Länger nutzen statt zu schnell wegwerfen!

Recycling hilft, begrenzte Rohstoffreserven zu schonen, da bereits einmal genutzte Wertstoffe damit eine Wiederverwertung erleben können. Warum viele Hersteller kaum auf recycelbare Produkte setzen, kaum Produkte recyceln und es dem Verbraucher zugleich schwer machen, ihre Produkte lange zu nutzen, indem sie deren (vor-)zeitigen Verschleiß einplanen, erklärt dieser Artikel.
Ich telefoniere seit Januar 2014 mit meinem 6. Handymodell. Mein erstes Handy kaufte ich mir Ende der 1990er-Jahre. Ich habe demnach jedes meiner Handys im Schnitt mehr als zwei Jahre benutzt. Von meinen fünf Vorgängerhandys habe ich eins verloren, eins an jemanden verschenkt, dessen Handy gerade kaputt gegangen war, eins der fachgerechten Wiederverwertung zugeführt und zwei meinen Kids zum Spielen überlassen. Ich horte meine ausrangierten Geräte zwar nicht mehr alle – wie viele Deutsche – in der Schublade, aber immerhin noch zwei der rund 106 Millionen Althandys, die laut einer Erhebung des Marktforschungsinstitutes Aris im Auftrag des Digitalverband Deutschlands Bitkom Anfang 2014 in unseren Haushalten rumlagen, gehören mir.
Nun kann ja jeder sammeln, was er will. Auch alte Handys. Zumal die ja meist nicht ausgetauscht werden, weil sie kaputt sind, sondern weil es ein neues Modell gibt. Darauf komme ich später nochmal zurück, versprochen. Doch in jedem Handy stecken – wenn auch in geringer Menge – wertvolle Rohstoffe, darunter laut Stefan Bringe, Leiter der Forschungsgruppe Stoffströme und Ressourcenmanagement am Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie, der in der Online-Ausgabe der Wirtschaftswoche Green Economy eine Artikelserie zum Thema Rohstoffe veröffentlicht hat, praktisch alle der circa 60 Metalle des Periodensystems, die man theoretisch recyceln könnte. Aus der oben genannten Zahl zumindest theoretisch recycelbarer Handys ergäbe sich also eine beträchtliche Masse an recycelbarem Edelmetall. Bringe beziffert den Wert der Edelmetalle pro Handy auf einen bis anderthalb Euro. Er schreibt aber gleich dazu, dass es sich nicht lohne, „dafür einen Extra-Weg zur Sammelstelle zurückzulegen, denn die Verbraucher bekommen dafür ja nichts.“ Damit liefert Bringe sicher einen Grund, warum die ausrangierten Handys „dann meist im Keller oder auf dem Dachboden“ landen.
Angenommen, die Verbraucher gäben ihre Althandys stets ab. Dann hätte man doch einen Haufen Rohstoffe zum Recyceln, oder? Leider sind viele Produkte, darunter auch Handys, nicht so konstruiert, dass man sie in ihre einzelnen Bauteile zerlegen kann. Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, ist entscheidend! Dennoch komme ich erst am Ende dieses Textes darauf zurück. Hier geht’s zur Sache weiter: Viele Produkte werden geklebt oder so gesteckt, dass man ihre einzelnen Bauteile nicht voneinander lösen kann, ohne diese zu beschädigen und somit teilweise oder gar ganz zu entwerten. Zum anderen sind die modernen Geräte zunehmender mit so kleinen Bauteilen ausgestattet, dass man sich beim Blick in ihr Inneres größer als Gulliver fühlt, der auf Lilliput strandete und eine Miniaturwelt antraf, deren Bewohner ein Dutzend Mal kleiner waren als er selbst. Hinzu kommt, dass immer mehr Rohstoffe für die Produktion solcher Technik wie Handys zum Einsatz kommen. Kurz: Das Recyceln ist aufwendig und teuer. Tendenz steigend.
