Arbeitsentwurf Wertstoffgesetz: Was mir die vielstimmige Diskussion des bringt … und was nicht

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) hat soeben seinen Arbeitsentwurf für ein Wertstoffgesetz vorgelegt. Dass der Entwurf sehr kontrovers diskutiert werden würde, hatte ich erwartet. Dass sich so schnell so viele Stimmen in die Diskussion um die vorgeschlagenen Gesetzesparagrafen einbringen würden, hat mich überrascht. Doch die in jeder Hinsicht vielstimmige Kontroverse kann mir als Verbraucher nur recht sein, hilft sie mir doch, den Arbeitsentwurf zu verstehen und einzuordnen. Und mir meine eigene Meinung zu bilden.
Wer sich noch nicht mit der Materie Wertstoffgesetz befasst hat, der wird die Wellen, die die Auseinandersetzung mit dem vom Bundesumweltministerium vorgelegten Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz gerade schlägt, kaum als bemerkenswert ansehen. Ich wage sogar zu behaupten, dass ein Großteil der Verbraucher nicht einmal wahrnimmt, dass mit der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs ein wichtiger Schritt getätigt wurde, um unseren künftigen Umgang mit Abfall und Wertstoffen gesetzlich zu regeln. Und das meine ich nicht einmal vorwurfsvoll, denn es gibt ja genug andere Themen, mit denen wir Verbraucher uns tagtäglich beschäftigen müssen, als den Gelben Sack und die Wertstofftonne.
Ein weiterer Schritt in Richtung Wertstoffgesetz:
der Arbeitsentwurf
Wichtig ist der Arbeitsentwurf insofern, als dass er ein Wertstoffgesetz auf den Weg bringt, dass unser Deutschland bitter nötig hat. Denn auch wenn sich unser Land im internationalen Vergleich zwar einerseits als besonders abfalltrennungsfreudig positioniert hat und wir jede Menge moderne Recyclingtechnik in die Welt exportieren, sind wir doch andererseits auch einer der großen Abfallproduzenten. Anders ausgedrückt: Wir machen einen der größten Müllhaufen dieser Welt und kümmern uns um Teile der Wertstoffe darin vorbildlich – wohlbemerkt: um Teile davon.
Was der Verbraucher von der Kontroverse
um den Arbeitsentwurf hat
Ein Einmischen in die Diskussion um den Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz, den man übrigens hier als PDF downloaden kann, heißt, dass man sich 33 Seiten trockene Paragrafen im typisch juristischen Fachjargon durchlesen muss. Ich bin froh, dass das offensichtlich eine ganze Reihe Journalisten, Vereine und Verbände sowie Politiker nicht abhält, sich mit dem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen. Die haben teilweise eine ausgewiesene Expertise dafür. Und das ist wieder einer der Momente, in denen ich froh bin, in einer Demokratie zu leben, in der jeder seine Meinung kundtun darf, ohne gleich befürchten zu müssen, dafür hinter Gitter zu kommen. Denn die von den Medien verbreiteten und/oder kommentierten Stimmen der Deutschen Umwelthilfe, des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), des Dualen Systems Deutschland (DSD) und des bvse-Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (um nur einige zu nennen) zum Arbeitsentwurf gewähren mir die große Freiheit, mir selbst eine Meinung zu bilden. Gleichwohl ich manches zum Thema nicht weiß, als Otto Normalverbraucher auch nicht wissen kann. Und deshalb freue ich mich über die kontroverse Diskussion sehr.
Meinungsbildung dank vieler Meinungen
Und damit sind wir mittendrin und schon dabei: Lasst uns doch mal schauen, was man landauf landab von diesem Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz hält. Wichtig ist mir bei der Umschau nach Meinungen mithilfe der Internetsuchmaschine „Google“, im Hinterkopf zwischen Meinungsinhabern und Meinungstransporteuren zu unterscheiden, wobei beide sehr wohl Meinungsmacher sein können, aber das nur nebenbei. Und, um das auch schon vorweg zu klären: Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, würde ich alle Stimmen hier berücksichtigen wollen, die dazu zu hören wären.
Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert laut finanzen.net, dass „im aktuellen Arbeitsentwurf jedoch ehrgeizige Sammelziele sowie Strategien, um Abfälle zu vermeiden und Mehrweg zu fördern“, fehlten.
Ich lass das jetzt mal unkommentiert stehen, gleichwohl sich mir Fragen wie diese nahezu aufdrängen:
- Warum enthält ein wegweisendes Wertstoffgesetz Sammelziele, die leicht zu erreichen sind?
- Wäre es nicht sinnvoller, die Ziele von Beginn an hoch zu setzen?
- Wem dienen unehrgeizige Sammelziele? Und warum fehlen Strategien, wie man Abfall vermeidet?
- Sollte man nicht dort ansetzen, wo die Ursache für Abfall liegt?
Genau das fragen auch die beiden Bundestagsabgeordneten der Grünen, Britta Haßelmann und Peter Meiwald, die von der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) bezüglich einer Abfallvermeidungsstrategie so zitiert werden: „Hier liefert der Entwurf keine Lösung.“ Beide Politiker schätzen zudem hinsichtlich der Verteilung der Aufgaben der Abfallverwertung zwischen Kommunen und den Betreiberfirmen des Dualen Systems ein, dass der Gesetzesentwurf ein bereits aufgeblähtes System weiter verkompliziere und für ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit sorge.
