Wertstoffgesetz: Der Zwischenstand im politischen Prozess

1. Der Entwurf für ein Wertstoffgesetz liegt vor
Am 21. Oktober 2015 legte das Bundesumweltministerium (BMUB) seinen Entwurf für ein neues Wertstoffgesetz vor. Die Bundesministerin für Umwelt, Barbara Hendricks (SPD) zeigte sich überzeugt, dass es durch das Gesetz möglich werde, pro Jahr und Kopf künftig fünf Kilogramm Wertstoffe zusätzlich zu recyceln. Um das zu bewerkstelligen, soll die Produktverantwortung der Hersteller ausgeweitet werden. Sie soll nicht mehr bloß für Verpackungen gelten, sondern auch für stoffgleiche Nichtverpackungen. Das heißt: Neben Milchtüten und Joghurtbechern, dürften künftig auch Kleiderbügel und Gummienten in den gelben Säcken oder Tonnen entsorgt werden. Dadurch sollen mehr Wertstoffe dem Recycling zugeführt werden. Die Organisation der Sammlung und Verwertung der Wertstoffe würden, wie bisher schon, die dualen Systeme übernehmen. Das entspricht einer klaren Aufwertung der dualen Systeme.
Den Kommunen hingegen wird im Entwurf geradezu „Honig ums Maul“ geschmiert. Es heißt, ihre Rolle solle gestärkt werden. Tatsächlich aber sollen sie vor allem darüber entscheiden dürfen, ob die Wertstoffe in Säcken oder in Tonnen gesammelt werden, und wann und wie oft sie abgeholt werden. Die Kommunen sollen nicht einmal Kontrollfunktion ausüben. Denn dafür ist die Zentrale Stelle vorgesehen, welche die Hersteller einrichten.
Seither fallen die Wortmeldungen beteiligter Akteure sehr unterschiedlich aus. Vertreter von Industrie und Handel loben den Entwurf. Grüne, NGOs, Umweltverbände und Kommunen kritisieren ihn zum Teil aufs Schärfste. Trotz aller Kritik schien es klar, dass dieses Wertstoffgesetz im Bundestag Zustimmung findet. Wir sprechen hier schließlich von einem Regierungsentwurf, und die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD haben im Bundestag eine klare Mehrheit.
2. Der Bundesrat muckt auf
So richtig Bewegung kam in der Debatte erst auf, als die fünf Bundesländer, in denen die Grünen mitregieren, im Bundesrat einen Antrag für ein Wertstoffgesetz gestellt haben, das den Kommunen die Organisation vom Sammeln und Recyceln der Wertstoffe überträgt. Die fünf Bundesländer sind: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein.
Und tatsächlich: Ende Januar fand der Antrag im Bundesrat eine Mehrheit. Die Reaktionen darauf fallen gemischt aus. DSD-Chef Michael Wiener meint etwa: „Mit seinen Maximalforderungen schmälert der Bundesrat die Chancen auf einen Kompromiss und die Verabschiedung eines Wertstoffgesetzes.“ Der grüne Bundestagsabgeordnete Peter Meiwald hofft hingegen: „Die weitere Privatisierung der Abfallentsorgung ist damit hoffentlich vom Tisch.“ Grundsätzlich enttäuscht über die Debatte ist ausgerechnet der Verfasser des Gesetzesentwurfs selbst – und zwar das Umweltministerium. „Es ist schade, dass es in der Debatte jetzt nur noch darum geht, wer die Wertstoffe einsammeln und verwerten darf. Das ist ein Streit zwischen Lobbyisten“, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
3. Kommunen gegen die Dualen Systeme
Bei der Frage, ob Kommunen oder die dualen Systeme für die Organisation der Abfallentsorgung und des Recyclings besser geeignet sind, gehen die Meinungen bzw. Interessenlagen stark auseinander. Und mehr als Meinungen und Interessenlagen sind es nicht. Beide Seiten – Kommunen und Private – tun sich schwer, deutlich zu machen, warum sie das Wertstoffrecycling besser zustande bringen als die jeweils andere Seite. So ist sich zum Beispiel DSD-Chef Michael Wiener völlig sicher, es werde „zu erheblich höheren Kosten für alle kommen und es wird weniger Recycling geben“, sollten sich die Kommunen mit ihrem Vorschlag durchsetzen.
Außerdem herrscht die Angst, die Kommunen könnten ihre eigenen kommunalen Unternehmen mit der Abholung der Wertstoffe beauftragen, ohne den Auftrag zuvor öffentlich auszuschreiben. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse), Eric Rehbock sieht deshalb Tausende Arbeitsplätze gefährdet.
Die Kommunen hingegen werfen den dualen Systemen vor, nicht effizient genug gearbeitet zu haben. Das System stand oftmals vor seinem wirtschaftlichen Ende und bedurfte immer wieder Finanzspritzen, um erhalten zu bleiben. Die Kommunen könnten mehr recyceln und das für den Verbraucher billiger. Unterstützung für ihre Forderungen erhalten die Kommunen sogar von einem CDU-Abgeordneten des Bundestags. „Wir müssen unsere Kommunen weiter stärken. Die Zuständigkeit für die Erfassung und Sammlung von Wertstoffen und Verpackungen ist zurück in die Kommunale Selbstverwaltung im Sinne einer Gewährleistungspflicht zu übertragen“, so Reinhold Sendker.
Ist ein Kompromiss möglich?
Die Fronten scheinen verhärtet. Und dennoch: Die meisten Akteure drängen auf einen Kompromiss. Aber darüber, wie ein Kompromiss in der Frage „Kommunen oder Private“ aussehen könnte, ist bisher kaum Substanzielles erkennbar. Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen, Andreas Schwenter meint sogar: „In der Systemfrage – privatwirtschaftlich oder staatlich – kann es keinen Kompromiss geben.“
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Quellen:
http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Abfallwirtschaft/wertstoffg_entwurf_bf.pdf
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