Duales System, Grüner Punkt … watt is dat denn für ‘ne Wirtschaft hier?

Der Grüne Punkt begleitet mich, seit ich die Verantwortung für einen eigenen Haushalt habe. Ich kenne quasi nur das Duale Abfallsystem. Obwohl: Wirklich kennen tue ich es nicht. Ich lebe damit. Nehme es als gegeben hin … Damit ist jetzt Schluss. Es ist Zeit, das duale System zu hinterfragen. Hier ein ganz pragmatischer Versuch.
Warum heißt das Duale System eigentlich Duales System?
Duo ist das lateinische Wort für Zwei, das weiß ich noch aus der Schule. Selbst das Wort Dual ist mir geläufig. Ich habe ja Arabisch gelernt. Und in der arabischen Grammatik existiert neben Singular und Plural, Einzahl und Mehrzahl, auch der Dual für Zweizahl. Immer, wenn es um genau zwei Dinge oder Personen geht, wird dort der Dual benutzt. Ziemlich praktisch. Doch inwiefern ist das deutsche Abfallsystem „dual“, also irgendwie eine Sache von Zweien?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich ein bisschen in der Zeit zurückblättern: Vor dem Dualen Abfallsystem gab es in der Bundesrepublik Deutschland ein öffentlich-rechtliches Abfallbeseitigungssystem. Für die Entsorgung von Abfall war demzufolge einzig und allein die jeweilige Gemeinde zuständig, in der der Abfall anfiel. Das änderte sich mit der Ende 1991 in Kraft getretenen Verpackungsverordnung (lang: Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen, kurz: VerpackV). Die nahm nämlich erstmals die Wirtschaft dahingehend in die Pflicht, die von ihr in Umlauf gebrachten Verpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen und sich an deren Entsorgung zu beteiligen. Schon im Vorfeld dazu hatten sich hierzulande agierende Unternehmen aus der Lebensmittel- und Verpackungsbranche verbunden, um die aus der Verpackungsverordnung resultierende Pflicht gemeinsam zu schultern. Ein zweites zusätzliches Entsorgungssystem neben dem öffentlich-rechtlichen war damit entstanden. Eins und Eins macht Zwei – daher also der Name Duales Abfallsystem.
Und was hat es mit dem Grünen Punkt auf sich?
In meiner Wahrnehmung untrennbar mit dem Dualen Abfallsystem Deutschland verbunden ist: Der Grüne Punkt. Doch anders, als zunächst angenommen, ist das zwar ein Zeichen für Wertstoffe aller Art, die sich recyceln lassen, allerdings kein unabhängiges, sondern die geschützte Marke der Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH, häufig DSD genannt (und nicht zu verwechseln mit Dieter Bohlens DSDS – ein Schelm, der Böses dabei denkt!). Die DSD wiederum ist das Ergebnis unternehmerischer Verbundenheit oder anders ausgedrückt, der oben angesprochene erste privatwirtschaftliche Verbund, zu dem sich die deutschen Lebensmittel- und Verpackungsfirmen Anfang der 1990er zusammengeschlossen hatten.
Während man einerseits sagen muss, dass Der Grüne Punkt ein ziemlich erfolgreiches Markierungskonzept ist, das laut der DSD inzwischen in 25 europäischen Ländern umgesetzt wird, muss man andererseits auch sagen, dass Vieles an Wertstoffen recycelbar ist, das nicht mit Der Grüne Punkt markiert ist.
Duales oder dezimales System – ja watt denn nu?
Ich könnte an dieser Stelle aufhören, zu schreiben. Tu ich aber nicht. Denn bei der Recherche zum Dualen System Deutschland stieß ich auf Folgendes: Mit der Zeit traten weitere privatwirtschaftliche Entsorgungssysteme auf den Abfallwirtschaftsmarkt. Heute tummeln sich dort insgesamt zehn davon. So weit so gut. Doch Achtung!, jetzt wird’s verwirrend: Die DSD schreibt auf ihrer Internetseite sogar, dass in Deutschland zehn Duale Systeme zugelassen seien, „die gemeinsam die Gelben Tonnen und Säcke sowie die Altglascontainer zur Sammlung der gebrauchten Verkaufsverpackungen nutzen“. Häh? Jedes privatwirtschaftliche Unternehmen, Verbund wie die DSD oder nicht, ist jetzt ein eigenständiges Duales System? Wo ist denn da bitteschön die Zweisamkeit? Ich hatte das so verstanden, dass die öffentlich-rechtliche und die privatwirtschaftliche Ebene als Duo nebeneinander existieren …
Wertstoffsystem statt Verpackungsrücknahmesystem!
