Kunststoffrecycling – geringere Quoten durch niedrige Ölpreise?!
Unbemerkt und oft auch unbeachtet vom fleißig seinen Müll sortierendem Verbraucher tobt offenbar ein Kampf in Deutschland. Es geht dabei um Geld. Viel Geld für viele Kunststoffabfälle (2013: 5,68 Millionen Tonnen), die entsorgt werden müssen. Noch verdienen Entsorger nämlich mehr, wenn sie die Abfälle an Müllverbrenner verkaufen, anstatt an Recycler. Das drückt die Recyclingquote. Sein Übriges trägt der niedrige Ölpreis bei: Derzeit ist es billiger, Plastikware neu zu produzieren, als alte Plastikteile zu recyceln. Auch das beeinträchtigt die zu steigernde Quote. Hier steht, was in der Plastikrecyclingbranche gerade los ist.
Wer rangelt den hier um Kunststoffabfälle?
Um Kunststoffabfälle gibt es hierzulande offensichtlich eh schon ein Gerangel. Die Entsorger stünden laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) in einem „unermüdlichen Wettbewerb um Plastik“ und lieferten die ergatterten Abfälle „dorthin, wo sie am meisten Geld“ brächten. Und es sei „nun mal günstiger, den Müll zu verbrennen, anstatt ihn zu recyceln“, schreibt die Zeitung weiter. Dann zitiert sie Matthias Franke vom Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik mit den Worten: „In Deutschland tobt ein Preiskampf zwischen Verbrennungs- und Recyclingindustrie.“
Recycling versus Verbrennung
Als brav meinen auch Plastikmüll sortierender Verbraucher, der von diesem Gerangel nichts mitbekommt und froh ist, dass die Gelbe Tonne vor dem Haus regelmäßig geleert wird, nehme ich das mit Bedauern zur Kenntnis. Recycling steht auf meiner Beliebtheitsskala nun mal höher als Verbrennung, auch wenn diese Wärme oder Strom liefert. Auch die vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichten Quoten zum Recycling von Kunststoffen, die den Bericht der SZ bestätigen, wecken eher meinen Unmut als meine Freude: „Die anfallenden Kunststoffe werden nahezu vollständig verwertet (2013 zu 99 Prozent). Dabei überwiegt die energetische Verwertung mit 57 Prozent. Der werkstofflichen Verwertung werden 41 Prozent der Kunststoffabfälle zugeführt, die rohstoffliche Verwertung liegt bei einem Prozent.“
In Sachen Kunststoffrecycling haben wir demnach noch einiges zu tun. Höhere Quoten sind angedacht und angekurbelt: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) regelt laut UBA unter anderem, „dass ab 2020 mindestens 65 Gewichtsprozent des gesamten Siedlungsabfalls für die Wiederverwendung aufbereitet oder recycelt werden sollen (§ 14 Abs. 2)“.
Nun könnte man den Dingen seinen Lauf lassen und die Entwicklung abwarten. Ist nicht so ganz meine Art. Ich stochere gerne ein bisschen rum, auch im Müll. Ich stelle mir beispielsweise die Frage:
Beeinflusst billiges Öl die Recyclingquote?
Wenn die Plastikmüllverbrennung schon wegen der höheren Gewinne dem Recycling vorgezogen wird, wie wirkt sich dann der aktuell niedrige Ölpreis auf das Recycling aus? Zu sehr um die Ecke gefragt? Mitnichten! Immerhin ist der fossile Energieträger Erdöl wichtigster Ausgangsstoff für die Herstellung von Kunststoff. Und wenn Öl wie derzeit extrem billig ist, ist es doch sicher auch billiger, neue Plastikprodukte auf den Markt zu werfen, als Plastikmüll zu sortieren, zu sammeln und zu recyceln, oder?
Die Online-Ausgabe des Nachrichtensenders n-tv berichtete dieser Tage, dass der niedrige Ölpreis die Recyclingunternehmen unter Druck setze: „Ihre Granulate aus Plastikflaschen, Joghurtbechern und Tüten sind nur noch schwer zu kostendeckenden Preisen an die Kunststoffhersteller zu verkaufen.“ Da haben wir’s! Die Aussage des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), Peter Kurth, gegenüber der dpa, der in dem n-tv-Bericht zitiert wird, macht den Einfluss des billig zu habenden Öls auf die Recyclingquote von Kunststoffen noch deutlicher: „Für die sogenannten Recyclate finden sich immer weniger Abnehmer. Die Produktion von neuen Kunststoffen ist in Zeiten von 30 Dollar für ein Barrel Öl (1 Barrel Öl = 159 Liter Öl, Anmerkung der Redaktion) einfach billiger.“ Stattdessen Recyclinggranulate zu nutzen, rechne sich demnach ab Rohölpreisen von 45 Euro je Barrel.
