Wertsachen, Wertgegenstände und Wertstoffe: Über den wahren Wert der Dinge

Als leidenschaftliche und professionelle Schreiberin bin ich eine, die sich Worte mitunter genüsslich auf der Zunge zergehen lässt. Ganz so wie ein köstliches Schmankerl aus Kakao, Zucker und Fett oder aus saftigem Fruchtfleisch. Und während ich so manches Wort buchstäblich zerkaue, werde ich mir seiner Bedeutung und seines Ge- beziehungsweise Verbrauchs bewusst. Worte bilden Bewusstsein. Und deshalb lohnt es sich, immer mal wieder innezuhalten und zu prüfen, ob der Wortschatz, den man Tag für Tag so spricht, noch up to date ist.
Ein Beispiel: Unser großes Kind brachte neulich die Packliste für die erste Klassenreise mit dem neuen Gymnasium heim. Sie enthielt auch den Hinweis, dass keine Wertsachen mit ins Gepäck sollten. Beim Lesen der Liste entspann sich zwischen mir und meinen drei großen Kindern, die bereits vieler Worte mächtig und sich ihrer Bedeutung sehr wohl bewusst sind, ein reges Gespräch. Die Frage war:
Was sind Wertsachen?
Ein fragender Blick auf die Internetsuchmaschine Google lieferte Anhaltspunkte: Vor dem Versicherungsgesetz sind Wertsachen solche wie Bargeld, Urkunden, Sparbücher und Wertpapiere. Auch Schmuck, Edelsteine, Perlen und Gegenstände aus Gold, Platin oder Silber zählen als Wertsachen. Ebenso Briefmarken, Münzen, Telefonkarten und Medaillen. Pelze, handgeknüpfte Teppiche und Gobelins auch. Und natürlich Kunstgegenstände, also Gemälde & Co., Statuen usw. usf. Außerdem sind Antiquitäten (außer Möbel) demnach Wertsachen.
Nachdem meine Kinder und ich uns diese Liste von versicherungswürdigen Wertsachen eingehend zu Gemüte geführt hatten, fasste meine Tochter zusammen, was wohl alle dachten: „Ich hatte nicht vor, irgendetwas davon mit nach Sylt zu nehmen.“
Zum Glück hatten die Lehrer ihre Packliste gut vorbereitet und für den Zweifelsfall Beispiele für unerwünschte Wertsachen genannt: Wertvoller Schmuck stand da im Kleingedruckten. Und mehr als zehn Euro Bargeld. Aus pädagogischen Gründen sollte auch keine Unterhaltungselektronik wie Handy, MP3-Player usw. mit. Mit der Ausnahme: Fotoapparat. Aber das nur nebenbei.
Vom Verlust der Wertschätzung für Dinge,
die kein Geld wert sind
Auf meine Frage, was denn in den Augen meiner Kinder Wertsachen seien, bekam ich Antworten wie: „Meine Bücher!“, „Meine Puppen und Plüschtiere!“ und „Meine Anziehsachen!“ Ich ergründete als Nächstes, was diese Dinge zu ihren Wertsachen macht: Von Gefühl war dann die Rede. Von viel Gefühl. Gefühle, die in jedem von uns stecken. Gefühle, die jeder von uns für was auch immer entwickeln darf.
Ich frage mich: Was geschieht mit uns, dass wir die Wertschätzung für viele nichtgeldwerte Dinge auf dem Weg vom Kleinsein zum Großsein verlieren? Habe ich meinen wertschätzenden Blick auf Steine, Muscheln oder Tierpostkarten (Sammelleidenschaften und daraus resultierende Schätze meiner Kindheit) bewahren können? Meine Muschelsammlung wächst stetig. Aber ich betrachte sie längst nicht mehr wie einst als einen Schatz. Wann und warum sind meine Gefühle dafür erkaltet?
Kann man Wertschätzung lehren und lernen?
Ganz klar, eine emotionale Beziehung zu Dingen lässt sie uns wertschätzen. Emotionale Beziehungen kommen aber nicht von ungefähr: Sie müssen wachsen. Sie brauchen Pflege und Zuwendung. Mitunter auch eine Stütze. Wertschätzung darf nicht diktiert werden. Quasi bewusstlos. Und keinesfalls muss sie mit materiellen Werten verknüpft werden. Denn schließlich schätzen wir selbst als geldwertbewusste Verbraucher den Wert angeblicher Wertgegenstände individuell. Ich greife nur mal ein Beispiel aus der oben aufgeführten Liste auf: Pelz. Für mich und viele meiner Generation ist ein Pelz alles andere als ein Wertgegenstand, sein hoher Preis ist eher trauriges Zeugnis von entsetzlichem Leid, das man Tieren zugefügt hat.
Meine Wertschätzung ist Teil meines freien Willens
Ich schätze den Wert eines per Preisschild angeblich viel Geld werten Pelzes selbst ein. Mein Geld ist er nicht wert. Ich habe das Recht und die Macht zu dieser Wertschätzung. Das ist Teil meiner mir zustehenden Wertschätzungsfreiheit. Nur weil irgendwo auf der Welt eine Klientel für teure Pelze besteht, heißt das noch lange nicht, dass Pelz tatsächlich eine Sache von Wert ist – zumindest nicht für uns Menschen.
Neue Worte für neue Werte
Und deshalb müssen wir auch unseren Wortschatz entsprechend wertschätzen. Und den Gebrauch so manchen Wortes gründlich überdenken. Und gegebenenfalls das eine oder andere Wort mit neuen Werten füllen. Wertsache wäre so ein überdenkenswertes Wort für mich. Das gilt selbstverständlich auch für sein Synonym Wertgegenstand. Beide greifen für mich zu kurz, da sie sich auf Materie beziehen.
So weit sind beide Wörter jedoch nicht weg vom Wort Wertstoff, oder? Womit wir ziemlich genau auf dem Punkt gelandet sind. Zumindest, was dieses Blog hier betrifft. Denn was ist ein Wertstoff anderes, als ein Wertgegenstand oder eine Wertsache? Im Gegenteil: Er hat buchstäblich das Zeug für mehr, da er sich zumindest auf die stoffliche Ebene von Allem beziehen lässt. Ihn auch auf denkbaren Wertstoff oder fühlbaren Wertstoff auszuweiten, liegt nahe.
Ein neues Wertesystem bringt auch neue Wertstoffgesetze
Es ist an der Zeit, ein neues Wertesystem zur Geltung zu bringen. Eins, das die Welt nicht nur geldwert bewertet, sondern auch emotional – unter Berücksichtigung unser aller Gefühle. Dazu müssen wertschätzende Worte er- und /oder wiedergefunden und entsprechende Taten vollbracht werden. Eine neue Wertschätzung braucht sicher neue Gesetze. Wertstoffgesetze, die den wahren Wert der Dinge regeln.
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