nicht. Doch gerade für die Metalle, die bisher nicht wiederaufbereitet werden, bezahlen Umwelt und Menschen einen hohen Preis.
Das Handy. So ziemlich jeder hat eines. Ein Leben ohne ist kaum noch vorstellbar. Einst war es ein mobiles Telefon. Heute ist es Kalender, Spielkonsole, Radio, Navigationsgerät und noch hundert weitere Sachen, die wohl nicht mal die Entwickler alle aufzählen könnten. Während wir ein Fernsehgerät oder Laptop zumeist einige Jahre behalten, wechseln wir unsere Handys oft schon nach wenigen Monaten. Mobilfunkverträge, die dem Kunden pro Jahr ein neues Handy zusichern, sind keine Seltenheit mehr. Nur wegen einiger Gewohnheitsmenschen, die ihr Handy lieb gewonnen haben und so lange behalten, bis der Akku keine fünf Minuten mehr hält, werden diese Geräte im Durchschnitt immerhin zwischen 18 und 24 Monate lang verwendet, bis ein neues angeschafft wird.
100 Millionen Handys für die Schublade
Dabei ist der Handytausch in den seltensten Fällen nötig, weil etwa das Display einen Sprung hat oder der Akku nicht mehr will. Die meisten Geräte wären noch zu verwenden. Doch nur wenige Geräte werden an Freunde oder Verwandte weitergegeben oder an den Netzbetreiber zurückgeschickt. Die meisten verkommen hierzulande in den heimischen Schubladen. In Summe betrifft das mehr Handys, als es Deutsche gibt – nämlich rund 100 Millionen. Und das ist eine immense Verschwendung.
Ökologischer Rucksack wiegt schwer
Denn ein Handy ist nicht bloß Handy. Es ist ein Schatz, eine Goldgrube, ein Rohstofflager. Ein gebrauchtes Handy ist ein Hort für Recyclingrohstoffe. Doch um deren Wert vollends nachvollziehen zu können, ist es nötig, auch den Weg vom Abbau der Primärrohstoffe zum fertigen Gerät zu verstehen. Gemeint ist der ökologische Rucksack. Er ist gefüllt mit allen eingesetzten Ressourcen: von der Rohstoffgewinnung, über den Herstellungsprozess, bis zum täglichen Aufladen des Akkus und des (leider zu selten praktizierten) Recyclings.
Keine 25 Prozent werden adäquat entsorgt
Der ökologische Rucksack eines einzelnen Handys wiegt 75 Kilogramm. Ein einzelnes Handy hingegen wiegt im Durchschnitt 80 Gramm. Das Gewicht des ökologischen Rucksacks überragt das Gewicht eines einzelnen Geräts um fast das Tausendfache. Den Großteil des Gewichts macht der Abbau der Rohstoffe aus. Allein die rund zehn Gramm Kupfer, die in jedem Handy stecken, haben 3,5 Kilogramm Ressourcen verbraucht. Es ist zwar so, dass wir Konsumenten auf die Gewinnung der Rohstoffe und den Herstellungsprozess wenig Einfluss nehmen können. Dennoch kann jeder Benutzer einen Beitrag dazu leisten, den ökologischen Rucksack etwas auszuräumen. Wir können unsere Geräte länger nutzen, nach dem Gebrauch weiterverschenken und wenn sie kaputt sind, bitte bloß nicht im Hausmüll entsorgen, sondern zum Beispiel dem Netzbetreiber per Post zurückschicken. Alle großen Mobilfunkbetreiber nehmen gebrauchte Handys auch in ihren Filialen zurück. Viel zu selten wird das gemacht. Ein effizientes Rückgabesystem gibt es bis heute nicht. Schätzungen zufolge werden weniger als 25 Prozent der Geräte adäquat entsorgt.