Noch verfehle die Branche zwar nicht die Recyclingvorgaben, sondern läge laut Kurth bei wieder zu verwertenden Kunststoffverpackungen noch leicht über der vorgeschriebenen Quote von 36 Prozent – aber das Recycling fördert das billige Öl offensichtlich keinesfalls. So viel steht fest.
Wie aber soll ich die nahezu zeitgleich erschienene Meldung des Fachverbandes Kunststoffrecycling (bvse) verstehen, die mit der Zeile überschrieben ist: „Das Kunststoffrecycling behauptet sich trotz eines niedrigen Ölpreises“? Im Text dazu erklärt Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des Fachverbandes Kunststoffrecycling im bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung: „Glücklich ist zwar niemand über den niedrigen Ölpreis, aber die Nachfrage nach guten Kunststoffqualitäten ist nach wie vor stabil. Das ist ein gutes Zeichen. … Der niedrige Ölpreis hilft all denen, die auf gute Qualitäten setzen“.
Klasse statt Masse?
Aha. Das Qualitätsargument. Warum wird es ins argumentative Feld geführt? Nun, der bvse-Meldung zufolge gäbe es „jetzt ausreichende Verarbeitungsmengen, während in den letzten Jahren das Kunststoffrecycling über mangelnde Inputmengen in Deutschland geklagt“ hätte. Die Zeiten der eingeschränkten Verfügbarkeit von guten Standardkunststoffen seien demnach vorerst vorbei. Und bislang funktionierende Mechanismen der Absteuerung guter Sortierware funktionierten nicht mehr. Die Marktteilnehmer hätten teilweise Kunststoffabfälle gelagert – in der Hoffnung, dass sich der Markt ändere. Laut Textor eine wohl trügerische Hoffnung. Die Steigerung an Verarbeitungsmengen in Deutschland sei ihm zufolge auch darauf zurückzuführen, dass der Mengenabfluss nach Fernost stocke. Aufgrund des großen Angebots an Kunststoffabfällen in Europa fielen für diese auch die Preise.
Viele der angebotenen Sortierqualitäten hätten sich in den letzten drei Monaten noch weiter verschlechtert. Die jetzt verfügbaren deutlich größeren Angebotsmengen könnten den Qualitätsmangel bislang kaum kompensieren. Allerdings könnten Kunststoffrecycler jetzt vermehrt mangelhafte Ware zurückweisen und auf qualitativ guten Input zurückgreifen. Immer noch zeige der deutsche Verarbeitungsinput deutliche Mängel gegenüber der Ware, die aus benachbarten Ländern eingeführt werden könne.
Hiesige Kunststoffrecycler seien nicht mehr bereit, Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Jetzt zählten nur noch beste Qualitäten, „die dann und nur dann ihre Abnehmer fänden“, sagt bvse-Fachverbandsvorsitzender Dr. Dirk Textor abschließend.
Fazit: Ich lese in diesen Aussagen zum einen, dass seitens der Kunststoffrecycler bislang so mancher Kompromiss wohl zulasten der Qualität und zugunsten der Quantität gemacht wurde. Klasse statt Masse, das finde ich eindeutig zukunftsträchtiger als umgekehrt. Zum anderen machen mir mit Plastikmüll schlechterer Qualität überfüllte Lager natürlich Sorgen. Vermutlich werden die Lagermengen irgendwann verbrannt …
Bleibt zu hoffen, dass das erwartete Wertstoffgesetz dem aufgezeigten Gerangel in der Kunststoffrecyclingbranche bald ein Ende setzt. Mit höheren Recyclingquoten und eindeutigen Recyclingwegen sowie geregelten Zuständigkeiten.
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Quelle:
http://www.bvse.de/33/9216/Das_Kunststoffrecycling_behauptet_sich_trotz_eines_niedrigen_Oelpreises
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