DSD Historie X: Die Kritik am System wird lauter – alle wollen an den Recyclingrohstoffen verdienen

Unternehmen stoßen sich oftmals am Staat, den Ländern oder Kommunen und deren Behörden. Die bekanntesten Zankäpfel sind Steuern und Lohnnebenkosten. Doch seit einiger Zeit wütet ein Streit über ein Thema, das mit den traditionellen Konflikten herzlich wenig zu tun hat: Wer darf die Abholung und das Recycling deutscher Abfälle organisieren? Richtig gelesen! Nicht „muss“ – sondern „darf“.
Das Heranwachsen des dualen Systems
Dass die Diskussion über Abfälle jemals solche Bahnen einschlägt, hätten vor 25 Jahren wohl die wenigsten erwartet. Damals – im Jahr 1991 – trat die Verpackungsverordnung in Kraft und mit ihr die bis heute bestehende und immer weiter ausgeweitete Produktverantwortung. Das heißt: Seither sind Hersteller, die Verpackungsabfälle in Umlauf bringen auch für deren Abholung und dessen Recycling verantwortlich. Für die Kommunen bedeutete das damals eine Entlastung. Sie waren nun nicht mehr für sämtliche Haushaltsabfälle zuständig.
Um der Produktverantwortung nachzukommen, gründeten zahlreiche Unternehmen die Non-Profit-Organisation Duales System Deutschland (DSD). Dieser Monopolist organisierte die nächsten zwölf Jahre die Abholung und das Recycling von Verpackungsabfällen. In dieser Zeit stand das System ständig in Kritik. Das System sei zu teuer, die Zeche müssten ohnehin die Verbraucher, nicht die Unternehmen zahlen, die Wiederverwertungsquoten würden geschönt, innovative Recyclingentwicklungen würden durch den Alleingang des Monopols gehemmt. Auch Kommunen kritisierten das Entsorgungssystem. Es sei zu ineffizient. Viele Verpackungen würden anstatt in den gelben Tonnen, in den grauen Tonnen der kommunalen Abfallwirtschaft landen und somit nicht recycelt werden.
Andere Unternehmen wollen an
Recyclingrohstoffen mitverdienen
Im Frühjahr 1997 klopfte die Landbell AG an die fest versiegelte Tür mit der Aufschrift „Marktzugang“. Es klappte nicht. Nur DSD durfte die Abholung und das Recycling von Abfällen organisieren. Aber die Landbell AG sollte nicht das einzige Unternehmen bleiben, das in den nächsten Jahren an die immer noch verschlossene Tür pochte. Und aus volkswirtschaftlicher Logik kann das nur bedeuten: Mit Abfällen – beziehungsweise Recyclingrohstoffen – war Geld zu verdienen.
Es kam, wie es kommen musste. Im Jahr 2003 wurde die Tür eingetreten und neben Landbell gesellten sich noch zahlreiche andere Unternehmen hinzu, die den Raum für DSD kleiner werden ließen. DSD war nun nicht mehr d a s duale System, es war ein duales System von mehreren.
Fortlaufende Kritik am DSD
Aber selbst der neu entstandene Wettbewerb ließ die Kritiker des Systems nicht verstummen. Und das zu Recht. Denn die Mülltrennung ist in vielen Belangen unlogisch. Ein Joghurtbecher aus Plastik (also eine Verpackung) muss in die gelbe Tonne geworfen werden, ein Untersetzer aus Plastik nicht. Und das, obwohl beides aus Plastik ist. Und nicht einmal alle Verpackungen dürften in die gelbe Tonne geworfen werden, nur jene, für die die Hersteller auch Lizenzgebühren an ein duales System zahlen. Mitunter deshalb, landen rund 40 Prozent des Mülls in der falschen Tonne.
Schon als DSD Monopolist war, gab es Probleme mit Trittbrettfahrern – also Herstellern, die keine Lizenzgebühren zahlen, deren Produkte aber dennoch oft in der gelben Tonne landen, weil den Verbrauchern das System zu komplex geworden ist. Durch die mittlerweile neun Mitbewerber von DSD ist das Lizenzgebührenmodell noch unübersichtlicher geworden, wodurch Trittbrettfahrer nur schwer aufzuspüren sind. Für die Firmen bedeutet das Einbußen. „Rückgänge dort werden ausgeglichen vom stark wachsenden Recyclinggeschäft“, erklärte der ehemalige DSD-Chef Stefan Schreiter.
Aber da stellt sich die Frage: Ist das duale System wirklich das effizienteste, wenn es um die Vermeidung von Abfällen und um bestmögliches Recycling geht? Selbst Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Sekundärrohstoffe und Entsorgung und Verfechter des dualen Systems, meint: „Der Wettbewerb der dualen Systeme stellt sich ausschließlich über den Preis dar und nicht über die ökologisch sinnvollste Lösung.“
Kommunen wollen an Recyclingrohstoffen mitverdienen
Das duale System hat Schwächen. Und das macht es angreifbar. Aktuell haben es die Kommunen auf dem Kieker. Denn die Entsorgung von Abfällen wird zunehmend lukrativ, der Wert von Recyclingwertstoffen zunehmend erkannt. Einen ersten Teilerfolg haben sie bereits errungen. Ende Jänner votierten die Bundesländer im Bundesrat gegen die bisherigen Pläne des Bundesumweltministeriums für ein Wertstoffgesetz. Der bisherige Entwurf sieht eine Manifestation der dualen Systeme vor. Die Kommunen hingegen wollen das Abholen und Recyceln von Abfällen selbst übernehmen. Durch diesen aktuellen Zwist ist die Einigung auf ein neues Wertstoffgesetz in dieser Legislaturperiode ein Stück weit unwahrscheinlicher geworden.
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Duales System, Grüner Punkt … watt is dat denn für ‘ne Wirtschaft hier?
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Quellen:
http://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/gruener-punkt-in-der-kritik-alles-muell/8664468.html
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