Was kann ein Wertstoffgesetz für die Akzeptanz von Recyclingrohstoffen tun?

Gepostet von am 19. Nov 2015

Was kann ein Wertstoffgesetz für die Akzeptanz von Recyclingrohstoffen tun?

­­­In meinen jüngsten Posts zu Recyclingrohstoffen, festgemacht an den Beispielen Recyclingpapier und Recyclingbaustoffe, habe ich geschildert, woran es uns mangelt: an der Akzeptanz derselben. Die Frage, die ich heute zu beantworten versuche, ist: Was kann man dafür tun, dass wir Recyclingrohstoffe mehr als derzeit wertschätzen? Ganz konkret geht es mir um die Rolle eines Wertstoffgesetzes dabei.

Ich muss zugeben, ich habe noch kein Haus gebaut und habe das auch nicht vor. Wäre das anders, bestünde theoretisch die Möglichkeit, zum Bau meines Hauses auch auf Bauteile zurückzugreifen, die anderswo schon mal verbaut worden waren. Sogenannte Second-Hand-Bauteile. Auch Recyclingbauteile genannt.

Bauen mit gebrauchten Bauteilen

Es gäbe beispielsweise die Möglichkeit, sich auf lokalen Bauteilbörsen nach geeignetem Material umzuschauen. Das bauteilnetz Deutschland beispielsweise ist ein bundesweites Kooperationsprojekt, das zum einen die Wiederverwendung gut erhaltener Bauteile und zum anderen das demontierbare Planen und Bauen fördert. Allein in der Rubrik Türen/Tore sind auf der Online-Plattform derzeit fast 2.000 Bauteile zu sehen. Dort könnte ich für mein Haus shoppen. Vorausgesetzt, mein Baupartner, also der Bauträger, Generalübernehmer oder Architekt, spielt mit. Das Sammeln passender Recyclingbauteile bedeutet sicher einen Mehraufwand, zumindest einen zeitlichen, aber womöglich würde mir das Materialkosten sparen.

Doch wie gesagt, ich baue kein Haus. Ich kenne jedoch eine ganze Menge Leute, die das hinter sich oder vor sich haben und auch solche, die gerade dabei sind. Meines Wissens holte sich keiner von denen Recyclingbauteile. Woran das wohl liegt?

Unser Wertesystem bevorzugt Neues

Ich glaube die Ursache für unsere fehlende Akzeptanz gegenüber allem, was recycelt ist, aus zweiter und dritter und vierter Hand stammt, gebraucht ist, ist eine viel tiefer in unserem Wertesystem verankerte Abneigung, als es auf den ersten Blick scheint. Ohne Psychologie oder Philosophie studiert zu haben, weiß ich aus eigenem Erleben, dass viele von uns Gebrauchtem eher abschätzend begegnen. Ich nehme mich davon nicht aus, gleichwohl ich als Familienmutter von vier Kindern häufig auf Flohmärkten (schon der Name impliziert Abwertung, da ich sonst die Waren in Secondhand-Shops einkaufe: vor allem Kinderkleidung, Bücher). Als Antiquitätenliebhaberin stehe ich auf alte Möbel. Doch für viele von uns muss alles am besten immer neu sein. Erst recht, wenn’s um die eigenen vier Wände geht. Die baut man sich ja nur einmal – und da ist oft nur das Neuste vom Neusten gut genug.

Neu wird von uns oft mit gut und besser verknüpft, gebraucht mit schlecht und schlechter. Wer will, kann das Wertesystem jetzt durchforsten und kommt womöglich auf dessen Wurzeln, die im Lauf der Jahrhunderte kulturell und religiös stark beeinflusst worden sind. Ich will gar nicht so weit gehen, glaube aber schon, dass auch die fehlende Akzeptanz gegenüber Recyclingprodukten etwas mit Gut und Böse, Licht und Schatten, weiß und schwarz, sauber und schmutzig zu tun hat. Werte, die uns prägen. Wer mehr Akzeptanz für Recyclingrohstoffe will, muss meiner Meinung nach genau am Wertesystem ansetzen. Wertschätzung muss neu gewichtet werden. Das ist ein langer Weg, der Zeit braucht. Zeit, die wir leider nicht mehr haben. Klimawandel und Ressourcenraubbau schreiten jeden Tag voran.