Warum entwickeln die Hersteller keine recycelbaren Handys?
Eine Frage, die sich aufdrängt. Und auch die Frage stelle ich: Warum recyceln die Hersteller ihre Handys nicht? Das Remanifacturing, also der Ausbau einzelner funktionierender Komponenten, deren Wiederverwendung und die dazu gegebenenfalls nötige Aufrüstung, wäre dann doch eine runde Sache, sprich: Kreislaufwirtschaft, die viel Geld einbringen beziehungsweise Ausgaben sparen könnte. Es gibt offensichtlich Gründe, warum die Hersteller weder recyceln, noch recyclingfähige Geräte entwickeln:
Die Rohstoffe sind (zu) billig
Noch ist es wohl billiger, an die Rohstoffe, in diesem Fall Primärrohstoffe genannt, zu kommen, als Sekundärrohstoffe zu recyceln. Die Vergangenheit habe laut Stefan Bringe gezeigt, dass man bei Engpässen seitens der Rohstofflieferanten, allen voran China, wenn es beispielsweise um seltene Erden geht, zunächst mal die hauseigene Entwicklungsabteilung motivierte, knappe Werkstoffe sparsamer einzusetzen oder zu ersetzen.
Die derzeitige Entsorgung ist (zu) billig
Noch ist es demnach wohl auch billiger, die Althandys mithilfe der Verbraucher über die derzeit übliche Abfallwirtschaft und ihre Systeme zu sammeln und zu entsorgen. Wobei wir uns da nichts vormachen dürfen: Nicht stofflich verwertbare Mischabfälle landen in den gut 70 Müllverbrennungsanlagen in unserer Republik und gehen buchstäblich in Rauch auf. Das geht zulasten unseres Klimas. Und während Eisenmetalle vorher noch aussortiert würden, verbleiben die Edelmetalle idR in der Schlacke – und die wird, wenn vielleicht auch nicht in Deutschland, so doch deponiert.
Die derzeitige Gesetzeslage schreibt nichts Wertstoffschätzenderes vor
Noch ist unsere Abfallwirtschaft per Gesetz so organisiert, dass Hersteller weder für Recycelbarkeit sorgen noch recyceln müssen. Ein auch mit ernstzunehmend(er)en Konsequenzen bei Zuwiderhandlung formuliertes wertstoffschätzend(er)es Gesetz als das geltende gibt es noch nicht.
Solange also die Rohstoff-Gewinnung und -Entsorgung – beides meist rücksichtslos gegenüber der Umwelt und den Menschen – billiger sind als ökologische Alternativen und ein Hersteller nicht per Gesetz dazu veranlasst wird, wird kaum einer Rohstoffe recyceln oder freiwillig recycelbare Produkte entwickeln. Ihm fehlt schlichtweg ein Anreiz.
Der Vollständigkeit halber will ich an dieser Stelle zumindest ein Beispiel dafür nennen, das Handys heute auch so gebaut werden können, dass sie zu 100 Prozent recycelbar sind: Das Tetra-Pack-Handy ist aus Papier.
Dann nutzen wir die Produkte eben einfach länger!
Nun bin ich ja ein umweltbewusster Verbraucher. Und durchaus bereit, mein Handy solange zu nutzen, wie es funktioniert. Vorausgesetzt, es kann das, was ich mit ihm machen will. Ich gehöre also per se schon zu denen, die ihr Handy eher länger als der Durchschnitt (anderthalb bis zwei Jahre) benutzen. Doch das längere Nutzen wird einem ganz schön schwer gemacht:
- Einerseits von den Herstellern. Die werfen in immer kürzeren Abständen, sogenannten Innovationszyklen, Handys auf den Markt, die immer mehr und das immer schneller und besser können, als ihre Vorgänger. Die neuen Modelle bewerben sie nach allen Künsten der Verführung.
