COP21 in Frankreich: Blick auf die Abfallwirtschaft

Die Weltklimakonferenz im Dezember in Paris hat mich beeindruckt. Nicht allein wegen ihres historisch bis dato einmaligen Ergebnisses – ein von allen Nationen der Welt unterzeichneter Entwurf zum Weltklimavertrag – sondern vor allem wegen der zielführenden Rolle Frankreichs dabei. Die Franzosen, allen voran der noch bis zur nächsten COP22 amtierende Vorsitzende der Vertragsstaatenkonferenz (COP), Laurent Fabius, haben damit ein Bravourstück in Sachen Völkerverständigung erbracht. Internationales Parkett, Diplomatie auf großer Bühne – das können sie. Aber können die Franzosen auch Abfallwirtschaft, Recycling & Co.? Deckel auf für Frankreichs Mülltonnen!
Und das meine ich buchstäblich. Denn wer eine Gesellschaft kennenlernen will, der sollte ruhig mal einen Blick auf ihre Abfallhaufen oder in ihre Mülltonnen werfen. Dabei lernt man eine Menge über das Wertesystem derer, die den Abfall entsorgen. Und so scheue ich mich hier nicht, zumindest virtuell, meinen Kopf tief in die französischen Mülltonnen zu stecken.
Zur Abfalllage der Grande Nation
Zunächst liefere ich euch ein paar aktuelle Fakten zur französischen Abfallwirtschaft – ein abfallwirtschaftliches Länderprofil inklusive Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten, Umsetzung und Finanzierung zu Frankreich könnt ihr hier einsehen:
- Laut des Abfallberichts der Umweltagentur Ademe habe die im Jahr 2013 gut 20,2 Milliarden Euro umgesetzt. Das seien fast drei Prozent weniger als im Vorjahr 2012. Davon wären 8,3 Milliarden Euro für die Abfallsammlung und -behandlung aufgewendet worden, 11,1 Milliarden für die Wiedergewinnung von Wertstoffen und weitere 0,8 Milliarden für Reinigungsmaßnahmen wie Bodensanierung.
- Auch die Umsätze von Frankreichs Recycling-Industrie seien laut dem Portal Germany Trade Invest (GTAI) gesunken: 2014 um zwei Prozent auf 9,03 Milliarden Euro, wobei das zu verarbeitende Material um 3,5 Prozent gestiegen sei. Gründe dafür seien die gesunkenen Rohstoffpreise. Dennoch habe die Branche fünf Prozent mehr Investitionen getätigt.
- Die Abfallmenge (Abfallaufkommen) Frankreichs habe dem französischen Umweltministerium zufolge in 2013 344,7 Millionen Tonnen betragen. Insbesondere die schleppende Baukonjunktur (die Baubranche lieferte den größten Abfallhaufen: 71,6 Prozent) sei für die im Vergleich zu 2010 rund zehn Millionen Tonnen weniger Abfall verantwortlich, heißt es bei GTAI weiter. Das macht pro französischem Kopf 5,3 Tonnen Abfall im Jahr – zum Vergleich: Die Deutschen lagen mit 4,9 Tonnen Abfall pro Kopf und Jahr etwas darunter.
- Laut Ademe hätten die kommunalen Entsorgungssysteme Frankreichs 2013 pro Kopf 540 Kilogramm Müll gesammelt. Das mache Summa summarum 37,6 Millionen Tonnen und damit etwa 3,5 Prozent weniger als 2011. Vier Fünftel der Abfälle stammten aus privaten Haushalten, der Rest von kleinen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, die ihren Abfall auch über die Haushaltsmüllentsorgung entsorgten.
- 2012 betrieb Frankreich 238 Deponien für ungefährlichen Haushaltsmüll, 390 Sortier-, 588 Kompostier- und 126 Verbrennungsanlagen, berichtet GTAI. 113 der Verbrennungsanlagen produzierten demnach Energie. Hinzu kämen zehn Methanisierungsanlagen für Hausmüll. 2012 seien 67 Prozent der Abfälle der Industrie recycelt worden. Inklusive Weiterverwertung, energetischer Nutzung und Kompostierung habe der Verwertungsanteil 91 Prozent betragen. Gefährliche Abfälle (2012: 11,3 Millionen Tonnen) seien demnach zu 40 Prozent wiederverwertet, weitere 28 Prozent verbrannt und 32 Prozent deponiert worden.
- Die Organisation Eco-Emballages ist in Frankreich für die Wiederverwertung von Verpackungsmüll verantwortlich. Die von ihr erwirtschaftete Recyclingquote habe 2014 bei 67 Prozent gelegen, wobei sie in Bezug auf einzelne Wertstoffe stark variiere: Die Recyclingquote von Kunststoff zum Beispiel läge bei 24 Prozent.
- In der Abfallbranche arbeiteten 2013 rund 6.100 Unternehmen (Sammlung und Behandlung: 2.300, Entsorgung und Recycling: 3.800). Während die Spitze der französischen Abfallwirtschaft von weltweit aktiven großen und mittleren Konzernen gebildet werde, darunter Veolia Propreté, Sita, Derichebourg, Paprec und Séché, sei das Gros mittelständisch geprägt, schätzt GTAI ein.
