Wertstoffgesetz – Die Player haben Stellung bezogen

Politiker, Parteien, Verbände, Kommunen, Länder, NGOs, Unternehmen, . . . Die Diskussion ums neue Wertstoffgesetz hat viele Teilnehmer. Das wundert nicht. Es geht um Einfluss, Geld, Pflichten, Ressourceneffizienz, und nicht zuletzt: um die Umwelt.
Bundesumweltministerium
Am 21. Oktober hat das Bundesumweltministerium (BMUB) seinen Entwurf für ein neues Wertstoffgesetz vorgelegt. Die Bundesministerin für Umwelt, Barbara Hendricks (SPD), ist überzeugt, mit dem neuen Gesetz zusätzlich pro Jahr und Kopf fünf Kilogramm Wertstoffe recyceln zu können. Die Produktverantwortung der Hersteller würde ausgeweitet. Sie soll nicht mehr bloß für Verpackungen gelten. Gesammelt und verwertet würden die Wertstoffe wie bisher durch die dualen Systeme.
Politiker und Parteien
Die ersten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Rasch kam jene vom Bundestagsabgeordneten Michael Thews (SPD). Und dieser übte Kritik am Entwurf, den seine Parteifreundin vorgestellt hat. Zu beschränkt seien die Rechte der Kommunen. Laut dem Entwurf dürfen sie entscheiden, ob die Wertstoffe in Tonnen oder Säcken gesammelt und wann sie abgeholt werden. Zu wenig, findet Thews. Er reklamiert: „Ohne eine echte Mitbestimmung der Kommunen an der Sammlungsgestaltung wird es die notwendige Verbesserung der Verbraucherfreundlichkeit kaum geben.“
Bundestagsabgeordneter Peter Maiwald (Grüne) ist noch strenger: „Wir halten den Entwurf für einen Fehler.“ Wie seine Partei fordert er, die Kommunen sollten für die Erfassung der Wertstoffe verantwortlich sein. Der vorgelegte Entwurf würde die dualen Systeme künstlich am Leben erhalten und garantiere „More of the same“ eines gescheiterten Systems. Genauso sehen das die acht grünen Umweltminister der Länder Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die Schwächen des Systems würden weiter ausgebaut. Für eine Abschaffung der dualen Systeme spricht sich auch der Bundestagsabgeordnete Ralph Lenkert (Linke) aus.
Verbände von Handel und Industrie
Völlig anders sieht das erwartungsgemäß der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser-, und Rohstoffwirtschaft (BDE). Mehr Einfluss der Kommunen wäre wirtschaftsfeindlich und würde die erfolgreiche Umsetzung der Produktverantwortung gefährden. Auch der Deutsche Industrieverband (BDI) ist gegen eine Kommunalisierung.
Begeistert vom Plan, eine „zentrale Stelle“ einzurichten zeigen sich die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK), Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), der Handelsverband Deutschland (HDE) sowie der Markenverband. Am Erstentwurf des Wertstoffgesetzes haben sie wenig auszusetzen. Die Produktverantwortung und der Wettbewerb durch private Unternehmen würden nämlich jeweils gestärkt. Zusammen haben sie im Sommer die „BHIM Zentrale Wertstoffstelle Projektgesellschaft mbH“ gegründet. Wie diese Verbände zum Thema Kommunalisierung stehen, machen die Worte von Marion Sollbach, der Vorsitzenden der „zentralen Wertstoffstelle“ deutlich: „Wir müssen alles daran setzen, die privatwirtschaftliche Organisation der Wertstofferfassung und -verwertung zu erhalten und weiterzuentwickeln.“
Verbände der Kommunen
Die Verbände von Handel und Industrie sind sich einig. Doch sie sind nicht die einzigen Verbände. Die kommunalen Spitzenverbände und der Verband Kommunaler Unternehmer (VKU) üben harsche Kritik am Entwurf für das neue Wertstoffgesetz. Ein ineffizientes System mit mageren Recyclingquoten würde gefördert. Vor allem, dass Sammlung, Sortierung und Verwertung von Wertstoffen zur Gänze den dualen Systemen überlassen wird, stößt sauer auf. Lieber hätte man die Kommunen mit der Erfassung der Wertstoffe betraut. Genauso wie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di): „Das neue Wertstoffgesetz muss die Rechte der öffentlichen Betreiber stärken und die Daseinsvorsorge garantieren.“
Andere Verbände
Etwas diplomatischer tritt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) an das Thema heran. Ob Kommunen oder Private für die Entsorgung zuständig sein sollen, verrät der vzbv nicht. Er fordert aber, den Streit rasch beizulegen sowie die bundesweite Einführung einer Wertstofftonne. Eine ausgesprochen interessante Position vertritt die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV). Diese hält ein Wertstoffgesetz gar nicht für erforderlich.