- Andererseits von den Anbietern der Mobilverträge. Die tauschen die Geräte der an sie gebundenen Hersteller vertragsgemäß meist nach zwei Jahren aus, häufig sogar vor Ablauf der Frist, wenn man wie ich im Falle meines verlorenen Handys mal eher eins braucht und seine Bereitschaft bekundet, den Vertrag gleich zu verlängern.
Ich frage mich: Wer hat eigentlich festgelegt, dass die Handy-Verträge üblicherweise zwei Jahre laufen – und ist damit eine Lebensdauer der Geräte quasi vorprogrammiert?
Länger nutzen trotz geplanter Obsoleszenz?
Fakt ist: Mein aktuelles Handy hat nach 18 Monaten Gebrauch plötzlich Mängel in der Bedienbarkeit gezeigt. Klar, das mag Zufall sein . . .
Doch mal ehrlich: Wenn ich ein Handy-Hersteller wäre . . .
- der erstens weiß, dass die meisten Handynutzer ihr Gerät nach anderthalb Jahren ersetzen,
- der zweitens weiß, dass er mehr verdient, wenn er schnell hintereinander zwei neue kurzlebige Handy-Modelle auf den Markt bringt, als ein langlebigeres,
- und der drittens weiß, dass ein nicht recycelfähiges Handy ihn derzeit weniger kostet als ein recyclingfähigeres . . .
. . . würde ich dann nicht auch ein Wegwerf-Handy bauen, dass genau diese Verbleibzeit beim Verbraucher zu dessen Zufriedenheit läuft und eben nicht viel länger darüber hinaus? Würde ich nicht auch den Produkttod planen?
Die geplante Obsoleszenz ist ein Thema, dass uns alle angeht: Hersteller wie Verbraucher. Die Diskussion um sie ist emotional geladen und sie ist entsprechend umstritten. Nicht ohne Grund, geht es hier doch um vorsätzlich geplanten Murks, oder wie ich es nenne, den geplanten Versch(l)eiß. Geplante Obsoleszenz ist ein Angriff auf das Allerheiligste auf dem Markt, das Vertrauensverhältnis zwischen Hersteller/Händler (Verkäufer) und Verbraucher (Käufer), sie dreht sich um Produktverantwortung und entsprechende Verantwortungslosigkeit.
Was Obsoleszenz genau ist, zeigt eine sehr spannende Bachelor-Arbeit, die ich im Netz gefunden habe. Geschrieben hat sie Jaquelin T. Joyce an der Uni Augsburg. Wer wie ich davon ausgeht, dass geplante Obsoleszenz derzeit ökonomisches Mittel zum Zweck ist (ich schreibe dazu hier demnächst mal etwas mehr, versprochen), der findet am Ende der Bachelor-Arbeit so manche Handlungsempfehlung – sortiert nach der Linie: Reduce/Reuse, Repair, Recycle und Refuse. Das Kapitel Reduce/Reuse zum Beispiel teilt sich in die beiden Abschnitte:
- „Nutzen statt besitzen (NsB) – leihen, mieten, tauschen, teilen & verschenken“
- und „Secondhand-Läden & Flohmärkte“.
Ohne jetzt tiefer auf diese Strategien gegen Obsoleszenz einzugehen, will ich meinen Artikel hier nur mit zwei Punkten beenden:
- Den Hinweis auf den gemeinschaftlichen Nutzen, den insbesondere eine Konsumkultur, die nach dem NsB-Motto funktioniert, verursacht. Ganz abgesehen davon vermeidet eine solche Konsumkultur auch viel Abfall.
- Meine Antwort auf die oben aufgeworfene Frage, warum es seitens der Hersteller beabsichtigt sein könnte, dass Produkte sich nicht ohne Weiteres in ihre Bauteile zerlegen lassen: Weil das das wohl unerwünschte Reparieren („I fix it“) durch den Verbraucher erleichtern könnte!
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