Verordnete Akzeptanz

Und deshalb kann man für eine Akzeptanz von Recyclingrohstoffen nicht nur auf natürlich wachsende Wertschätzung setzen. Ich denke, es braucht auch ein gewisses Maß an verordneter Akzeptanz. Bei Recyclingpapier funktioniert das teilweise schon: In deutschen Behörden & Co. gibt’s kaum was anderes. Ein neues Wertstoffgesetz könnte dabei helfen, die fehlende Akzeptanz zu verordnen. Das wäre ein zugegeben großer regulierender Eingriff in die bisher freie Produktwahl, die wir Verbraucher so schätzen. Aber mal ehrlich, wäre es ein großes Problem, wenn ein Recyclingrohstoffe schätzendes Wertstoffgesetz verordnen würde, dass wir alle unseren Allerwertesten nur noch mit recyceltem Papier wischen würden? Für mich nicht. Für die Papierindustrie wohl eher.

Ein neues Wertstoffgesetz könnte uns vorschreiben, dass Recyclingrohstoffe grundsätzlich bevorzugt einzusetzen sind. Überall. Punkt. Denn die Aufgabe eines Gesetzes ist es, unser aller Verhalten zu regeln. Im Straßenverkehr klappt das schließlich auch. Ein Wertstoffgesetz könnte festlegen, dass nur noch Hygienepapiere in Recyclingqualität im Handel wären. Es gäbe dann selbstverständlich auch Instrumente, um zu ahnden, wenn dem Gesetz zuwider gehandelt werden würde. Ich ließe mir das gerne vorschreiben. Und Ihr?

Was uns laut Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz tatsächlich verordnet werden soll

Doch halt, wir leben nicht im rechtsleeren Raum! Unser Umgang mit Recyclingrohstoffen ist geregelt. Und das Bundesumweltministerium hat im Oktober seinen Arbeitsentwurf für ein Wertstoffgesetz vorgelegt. Schauen wir doch mal rein, welche Regeln bezüglich der Recyclingrohstoffe das Papier enthält.

In Paragraf 17 „Anforderungen an die Verwertung“ heißt es unter anderem:

(1) Die nach § 15 erfassten wertstoffhaltigen Abfälle sind nach Maßgabe des § 8 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vorrangig einer Vorbereitung zur Wiederverwendung oder dem Recycling zuzuführen. Soweit die Abfälle nach Satz 1 nicht verwertet werden, sind diese dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach Maßgabe des § 17 Absatz 1 Satz 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu überlassen.

(2) Systeme sind verpflichtet, im Jahresmittel mindestens folgende Anteile der bei ihnen beteiligten Erzeugnisse der Vorbereitung zu Wiederverwendung oder dem Recycling zuzuführen:

  1. 90 Masseprozent bei Glas,
  2. 90 Masseprozent bei Papier,
  3. 90 Masseprozent bei Eisenmetallen,
  4. 90 Masseprozent bei Aluminium,
  5. 80 Masseprozent bei Getränkekartonverpackungen,
  6. 80 Masseprozent bei sonstigen Verbunden (ohne Getränkekartonverpackungen).

Das liest sich doch ganz gut: Mindestens neun Zehntel muss der Anteil an Glas, Papier, Eisenmetallen, Alu & Co. an der Verwertungsquote betragen. Lesen wir noch Paragraf 15 „Pflichten der Systeme zur Sammlung und Verwertung“ bevor wir und zu früh freuen! Dort heißt es:

(2) Systeme sind verpflichtet mit einer einheitlichen Wertstoffsammlung in jedem Bundesland im Jahresmittel eine Bruttosammelmasse von mindestens

  1. 25 Kilogramm je Einwohner ab dem Inkrafttreten des Gesetzes und
  2. 30 Kilogramm je Einwohner ab dem 1. Januar 2020 zu erreichen.

Ich frage mich nach der Lektüre, was geschieht, wenn diese Quoten, die im Übrigen nicht allzu sehr über den bereits heute erreichten liegen, tatsächlich erreicht werden. Bleibt es dann bei einem „Soll erfüllt“ und der Rest an verwertbarem Abfall bleibt unbeachtet beziehungsweise ungenutzt? Ich frage mich zudem, was es nützt (oder wem), wenn die Quoten nicht ehrgeizig gewählt werden . . .

 

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