NGOs – Nichtregierungsorganisationen
Wie aufeinander abgestimmt lesen sich die Reaktionen der NGOs. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), NABU und Initiative Mehrweg kritisieren die geplante „zentrale Stelle“. Handel und Hersteller würden nach derzeitigem Entwurf nämlich acht Vertreter im Gremium stellen – Bund, Länder und Kommunen aber nur fünf. Außerdem ignoriere das Wertstoffgesetz einen Punkt vollkommen: Die Abfallvermeidung.
Entsorgungs- und Recyclingunternehmen
Klar und deutlich sind auch die Entsorgungs- und Recyclingunternehmen REMONDIS und ALBA mit Blick auf den Gesetzesentwurf der Regierung. „Ein Gesetz für die Tonne“ schreiben sie sinnbildlich in einer gemeinsamen Stellungnahme. Es gäbe weder Anreize für eine Weiterentwicklung der Recyclingtechnik, noch für neue Arbeitsplätze oder weniger Müllverbrennung. Die Recyclingquoten würden minimal steigen, die Kosten für die Verbraucher aber signifikant. Die Abfallvermeidung und der Umweltschutz kämen zu kurz und die kommunalen Entsorgungsträger würden bevorteilt.
Deutlich positiver sehen das Duale System Deutschland (DSD) und die Reclay Group den Entwurf für ein neues Wertstoffgesetz. Die Kommunen würden gestärkt, aber im Kern bleibe das System privatwirtschaftlich organisiert.
Kommunal oder Privat – Wo bleibt die Umwelt?!
Diese Frage wirkt wie der größte Zankapfel in der Diskussion um ein neues Wertstoffgesetz. Und das ist schade. Denn Auswirkungen für die Umwelt und das Recycling geraten dadurch ins Hintertreffen. Die Fronten sind hier klar. Die einen wollen die Kommunen mit der Sammelverantwortung betrauen, die anderen die privaten dualen Systeme. Die einen wollen den Wettbewerb der dualen Systeme stärken, die anderen wollen diese gar abschaffen. Der Versuch eines Kompromisses stellt kaum jemanden zufrieden.
Es sind vor allem Grüne, NGOs und mit REMONDIS und ALBA zwei große Entsorgungs- und Recyclingunternehmen, die kritisieren, dass der Gesetzesentwurf nicht auf die Abfallvermeidung und den Umweltschutz eingeht. Abfälle und Produkte zu vermeiden, sei laut dem Entwurf kein verbindliches Ziel.
Die Verbände von Handel und Industrie beurteilen den Entwurf zum Wertstoffgesetz wiederum völlig anders. Sie legen ihren Fokus klar auf die „zentrale Stelle“, deren Einführung sie begrüßen. Sie versprechen sich dadurch mehr Einfluss. Dagegen laufen die NGOs Sturm. Die Kontrolle müsse eine staatliche sein. „Eine Selbstkontrolle durch den Handel und Verpackungshersteller kann nicht funktionieren.“
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Quellen:
http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Abfallwirtschaft/wertstoffg_entwurf_bf.pdf
http://bde.world/presse/newsletter-archiv/showNL?nl=93
http://www.markenverband.de/presse/pm2014/pm31082015projektgmbhgegruendet
http://www.vku.de/presse/pressemitteilungen-liste/liste-pressemitteilung/pressemitteilung-9015.html
https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++e5fdbef8-7bf2-11e5-a839-52540059119e
http://www.vzbv.de/pressemitteilung/endlich-flaechendeckende-wertstofftonne
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=3651
https://www.nabu.de/news/2015/10/19743.html
https://www.alba.info/uploads/media/15-10-20_Gemeinsame_Stellungnahme_REMONDIS_ALBA.PDF
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