Duales System Deutschland: Clearingverträge – Die Krise 2014

Gepostet von am 10. Mai 2016

Duales System Deutschland: Clearingverträge – Die Krise 2014

„DSD kündigt Clearingverträge“, lautete eine Schlagzeile Ende Februar 2014. Dies war nur ein kleiner Akt und geschah rasch und schmerzlos. Die Folge: Das duale System schlitterte in eine Existenzkrise – wiedermal.

Was sind Clearingverträge?

Was sind das eigentlich für Verträge, die das Duale System Deutschland (DSD) so plötzlich kündigen wollte? Durch diese Verträge ist geregelt, wie hoch die Kosten der jeweiligen Systembetreiber für die Sammlung und Verwertung von Wertstoffen ist.

In der Praxis sieht das so aus: In einer gelben Tonne findet sich ein Joghurtbecher, eine Frischkäseverpackung und eine Zahnpastatube – alles von verschiedenen Herstellern. Und diese drei Hersteller haben Lizenzverträge mit drei verschiedenen Systembetreibern. Dieser Logik nach, wären nun drei Systembetreiber für die Leerung einer einzigen Tonne zuständig. Das wäre ökonomischer Schwachsinn.

Um so etwas zu verhindern, beauftragt nur ein Systembetreiber ein Müllunternehmen, das sich um die Sammlung der Wertstoffe kümmert. Die Kosten dafür, werden gemäß dem Marktanteil der dualen Systeme aufgeteilt. Und da kommen die Clearingstellen ins Spiel. An diese Stelle melden die Systembetreiber vierteljährlich ihre Planmengen an lizenzierten Verpackungen. Diese berechnet auf Grundlage der Planmengen aller dualen Systeme den jeweiligen Marktanteil. Und durch die Clearingverträge verpflichten sich die Systembetreiber, die errechneten Kosten zu zahlen.

Warum kündigte DSD die Clearingverträge?

Die kurze Antwort: Weil dem Unternehmen die Kosten zu hoch waren. Laut eigenen Angaben hatte DSD einige Kunden an andere Systembetreiber verloren. Der Logik nach hätte der Marktanteil also sinken müssen. Dem war laut Zahlen der Clearingstelle aber nicht so. Trotz sinkender Lizenzeinnahmen blieb der Marktanteil im 1. Quartal 2014 hoch, bei rund 50 Prozent. Prognostizierte Verluste im zweistelligen Millionenbereich waren der Grund, warum DSD die Clearingverträge kündigte und stattdessen mit Partnern aus Industrie und Handel eine neue Clearingstelle aufbauen wollte.

Der Grund für die Krise

Aber kann es sein, dass der Marktanteil, den die Clearingstelle errechnete, falsch war? Laut dem Oberlandesgericht Düsseldorf war alles in Ordnung. Aber eins war dennoch klar: Zwischen der Zahl der lizenzierten Verpackungen und der Zahl der tatsächlich gesammelten und verwerteten Verpackungen klaffte eine große Lücke. Das heißt: DSD und auch andere Systembetreiber erhielten von den Herstellern weniger Geld, mussten aber mehr ihrer Wertstoffe sammeln.

Aber wie konnte das sein? Der ehemalige DSD-Chef Stefan Schreiter fand damals harte Worte: Es gibt unter den dualen Systemen […] Anbieter, die kein Geschäftsmodell haben, sondern ein Betrugsmodell. Der Vorwurf lautete, dass es Systembetreiber gibt, die Verpackungen nicht ordnungsgemäß deklarieren. Sie geben an, Verpackungen per Eigenrücknahme oder Branchenlösung zu entsorgen – was im Grunde legitim gewesen wäre. Aber die als Eigenrücknahme und Branchenlösung deklarierten Mengen fließen nicht in die Errechnung des Marktanteils und damit der Kostenteilung ein – und das, auch wenn sie in den gelben Tonnen landen.

Und genau hier lag der Streitpunkt. Für den Verbraucher ist oft nur schwer ersichtlich, was in die gelbe Tonne darf und was nicht. Der Verbraucher ist ein kluger Mensch. Handelt es sich um eine Verpackung oder um ein Material das ident ist, mit dem einer Verpackung, wirft er es mit hoher Wahrscheinlichkeit in die gelbe Tonne. Das ist logisch. Das System hingegen war und ist in vielen Belangen unlogisch. Ein Joghurtbecher, für den der Hersteller Lizenzgebühren zahlt, darf in die gelbe Tonne, ein Becher, der offiziell per Branchenlösung entsorgt wird, nicht. Wird er doch in der gelben Tonne entsorgt, müssen die Systembetreiber für Sammlung und Verwertung zahlen, bekommen aber kein Geld dafür.

Ein unlogisches System

Das waren die logischen Auswüchse eines unlogischen Systems. Im Jahr 2014 war nur ein Drittel aller in den gelben Tonnen gesammelten Wertstoffe lizenziert. Und dieses Drittel finanzierte die Sammlung, Sortierung und Verwertung der gesamten Menge.

Um das duale System zu retten, wurde noch im Jahr 2014 eine Novelle der Verpackungsverordnung beschlossen, die Branchenlösungen und die Eigenrücknahme stark einschränkte. In Anbetracht dessen, bewältigte DSD seine Finanzierungslücke mit einem Spagat. Und für das Jahr 2015 wurden neue Clearingverträge unterzeichnet.

Und dennoch: Indem man ab und an einige Schrauben fester zieht, wird aus einem kränkelnden System kein funktionierendes. Die Krise 2014 hat die Schwächen des dualen Systems wiedermal eindrucksvoll offengelegt. Es mangelt an Transparenz, Fairness und Sinn. Wir warten aufs Wertstoffgesetz.

 

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Quellen:

http://www.jakob-becker.de/aktuelles/archiv/meldung/duale-systeme-in-der-krise-marktfuehrer-dsd-kuendigt-alle-clearingvertraege.html

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/der-gruene-punkt-das-grosse-zocken-um-die-gelbe-tonne-12828127.html

http://www.gruener-punkt.de/de/kommunikation/aktuelles/artikel/details/duale-systeme-einigen-sich-auf-neue-clearingvertraege.html

https://www.reclay-group.com/de/en/press/press-releases/dual-systems-create-long-term-basis-13-08-2014

http://www.welt.de/wirtschaft/article131041603/Aldi-amp-Co-kaempfen-um-die-Rettung-der-gelben-Tonne.html

http://www.welt.de/wirtschaft/article135116342/Der-Gruene-Punkt-sieht-das-Duale-System-in-Gefahr.html

http://handelsjournal.de/2015/03/16/umwelt-ressourcen/simoneschwan/ueberraschend-stabil/

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/04/2014-04-30-verpackungsordnung.html

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