Forschung & Entwicklung: Altpapier – Qualität jetzt praxisgerecht definierbar

Gepostet von am 19. Jan 2017

Forschung & Entwicklung: Altpapier – Qualität jetzt praxisgerecht definierbar

Neues Qualitätssicherungskonzept für Altpapier

Allein in Deutschland werden jährlich etwa 15 Millionen Tonnen Altpapier erfasst. Die Aufgabe von Hunderten von Recyclingbetrieben ist es, aus einem undefinierten Sammelgemisch mit Verschmutzungen und Störstoffen klar definierte Altpapierqualitäten herzustellen. Sie produzieren hochwertige Sekundärrohstoffe zum Einsatz in der Papierindustrie und vermarkten ihre Mengen in Abhängigkeit von der Lage an den Rohstoffmärkten ins In- und Ausland. Ein zentrales Anliegen der Sekundärrohstoffwirtschaft ist es, die Handelbarkeit der Sekundärrohstoffe durch akzeptierte Qualitätsstandards zu gewährleisten.

Überprüfbare Qualitätsnorm durch praxisgerechtes Prüfverfahren

Weil auch die Papierfabriken auf die ständige Verfügbarkeit der Recyclingmaterialien in hoher Qualität angewiesen sind, wurde mit der europäischen Norm EN 643 ein Standard zu den für die jeweiligen Altpapiertypen maximal zulässigen Störstoff- und Feuchtegehalte entwickelt. Die Norm ist allerdings nicht allgemeinverbindlich, sondern nur nach individueller Vereinbarung der Vertragspartner anzuwenden. Aus diesem Grund und aufgrund der sich in einigen Fällen ergebenden Abweichungen von in der Praxis tatsächlich gehandelten Qualitäten ist der Standard im täglichen Geschäft nicht vollständig umsetzbar.

Zudem kommt es bei der Einstufung von gehandelter Ware teilweise zu unterschiedlichen Einschätzungen der Qualität. Die Entwicklung allgemein anerkannter Mess- und Prüfverfahren ist daher von großer Bedeutung, denn die Überprüfung von Reklamationen und von beanstandeten Altpapierlieferungen erfolgt bisher nicht nach festgelegten Verfahren. Die Verbreitung der EN 643 kann daher nur gelingen, wenn es auch anerkannte und praxisgerechte Prüfverfahren gibt. Bei der Standardsetzung der Qualitäten kommt es somit darauf an, zuverlässige sowie zügig durchzuführende und gleichzeitig auch für kleinere und mittelgroße Betriebe wirtschaftlich anzuwendende Methoden zu entwickeln, mit denen eine kontinuierliche Qualitätssicherung effizient durchgeführt werden kann.

Qualitätssicherungskonzept für den Sekundärrohstoff Altpapier

Um einen solchen praxisgerechten Standard zu setzen, hat das Institut für Wasser – Ressourcen – Umwelt (IWARU) der FH Münster unter Leitung von Frau Prof. Dr. Sabine Flamme im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem BDE und dessen Arbeitskreis Papierrecycling ein Qualitätssicherungskonzept auf den Weg gebracht. In der Untersuchung wurde über die Austestung und den Vergleich vorhandener Techniken und Methoden unter Laborbedingungen und an realer Ballenware ein verlässliches und gleichzeitig praktikables Verfahren zur Einschätzung der Feuchte und des Störstoffanteils von Altpapier entwickelt.

Neben der verlässlichen Vergleichbarkeit der Messungen lag das Augenmerk bei der Konzeptentwicklung im Besonderen auf der praktischen Anwendbarkeit der Vorgaben. Aufwendige technische Installationen würden erhebliche Kostensteigerungen bedeuten, ohne dass das Recycling dadurch verbessert würde. Zudem würde kleineren Betrieben die Möglichkeit verwehrt, die Qualität ihrer Ballen selbst einer vergleichsfähigen Messung zu unterziehen. Das IWARU-Institut hat daher zu Beginn der Untersuchung von 90 Unternehmen der Kreislaufwirtschaft Informationen über die von ihnen behandelten Altpapiersorten sowie die in den Betrieben genutzten technischen Hilfsmittel erfragt. Die Konzeptentwicklung konnte sich so optimal an den Bedingungen der Praxis orientieren.

Altpapiereinsatzquote in Deutschland 2015. Quelle: Verband Deutscher Papierfabriken e. V

Vergleichbarkeit und anerkannte Bewertung

Auf Grundlage einer umfassenden Datenerhebung und zahlreicher praktischer Versuche und Untersuchungen mit den verschiedenen Messmethoden an unterschiedlichen Altpapiersorten konnten diejenigen Verfahren herausgestellt und eindeutig beschrieben werden, die eine Vergleichbarkeit der Messungen sicherstellen und so eine Basis schaffen für eine beidseitig anerkannte Bewertung der gehandelten Mengen. In einem nächsten Schritt wurden dann Vorgaben definiert für die Auswahl, Entnahme und Prüfung der Proben sowie für die Häufigkeit und Dokumentation der Beprobung. Die detaillierten Beschreibungen in Verbindung mit den dazugehörigen Mustervorlagen für Messprotokolle lassen eine Systematik entstehen, die eine objektive Überwachung der Qualitäten auf allen Stufen der Wertschöpfungskette und durch alle beteiligten Akteure ermöglicht. Unabhängig davon, ob die Messungen durch eigenes oder betriebsfremdes Personal durchgeführt werden, bringen sie dann gleichermaßen vergleichbare und reproduzierbare Ergebnisse hervor und ermöglichen so eine Anerkennung durch alle beteiligten Parteien.

Die Entwicklung von beidseitig nachvollziehbaren und vergleichbaren Messverfahren zur Bestimmung des Feuchte- und Störstoffgehalts bildet nur einen Baustein der gemeinsamen Anstrengung der Akteure zur Weiterentwicklung der Qualitätssicherung. Der Umgang mit den Ergebnissen und der wirtschaftliche Ausgleich von Abweichungen kann nur durch individuelle Verträge zwischen den Vertragspartnern geregelt werden. Die Hinweise aus der Studie können aber auch den Anstoß geben, weitere Maßnahmen der Qualitätssicherung zu ergreifen, um die hohe Qualität der gehandelten Mengen in Zukunft auch bei schwankenden und tendenziell abnehmenden Inputqualitäten noch besser sicherstellen zu können.

Ausblick

In einem nächsten Schritt kommt es jetzt darauf an, dass die Qualitätssicherungsmaßnahmen bei allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette Akzeptanz finden. Hierzu wird es auf allen Ebenen vielfältige Gespräche zur weiteren Entwicklung praktischer und konzeptioneller Maßnahmen geben. Geplant sind hierfür neben Diskussionsveranstaltungen auch Seminare und die Verteilung von Schulungsmaterialien. Nur wenn alle Betriebe ein vertieftes Verständnis von den dargestellten Qualitätsbestimmungen haben und dieses auch anwenden können, kann das Qualitätssicherungskonzept auch langfristig Erfolg haben.

 

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