Geschichte des Recycling, Teil V: Der Erste Weltkrieg

Gepostet von am 15. Juli 2016

Geschichte des Recycling, Teil V: Der Erste Weltkrieg

Auf unserer Zeitreise durch die Geschichte des Recyclings machen wir heute Halt in einem sehr düsteren Kapitel: die Jahre des Ersten Weltkrieges. Fast zehn Millionen Soldaten starben insgesamt in diesem Krieg, 20 Millionen wurden verwundet. Die Zahl ziviler Opfer schätzt man auf weitere sieben Millionen. Die Kriegsausgaben betrugen laut Wikipedia 956 Milliarden Goldmark, davon entfielen 194 Milliarden auf Deutschland. Ein wichtiger Rohstoff des Krieges ist Metall. Das wurde mit den Kriegsjahren hierzulande knapper, denn Deutschland, das bestimmte Rohstoffe importieren musste, kam an diese nun nicht mehr ran. Und so musste das Volk sein Metall spenden, das die Rüstungsindustrie recycelte.

Krieg verursacht Rohstoffknappheit

Waffen und Munition, Panzer, Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe und U-Boote sind großteils, die Ausrüstung zumindest teilweise aus Metall. Neben Eisen stecken in dem Kriegsgerät viele Buntmetalle wie Kupfer, Messing, Zinn und Zink. Rohstoffe, die Deutschland seit jeher importierte. Doch in den Kriegsjahren waren Handelsbeziehungen abgebrochen, Devisen fehlten, die man gebraucht hätte, um Rohstoffe aus dem Ausland zu bezahlen.

Die Metallspende der Deutschen . . .

Also besann man sich der „Rohstoffreserven“, die es im Inland gab und forderte das deutsche Volk auf, seine Schätze zu spenden, indem man an dessen Patriotismus appellierte. Unter dem Motto „Gold gab ich für Eisen“ wurde auf zunächst freiwilliger Basis Edelmetall gesammelt. Laut Wikipedia war diese Art von Rohstoffbeschaffung übrigens nicht nur eine deutsche Maßnahme, auch andere Staaten wie Österreich quetschten ihre Bürger derart aus.

. . . begann mit Schmuck, . . .

Anfangs, bis zum Kriegsjahr 1916, ging es hierzulande vor allem um Schmuck, der von der Rüstungsindustrie eingeschmolzen wurde. Wer seinen Schmuck spendete, bekam als Abgeltung einen eisernen Ring mit dem zitierten Motto als Inschrift. Ab 1916 folgte dann der Appell, auch Sammlermünzen wie historische Goldmünzen abzugeben. Und die noch geläufigen goldenen Kurantmünzen sollten in Banknoten getauscht werden. Das Gold sollte vor allem dazu dienen, Devisen zu bekommen, um den Krieg zu finanzieren. Von der Reichsbank gab’s ab 1916 für den Tausch von Schmuck oder Goldmünzen gegen schnell an Wert verlierendes Papiergeld eine Medaille. Die Medaillen hatte Hermann Hosaeus entworfen, sie wurden in großer Stückzahl gefertigt und bestanden aus geschwärztem Eisen. Ihre Maße: 39 bis 41 Millimeter Durchmesser, 16,4 bis 20,4 Gramm.

Von dem sozialen Druck, den die Spendenmaßnahme Gold gegen Eisen verursachte, zeugen Belege wie dieser: „Schon im Frieden war das (gemeint ist die Barzahlung – Anmerkung der Redaktion) bedenklich, heute ist es gefährlich. Jeder gute Deutsche würde sich schämen, noch Gold mit sich herumzutragen.“ Das „veraltete Zahlen mit Bargeld“ sei unpatriotisch, schrieb damals die Frankfurter Zeitung.

Historiker berichten darüber, dass Amtsträger wie Bürgermeister die Zeichen ihrer Würde aus Gold in eiserne Gegenstücke tauschten. So heißt es in der Geschichte der Magdeburger Amtskette: „Am 27. April 1917 wurden die Ketten gegen Empfang des Goldwertes an die Reichsbank gegeben. Dieser Tausch erfolgte übrigens während des ersten Weltkrieges im Rahmen der Aktion ‚Gold gab ich für Eisen‘. Als Ersatz sollten zwei ‚eiserne Ketten‘ im Wert von 1.100 Mark beschafft werden (vgl. DS Nr. 140 v. 27.04.1917, Akte A II A 84, Rep. 184 Bü 329). 1919 wurden die Goldketten von der Stadt wieder ausgelöst und auf Anordnung des damaligen Oberbürgermeisters Reimarus dem Museum übergeben. Die Angaben über den Verbleib sind strittig. Eine der eisernen Nachbildungen der Amtskette, die 1917 durch den Magdeburger Kunstschmied Laubisch gefertigt wurden, befindet sich im heutigen Kulturhistorischen Museum der Landeshauptstadt Magdeburg.“

. . . gefolgt von Hausgerät, . . .

