Duales System Deutschland – Historie VIII: Finanzinvestoren der Entsorgungsbranche

„Innovation. Wachstum. Geld.“
Nein, ich will Ihnen kein neumodisches Finanzprodukt andrehen. Es geht um die Entsorgungsbranche. Kein anderer Wirtschaftssektor ist in den letzten Jahren so stark gewachsen wie der Entsorgungs- und Recyclingsektor. Allein zwischen 1995 und 2009 stieg der Umsatz der Branche in Deutschland um mehr als das Fünffache: um 520 Prozent. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 14 Prozent. Und damit ist noch lange nicht Schluss. Die Entsorgungs- und Recyclingbranche ist nach wie vor eine junge, mit viel Potenzial. Milliarden von Euros wurden bereits umgesetzt. Immer effizienter werdende Recyclingtechniken und eine durch das Wertstoffgesetz hoffentlich besser werdende Wertstofferfassung versprechen einen weiteren Aufstieg der Branche.
Paradies für Finanzinvestoren
Dieses Potenzial ist auch den Finanzinvestoren nicht entgangen. Deren Strategie ist zumeist Exit-orientiert. Das heißt: Sie kaufen Unternehmen, deren Wert sich binnen weniger Jahre deutlich zu erhöhen verspricht – und dann verkaufen sie wieder und machen satte Gewinne. So zumindest die Idee. Und tatsächlich. Die Voraussetzungen waren ideal: Eine junge, aufstrebende Branche, in der gerade erst Rahmenbedingungen für einen echten Wettbewerb geschaffen wurden. Die Unternehmen in der Entsorgungs- und Recyclingbranche waren leckere Fische für Finanzhaie. Theoretisch. Denn gefressen wurden sie zumeist nicht von Finanzinvestoren, sondern von Ihresgleichen – von Unternehmen der Entsorgungs- und Recyclingbranche.
DSD fest in Händen von Finanzinvestoren
Der wohl bekannteste Aufkauf eines deutschen Entsorgers durch einen Investor ist der Verkauf von Duales System Deutschland (DSD) an Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) im Jahr 2004. 75 Prozent der Unternehmensanteile wechselten um rund 260 Millionen Euro den Besitzer. Der Plan sah vor, DSD nach drei bis fünf Jahren als umstrukturiertes, gestärktes und ertragreiches Unternehmen an die Börse zu bringen. Es wurden dann doch sechs Jahre daraus. Und anstatt der Börse wählte man mit Solidus Partners einen weiteren Investor, um an ihn zu verkaufen. Auch der damalige Vorstandschef Stefan Schreiter und andere Manager des Unternehmens erwarben Anteile. Die genaue Verkaufssumme ist nicht bekannt, doch KKR bewertete das Investment als profitabel.
Eine der erfolgreichsten Aktien
Einen anderen Weg ging die INTERSEROH AG. Diese wagte 1998 den Gang an die Börse. Rund fünf Millionen Aktien wurden im Markt der Börsen Frankfurt und Düsseldorf emittiert. Das Grundkapital wurde verdoppelt. Ein allzu hohes Wachstum wurde dennoch nicht erwartet, da man den deutschen Entsorgungsmarkt unter seinen Wettbewerbern bereits aufgeteilt sah. Das Ende des Monopols von DSD war damals noch nicht abzusehen. Umso überraschender sah die Bilanz des Börsengangs ein paar Jahre später aus. Denn mit einem Kursanstieg von über 450 Prozent in den Jahren von 2000 bis 2010 avancierte die Aktie zu einer der erfolgreichsten des Jahrzehnts.
ALBA Group in Not
2008 kooperierten INTERSEROH und ALBA gemeinsam unter dem Dachverband ALBA Group. Und diese geriet im Oktober 2014 in finanzielle Schwierigkeiten. Schulden wurden bekannt – von einer halben Milliarde Euro war die Rede. Im Frühjahr 2015 verkündete ALBA Group die Suche nach Investoren. Man wollte aber maximal 49 Prozent der Unternehmensanteile abgeben. Im September bekundeten vier Investoren ihr Interesse. Alle vier stammen aus Asien und drei davon aus China. Durch den Verkauf erhofft sich das Unternehmen, 500 Millionen Euro in die Kassa zu bekommen, was in etwa den Schulden entspricht.
Strategischer Investor als Retter
Es wird ausdrücklich betont, keine Finanzinvestoren an Bord holen zu wollen, sondern lediglich einen strategischen Partner zu suchen. Der Unterschied zum Finanzinvestor ist, dass der strategische Partner den Exit (Weiterverkauf) noch nicht geplant hat. Im Mittelpunkt steht nicht die schnelle Wertsteigerung des Unternehmens, sondern die Verwirklichung gemeinsamer Ziele. Und dieses gemeinsame Ziel soll eine Expansion in China sein. Es sollen Recyclingbetriebe aufgebaut werden, die Wertstoffe aus dem dortigen Siedlungsmüll gewinnen. So will die ALBA Group zurück zu altem Wachstum.
Die einen suchen ihr Heil bei Finanzinvestoren, die anderen halten Ausschau nach strategischen Partnern. Unternehmen der Entsorgungs- und Recyclingbranche haben das Potenzial, durch beide Strategien zu wachsen und Gewinne einzufahren.
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Duales System, Grüner Punkt … watt is dat denn für ‘ne Wirtschaft hier?
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Quellen:
Recycling und Rohstoffe, Band 8 (VIVIS Verlag)
http://www.welt.de/wirtschaft/article9508063/Wie-die-Wirtschaft-mit-Abfall-Geld-verdient.html
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