Wenn ich das lese, kann ich mir den Kommentar nicht verkneifen: Gesetze sollen unser Leben erleichtern, nicht schwerer machen! Und ganz abgesehen davon: Ein Gesetz, das für jede Menge Rechtsunsicherheit sorgt – wer bitteschön braucht das?
Der Bundestagsabgeordnete der SPD und abfallpolitische Sprecher der Fraktion, Michael Thews, ist laut „Wertstoffgesetz-Fakten.de“ mit dem Arbeitsentwurf für das Wertstoffgesetz nicht zufrieden. In seiner Stellungnahme dazu schreibt er demnach: „Inhaltlich bin ich mit dem Entwurf allerdings bei Weitem nicht in allen Punkten einverstanden. Die zugesicherte Stärkung der kommunalen Steuerungsmöglichkeiten sehe ich im Moment nicht. Die Rechte der Kommunen sind nicht konkret genug formuliert, teilweise zu stark beschränkt, insbesondere erscheinen sie mir in Teilbereichen nicht durchsetzungsstark ausgestaltet.“
Im bereits erwähnten Artikel der MZ kommt auch Katherina Reiche zu Wort. Sie ist Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen, der laut EUWID die Rücknahme des Arbeitsentwurfs fordere, „mit dem das BMUB in allen zwischen Kommunen und Systembetreibern strittigen Rechtsfragen der Position der dualen Systeme“ folge. Reiche sagte laut der MZ außerdem, dass der Gesetzentwurf ein System stärke, das intransparent und ineffizient sei und erinnerte daran, „dass das Sammeln des Grüne-Punkt-Mülls voriges Jahr kurz vor dem Kollaps stand. Es gab seinerzeit heftigen Streit unter den zehn Betreiberfirmen über die Verteilung der Kosten“, schreibt die MZ.
Martin Becker-Rethmann und Thomas Conzendorf, die Vorstände (das Thema ist hier ganz klar Chefsache) der beiden großen Entsorgungsfirmen Alba und REMONDIS zeigten laut der Welt kein Verständnis „für eine Gesetzesvorlage, die weit hinter den selbst gesteckten Zielen der Bundesregierung und hinter den Möglichkeiten der Branche zurückbleibe“. Und weiter zitiert die Zeitung aus dem gemeinsamen Papier der beiden Unternehmen, das demnach an viele Politiker versandt worden war: „Weder schafft die Vorlage Anreize für eine Weiterentwicklung der Recyclingtechnik noch für neue Arbeitsplätze oder weniger Müllverbrennung“.
Das gibt mir jetzt doch sehr zu denken. Die beiden genannten Unternehmen haben mir jede Menge Branchenkenntnisse voraus. Doch wenn selbst Insider wie sie kritisieren, dass das neue Wertstoffgesetz nicht motiviere, die Recyclingtechnik hierzulande weiter zu verbessern, dann heißt das doch, dass es eine Art Fortschrittsbremse ist, oder?
Ich meine, technischer Fortschritt ist doch allseits erwünscht … Und auch diese Frage will ich als Verbraucher beantwortet haben:
- Warum besteht das Gesetz offensichtlich so sehr auf der Müllverbrennung? Dabei gehen ja nun wahrlich jede Menge Wertstoffe in Rauch auf, der die Umwelt belastet.
- Und wenn selbst die Verwertungsunternehmen sagen, sie hätten weit mehr drauf, als das, worauf das Gesetz sie festnageln wolle, dann klingt das für mich als Verbraucher irgendwie nach Manipulation. Und die fürchte ich. Doch zurück zu weiteren Meinungen:
Laut EUWID sähe das Duale System Deutschland (DSD) den Arbeitsentwurf als einen Schritt in die richtige Richtung an. Michael Wiener, Chef der Duales System Holding, sprach demnach von einem „richtungsweisenden Entwurf“ und einem „sinnvollen Kompromiss“, der jetzt nicht durch „kleinliche Interessengegensätze“ zerredet werden dürfe.
Angesichts einer Branche, die Milliardenumsätze mit der Verwertung unseres Mülls macht, von kleinlichen Interessengegensätzen zu sprechen, erscheint mir an dieser Stelle fragwürdig. Kleingeld ist das Geld, das man mit unseren Wertstoffen erwirtschaftet, in meinen Augen nicht und das Interesse daran ist sicher auch nicht klein.
Der Einzelhandelsverband schätze den Arbeitsentwurf ähnlich ein: „Der aktuelle Arbeitsentwurf stellt die richtigen Weichen für die künftige Wertstoffentsorgung in Deutschland“, so zitiert EUWID den HDE-Geschäftsführer Kai Falk.
Ihr seht, nur wenige Stunden sind vergangen, nachdem der Entwurf zum Wertstoffgesetz aus dem Ministerium von Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks vorgelegt wurde – und schon gibt es jede Menge Meinungen dazu. Meine eigene muss ich mir nun selbst bilden. Sie ist wichtig. Jeden Tag. Zum Beispiel jedesmal, wenn ich meinen Abfall entsorge.
Mein Fazit: Das Papier ist, was es ist: ein sogenannter Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz. An dem offensichtlich noch jede Menge gearbeitet werden muss. Die wichtigste Frage, die mich angesichts der vielstimmigen Debatte bewegt, richte ich deshalb an die Verfasser des Papiers: Warum bleibt der Entwurf offenbar so weit hinter seinen Möglichkeiten zurück?
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