Novelle Gewerbeabfallverordnung: ambitioniert – ja; praxistauglich – kaum
40 Millionen Tonnen Abfall werden von den Gewerbebetrieben in Deutschland jedes Jahr produziert. Damit sind diese sogenannten gewerblichen Anfallstellen die Quelle für einen besonders ergiebigen Abfallstrom in Deutschland. Was die Qualität angeht, sind Abfälle, die zum Beispiel bei Produktionsprozessen anfallen, für das Recycling von besonderer Bedeutung. Sie lassen sich gut weiter verwenden.
Kreislaufwirtschaft: Wichtigstes Reformvorhaben im Bundesrat
Vor wenigen Tagen hat der Deutsche Bundestag den Entwurf der Novelle der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfVO) passieren lassen, nun wird sich der Bundesrat damit befassen. Es handelt sich um eines der wichtigsten Reformvorhaben dieser Legislaturperiode im Bereich der Kreislaufwirtschaft.
Zu Beginn des Novellierungsprozesses hat das zuständige Ministerium für Umwelt und Bauen (BMUB) eine umfangreiche Analyse erstellt. Das war wichtig und gut.
Die Behandlungssituation bei den gewerblichen Abfällen stellt sich heute folgendermaßen dar:
- Von den gut 40 Mio. Tonnen werden heute ca. 33 Mio. Tonnen bei den Abfallerzeugern getrennt erfasst.
- Nur sieben Mio. Tonnen – also gut 17 Prozent – werden als sogenannte Gemische erfasst.
Recycling muss Priorität bekommen
Das Recycling muss auch bei den Gewerbeabfällen, die aus der fünfstufigen Hierarchie bekannte entsprechende Priorität bekommen. Deshalb war die Novelle erforderlich, denn diese rechtlich gebotene Priorität gibt es bis heute nicht. Es ist auch gut, dass künftig bei weiteren Stoffströmen – Altholz, Textilien – die Getrenntsammlung vorgesehen ist. Als Folge ist davon auszugehen, dass die schon jetzt sehr hohe Quote an getrennt gesammelten Abfällen nochmals weiter steigen wird.
Detail: Fünfstufige Abfallhierarchie
Abfallrechtliche Regelungen sollen die Kreislaufwirtschaft voranbringen. Es gilt, natürliche Ressourcen zu schonen sowie den Umwelt- und Gesundheitsschutz in der Abfallwirtschaft zu gewährleisten. Die in Paragraf 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) verankerte fünfstufige Abfallhierarchie legt die Rangfolge der Maßnahmen zur Vermeidung und Bewirtschaftung von Abfällen fest.
Danach sind Abfälle:
- zu vermeiden,
- wiederzuverwenden,
- zu recyceln,
- zu verwerten (insbesondere energetisch) oder
- zu beseitigen.
Durch das Schließen von Kreisläufen und die Nutzung insbesondere der stofflichen Potenziale von Abfällen, werden wertvolle Primärrohstoffe ersetzt und damit geschont.
Quelle: Bundesumweltamt
Gemischte Abfälle müssen vorbehandelt werden
Der Verordnungsentwurf sieht nun zum einen vor, dass grundsätzlich alle gewerblichen Abfallerzeuger, die bei ihnen anfallenden gemischten Abfälle einer Vorbehandlung unterziehen müssen. So soll sichergestellt werden, dass Wertstoffe, die aus diesen Gemischen heraussortiert werden können, nicht verbrannt, sondern bestmöglich stofflich wiederverwendet werden.
Von dieser Verpflichtung sind nur zwei Ausnahmen vorgesehen:
- Wer eine Getrenntsammlungsquote von mehr als 90 Prozent der Abfälle erreicht, wird von der Pflicht befreit, auch die wenigen verbleibenden Mengen in eine Vorbehandlung zu geben. Hier unterstellt man, dass bei einer so hohen Getrenntsammlung in den verbleibenden Gemischen praktisch nichts stofflich Verwertbares mehr enthalten ist.
- Es muss wirtschaftlich sinnvoll und technisch möglich sein, die Abfälle einer Vorbehandlung zu unterziehen. So wird verhindert, dass z. B. bei extrem verschmutzten Abfällen wider jede wirtschaftliche Vernunft noch ein Recycling versucht wird.
Wie ist dieser Ansatz praktikabel umzusetzen?
Dieser grundsätzliche Ansatz stößt weithin auf Zustimmung. Allen Beteiligten ist aber auch klar, dass die neue Verordnung den Praxistest erst noch bestehen muss. Auch die sinnvollste Verordnung bedarf einer konsequenten Umsetzung. Sollte sie – wie andere Verordnungen auch – letztlich das Papier nicht wert sein, auf dem sie steht, weil sie vor Ort nicht durch den Vollzug durchgesetzt wird, wird sich an der jetzigen Praxis nicht viel ändern.
Ein Sachverständiger für 30.000 Anfallstellen
Deshalb sieht sich der Bundesrat auch Forderungen ausgesetzt, an einer wichtigen Stelle noch eine Änderung vorzunehmen. Es geht dabei um eine praxisgrechte Umsetzung:
Nach dem jetzigen Entwurf sollen es vereidigte Sachverständige sein, die bei dem einzelnen Abfallerzeuger feststellen, ob dieser die 90 Prozent an Getrenntsammlung erreicht hat. In Deutschland gibt es gut 110 vereidigte Sachverständige bei mehr als drei Millionen gewerblichen Anfallstellen. Also ein Sachverständiger käme unabhängig von seinen sonstigen Aufgaben auf knapp 30.000 Anfallstellen.
Appell an den Bundesrat – Bürokratiepleite abwenden
Man kann nur hoffen, dass der Bundesrat diese absehbare Bürokratiepleite noch korrigiert, ansonsten dürfte eine in weiten Teilen gelungene Novelle auf verbreitetes Kopfschütteln in den Medien, den Kommunen und der betroffenen Wirtschaft stoßen.
Praxisnahe wäre es, die Entsorgungsfachbetriebe, die einem strengen Zertifizierungsprozess unterzogen worden sind, ebenfalls mit der Prüfung zu betrauen, ob die 90 Prozent erreicht wurden.
Mit dieser Korrektur hat die Novelle die Chance, eine ohnehin gute Recyclingsituation bei den gewerblichen Abfällen nochmals deutlich zu verbessern. Ohne die Korrektur – mit dem unpraktikablen Nadelöhr des vereidigten Sachverständigen – droht die Novelle, ein Papiertiger zu werden, mit dem eine wichtige Chance vertan würde.
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