Man mag mir angesichts dieser Ausführungen nun gerne Erbsenzählerei unterstellen – aber in solchen Dingen bin ich tatsächlich kleinlich. Politik ist immer auch (Politische) Sprache – und relevante Begrifflichkeiten müssen nun mal eindeutig definiert werden. Meine Meinung. Schließlich soll auch der Verbraucher und Wähler verstehen, worum es beispielsweise der (Abfall)Wirtschaft geht. Transparente und einfache Systeme mit klaren Bezeichnungen, das will ich. Gewollt oder ungewollt (ist genauso schlimm, weil inkompetent) verwirrende Wortspielereien und Schlimmeres, davon habe ich genug. Ich finde deshalb, es ist an der Zeit, sich vom „Dualen System“ buchstäblich zu verabschieden. Man könnte daraus ja ein dekadisches oder Dezimalsystem machen … Ach nein, das gibt’s ja schon! Dann eben ein wertstoffschätzendes System (WSSS). Mit umfassendem Wertstoffgesetz (WertstG) – und nicht nur einer Verpackungsverordnung.
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3 Kommentare
Liebe Doreen,
zunächst einmal Danke für Deinen Artikel und das Bemühen, Licht in die dunklen Wirren der VerpackV und des Dualen Systems zu bringen.
Ich wollte zur Klarstellung noch ergänzen: Man kann das Duale System auch weiterhin als solches, zweigeteiltes System begreifen: Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (= i.d.R. Landkreise und kreisfreie Städte) auf der einen und die Systembetreiber auf der anderen Seite, die allerdings seit der Wettbewerbsöffnung der VerpackV durch deren Novelle im Jahre 1998 eben nicht mehr nur – die mittlerweile Holding – Der Grüne Punkt, sondern eben auch andere, u.a. Interseroh SE, Landbell AG, Bellandvision GmbH etc. ausmachen. An sich ist dieses System als noch zweigeteilt und weiterhin dual. Die wenigsten Verbaucher wissen allerdings, dass es neben deem grünen Punkt überhaupt noch andere Systembetreiber gibt. Für mich wird hier ein ganz großes Transparenz- und Informationsdefizit deutlich.
Und darüber hinaus: Ob das Duale System insgesamt noch eine Existenzberechtigung hat, ist eine ganz andere Frage. Wenn man bedenkt, dass man dieses System mit jeder Verkaufsverpackung mitfinanziert und dieses System mittlerweile jährliche Kosten in Höhe von ca. 120 Mio. € nur dafür aufweist, dass es existiert (~940 Mio. € Lizenzumsätze bei ~820 Mio. € operative Entsorgungskosten im Jahre 2011), kann man da schon so seine Zweifel haben.
Beste Grüße!
Liebe Kim Corinna,
danke für Deine richtige und wichtige Ergänzung. Du sprichst einen (grünen) Punkt an, der auch mir am Herzen liegt: die Information darüber, dass der GRÜNE PUNKT als Unternehmen längst ein Systemanbieter von vielen ist – eine Info, die in all ihrer wirtschaftlichen Bedeutung tatsächlich noch nicht bei allen Verbrauchern angekommen zu sein scheint. Ich blogge hier unter anderem auch deshalb, weil solche Infos an die Verbraucher herangetragen werden müssen. In diesem Sinn – beste Grüße!
Hallo,
vielen Dank für die ausführliche Beschreibung. Was mir am System noch unklar ist, ist folgendes. Es gibt nun 10 Betreiber, die also nun Verpackungen mit und ohne Grünen Punkt drauf je nach Marktanteil verwalten.
Jetzt kauft aber Herr Müller einen Joghurtbecher von Müller, die bspw. Lizenzgebühren an DSD für den Grünen Punkt drauf zahlen. Herr Schmidt kauft einen Saft von Innocent, die ggf. eine Lizenzvereinbarung mit Landbell haben.
Beides landet nun in der Müllsortieranlage in Düsseldorf. Wer bezahlt denn jetzt die Unternehmen, die die Müllabfuhr, -sortierung und -verwertung dieser zwei Artikel übernehmen? DSD oder Landbell? Oder gibt es noch einen „Poolingschritt“ zwischendrin der überregionales klärt?
Und wie kommt zu den beiden Firmen wieder die Information über die Menge der wirklich recycelten Stoffe für den Mengenstromnachweis?
LG,
Dennis