Doch das bislang Gespendete reichte dem Monster Krieg nicht: Also nötigte man die deutsche Bevölkerung in reichsweiten Sammlungen, ihr Hausgerät aus Kupfer, Messing, Bronze und Zinn herauszurücken. Wer sein Metall abgab, bekam im Gegenzug dafür oft gusseiserne Mörser und Pfannen – versehen mit einer entsprechend patriotischen Widmung.

. . . Bierkrügen . . .

Am 5. Januar 1917 wurde eine Verordnung erlassen, die Gastwirtschaften wie private Haushalte aufforderte Zinnkrüge beziehungsweise die zinnernen Deckel samt Montur solcher Krüge abzuliefern. Aus dem süddeutschen Raum stammen Berichte über sukzessives Beschlagnahmen kupferner Sudpfannen in Brauereien.

. . . und Kirchenglocken

Im Verlaufe des Jahres 1917 begann man zudem, alle Kirchenglocken des Landes entsprechend ihres historischen Wertes zu kategorisieren. Vor allem junge Glocken mussten dran glauben: Zuerst wurden die aus dem 19. Jahrhundert eingeschmolzen, oft begleitet von den Zinnpfeifen der Kirchenorgeln.

Noch zu Anbruch des letzten Kriegsjahres, am Neujahrstag 1918, rief man die deutsche Zivilbevölkerung auf, Metalle und andere Werte zu spenden: „Ein neues Jahr in schwerer Zeiten Lauf! Deutschland braucht Gold! Besinnt Euch darauf! Für Gold den vollen Goldwert, für Juwelen den Auslandspreis. Bringt Gold und Juwelen den Goldankaufsstellen!“

Sammlung anderer Alt- und Rohstoffe

Metalle waren nicht die einzigen Rohstoffe, an denen es in den Kriegsjahren mangelte: Auch an Futter – aus Russland importierte Gerste – für die laut Angabe des Kaiserlichen Statistischen Amtes Anfang 1915 25 Millionen Schweine in Deutschland fehlte es. Daraus resultierte eine Massenschlachtung von fünf Millionen Schweinen im ersten Quartal 1915, die als „Schweinemord“ in die Geschichte einging. Eine Folge der Massenschlachtung war der Mangel an Fett. Also gründete man den Kriegsausschuss für Öle und Fette und organisierte das Sammeln von „Fett“ durch die Bevölkerung, insbesondere der Jugend, die sich via die Schulen zentral gut organisieren ließ. Als Fettquellen wurden Obstkerne, Bucheckern und ähnliche fettliefernde Früchte gesammelt. Als Tierfutter sammelte man Maikäfer, Wurzeln, Pilze und Beeren. Wer mehr dazu wissen möchte, liest hier weiter.

Deutsche Frauen als Initiatoren der Abfallverwertung

Ganz spannend an dieser Art der Abfallwiederverwertung: Laut Berichten seien es die Frauen gewesen, die „während des Ersten Weltkrieges – im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg (dazu in der übernächsten Folge dieser Artikelreihe mehr – Anmerkung der Redaktion) – nicht Handlanger staatlicher Politik gewesen seien, sondern zuerst selbst die Initiative ergriffen und die Organisation der Wiederverwertung übernommen hätten“. Heike Weber stellt hier am Beispiel des Nationalen Frauendienstes in Frankfurt am Main dar: „Zuerst hätten lokale Programme der Abfallentsorgung existiert, die sich in die Bereiche trockene Küchenabfälle, Eierschalen und Knochen unterteilen ließen. Die Reste seien zum einen für Viehfutter, zum anderen auch für die Herstellung von Düngemitteln wie Phosphor verwendet worden. Die staatliche Politik sei erst 1916 mit der Reichsgesellschaft für deutsches Milchkraftfutter in die Wiederverwertung der Abfälle eingestiegen.“

In der nächsten Folge dieser Reihe geht es um die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen. Bleibt uns treu!

 

Interessantes zum Weiterlesen:

Gold gab ich für Eisen

 

Weitere Artikel zur Geschichte des Recyclings:

GESCHICHTE DES RECYCLINGS IV: DAS FRÜHE 20. JAHRHUNDERT

DIE GESCHICHTE DES RECYCLING III – DIE INDUSTRIALISIERUNG

DIE GESCHICHTE DES RECYCLINGS II – DAS MITTELALTER

DIE GESCHICHTE DES RECYCLINGS I – DIE ANTIKE

 

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