Als Wertstoffblogger will ich euch jedoch nicht nur mit offiziellen Fakten ausstatten, die ich übers Internet recherchiert habe. Ihr sollt auch die Gelegenheit haben, euch ein eigenes Bild von der Mülllage in unserem Nachbarland zu machen. Und was wäre da authentischer als entsprechende Berichte von Menschen, die dort leben und tagtäglich ihren Müll in Frankreichs Tonnen entsorgen:
Beachtenswertes Frankreich – jüngste Aktivitäten
in Sachen Abfall
Frankreich hat seinen aktuellen Stand in der Abfallwirtschaft mit einem enormen Kraftakt erworben. Lange Zeit hinkte die französische Abfallwirtschaft der deutschen deutlich hinterher. Doch in den letzten Jahren haben die Franzosen große Anstrengungen unternommen, aufzuholen – und heute sagt so mancher Branchenkenner, die Franzosen hätten uns mit ihrem Schwung in Richtung Nachhaltigkeit teilweise sogar schon überholt. Werfen wir einen Blick darauf, was die Franzosen in Sachen Müll vorhaben:
- Laut dem „Plan national de prévention des déchets 2014–2020“ (vom November 2013; veröffentlicht im Amtsblatt Journal officiel am 28. 8. 14) solle die Menge der Haushaltsabfälle bis 2020 um sieben Prozent gegenüber 2010 gesenkt werden.
- Das im Juli 2015 verabschiedete Gesetz zur Energiewende für grünes Wachstum (Loi de Transition énergétique pour la croissance verte) umfasse laut GTAI auch einen „Passus zur Verringerung des Stoffverbrauchs und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft“.
- Der neue Plan zur Verringerung und Verwertung der Abfälle (Plan de réduction et de valorisation des déchets) erhöhe demnach das Ziel für die Abfallreduzierung pro Einwohner bis 2020 auf zehn Prozent gegenüber 2010. Die sogenannte Inwertsetzung, also entweder das Recycling oder die energetische Nutzung, solle bis 2020 einen Anteil von 50 Prozent der Haushaltsabfälle erreichen und bis 2025 auf 60 Prozent steigen.
- Eco-Emballages wolle GTAI zufolge im Rahmen eines „plan de relance du recyclage“ vor allem die Wiederverwendung von Kunststoffen erhöhen, das Sammeln von Müll verbessern, vor Ort stärker informieren und mehr Kostentransparenz schaffen. Ziel sei eine Recyclingquote von insgesamt 75 Prozent.
- Seit dem 1. Januar diesen Jahres dürfen an den Kassen des Einzelhandels keine Einwegplastiktüten mehr ausgegeben werden. Ab dem 1. Juli träfe das Verbot auch auf zur Verpackung von Obst und Gemüse verwendeten Tüten zu.
Richtungsweisende Aktionen Frankreichs
zum nachhaltigen Umgang mit Wertstoffen
Gegen die Verschwendung von Lebensmitteln
Internationale Schlagzeilen machte Frankreich mit seinem Gesetz, das vorschreibt, dass ab 2016 Supermärkte verpflichtet seien, „nicht verkaufte, aber durchaus noch genießbare Lebensmittel zu spenden oder zu recyceln. Supermärkte müssen zukünftig Abkommen mit Hilfsorganisationen unterzeichnen, damit die Lebensmittel gespendet werden können. Die Entsorgung über die Mülltonne ist ab sofort ungesetzlich und wird mit Strafen geahndet“.
Gegen die Verschwendung von Altmöbeln
Auch die seit 2013 in Frankreich geltende Rücknahmepflicht für Möbelhersteller und die seit ihrem Inkrafttreten zugleich geltende Abgabe eines Ökobeitrags seitens der Möbel kaufenden Verbraucher direkt an der Kasse des Möbelhauses sind ein weiteres richtungsweisendes Signal aus Frankreich, das Schule machen sollte.
Gegen die Verschwendung von Energie
Auch wenn es nun nur für Gewerbeneubauten gilt (Umweltschützer wollten, dass das Gesetz für alle Neubauten gelte), ist das Gesetz doch ein weiterer vorbildlicher Zug der Franzosen: Per Gesetz müssen Neubauten in französischen Gewerbegebieten künftig entweder begrünte Dächer haben oder mit Energieerzeugungsanlagen für erneuerbare Energien ausgerüstet werden: Solarthermie-Kollektoren, Photovoltaik-Solarmodule oder Windstromräder.
Ihr seht, eine wie die Grande Nation ist in der Lage, in Sachen Nachhaltigkeit in kurzer Zeit aufzuholen und gar zu überholen. Ich finde, von so mancher grünen Sache in Frankreich können wir uns eine Scheibe abschneiden. Vive la France!
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1 Kommentar
Frankreich wusste sogar schon vor dem Gipfel, dass die Welt auf dieses Land blicken wird und man voran gehen muss, um einen erfolgreichen Abschluss des Gipfels zu erreichen. Viele der genannten Gesetze sind daher schon vor dem Klimagipfel beschlossen worden, im Herbst 2015. Das finde ich am beeindruckendsten daran.