Umweltprobleme durch seltene Erden
Dabei wäre es nicht nur wirtschaftlich und ökologisch ein Muss, das Recycling von kaputten Handys zu forcieren. Wer einmal gehört hat, unter welchen Bedingungen manche Primärrohstoffe des Handys gewonnen werden, fühlt sich auch moralisch verpflichtet. Im Kongo schürfen Männer und Kinder unter den widrigsten Umständen in 70 Meter tiefen Minen seltene Erze wie Kassiterit und Coltan. Ohne diese Metalle funktionieren die marktüblichen Handys nicht. Mit dem Hammer in der einen und dem Meißel in der anderen Hand riskieren diese Menschen Gesundheit und Leben, um die nötigen Rohstoffe aufzutreiben, die derzeit nur in den seltensten Fällen wieder recycelt werden. Der größte Teil dieser seltenen Erden wird in China abgebaut. Kilometer tief wird gegraben, um die wertvollen Rohstoffe zu gewinnen – ohne Rücksicht auf die Umwelt. China hat quasi ein Monopol beim Abbau seltener Erden. Und das nicht etwa, weil dort die größten Vorkommen wären, sondern weil die Umweltbelastungen so immens sind, dass viele andere Länder vor allzu ambitioniertem Abbau dieser Metallen Abstand nehmen. Das betrifft sogar die Fracking-Nation USA.
Sammelbüchse für Recyclingrohstoffe
In einem Handy ist das halbe Periodensystem verbaut und nahezu alle Metalle, die aus allen Teilen der Erde kommen. Und das Recycling von alten Handys ist lohnend. Nicht nur, dass auf diesem Weg Schadstoffe artgerecht entsorgt werden, auch können zahlreiche Recyclingrohstoffe gewonnen werden. Beim Recycling von Handys werden in einem ersten Schritt die Akkus entfernt. Diese werden bislang noch entsorgt und nicht wiederverwertet. Zwar gibt es technisch die Möglichkeit, aus Akkus Recyclingrohstoffe wie Lithium, Nickel und Kobalt zu gewinnen, doch es dürfte sich für die Unternehmen noch nicht ausreichend lohnen.
Das Gehäuse samt Innenleben des Handys wird geschreddert. Mit Magneten werden zunächst Recyclingrohstoffe wie Eisen und Aluminium aus dem Schrott gezogen. Anschließend werden die Kunststoffe von den restlichen Metallen getrennt. Die Kunststoffe sind zum Teil Verbundwerkstoffe. Das heißt: Es sind mehrere Kunststoffe so zusammen verarbeitet, dass sie nicht mehr sortenrein zu trennen und zu recyceln sind. Sie können nicht mehr in ein neues Handy eingearbeitet werden. Stattdessen wird dieser Kunststoff verwendet, um beispielsweise Kleiderbügel herzustellen oder er wird zur Energiegewinnung verbrannt. Die verbleibenden Metalle werden eingeschmolzen und anschließend in Form gegossen. In einem Schwefelsäurebad lösen sich Kuper, Gold, Silber, Platin und andere Edelmetalle ab und übrig bleiben viele wertvolle Recyclingrohstoffe. Aber gerade der wertvollste Rohstoff im Handy wird nach wie vor nicht recycelt. Die Rede ist von Tantal – einem Metall, das nur in Bruchteilen eines Gramms im Handy enthalten ist und im Kongo abgebaut wird.
Die Bilanz ist ernüchternd
Während man Metalle wie Kupfer, Gold und Palladium fast zur Gänze wiedergewinnen kann, gehen die paar Gramm seltener Erden verloren. Diese paar Gramm, welche die Umwelt belasten und die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährden, werden nicht recycelt. Der Grund liegt im Herstellungsprozess begraben. Das Design der Handys wird nicht auf die Recyclingfähigkeit geprüft. Immer mehr Kleinstmengen an Metallen werden zusammen verbaut, sodass sie nicht mehr zu trennen und daher nicht mehr recycelbar sind. Es gibt durchaus Forschungsprogramme zum Thema – und auch schon mehr als nur erste Erfolge. Doch die Entwicklung gerät immer wieder ins Stocken, da die Investitionen in die Forschung vom Preis der seltenen Erden abhängt. Und wenn diese mal wieder günstiger sind, besteht noch weniger Interesse am Recycling.
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Quellen:
https://wertstoffblog.de/2015/08/13/laenger-nutzen-statt-aufwendig-recyceln/
http://thema-rohstoffe.de/handy-recycling.html
http://www.zeit.de/2011/02/Kongo-Rohstoffe/komplettansicht
http://www.izmf.de/de/lebenszyklus-eines-handys-und-oekologischer-rucksack#header
http://www.sueddeutsche.de/digital/alte-handys-muellkippe-statt-mine-1.2553381
http://images.zeit.de/wissen/2013-07/s35-infografik-handy-recycling.pdf
1 Kommentar
gute artikel boi