Urban Mining IV: Recycling fördert Bergbau in der Stadt

Gastbeitrag – Teil 4: Von Mag. Brigitte Kranner
Im vierten und letzten Teil zum Thema Urban Mining geht es um neue Recyclingtechnologien. Das ist jener Bereich von Urban Mining, der am weitesten entwickelt ist. Gerade das deutschsprachige Europa nimmt beim Recyceln und den dazu notwendigen Methoden und Gerätschaften eine weltweit führende Rolle ein.
Einschlägige Fachmedien berichten immer wieder über neue, elaboriertere Recyclingtechnologien, die ein immer differenzierteres Trennen ermöglichen. Große Mengen an Forschungsgeldern fließen in Projekte, um Methoden zu finden, auch noch so kleine Mengen an Rohstoffen zurückzugewinnen. So wurde beispielsweise beim Urban Mining Kongress 2014 ein Forschungsprojekt über die Rückgewinnung von Indium aus Bildschirmgeräten vorgestellt.
Metallfressende Rinorea
Eine ganz andere Form der Rückgewinnung von Rohstoffen schafft die Rinorea niccolifera. Sie sieht ein bisschen dem Lorbeerstrauch ähnlich und ist der neueste Star unter den „metallfressenden“ Pflanzen. Wie man aus ihrem Namen ableiten kann, schmeckt ihr das Metall Nickel besonders gut. Beheimatet ist sie auf den Philippinen, einem Land, das mit massiven Schwermetallbelastungen in den Böden kämpft. Und da könnte sich diese Pflanze aus der Familie der Veilchengewächse als gefräßiger Helfer entpuppen.
Phytomining, das Rückgewinnen von Rohstoffen mit Hilfe von Pflanzen, ist nicht neu, aber sicher eine der ungewöhnlichsten Recyclingtechnologien. Insgesamt sind 450 solcher Hyperakkumulatoren – Pflanzen, die Metalle und auch andere mineralische oder organische Stoffe in sich aufnehmen können – bekannt. Die vollgefressenen Pflanzen werden dann meist verbrannt und die darin enthaltenen Rohstoffe rückgewonnen.
Natürlich sind die so gewonnenen Mengen an Rohstoffen gering. Aber Phytomining hat andere schwerwiegende Vorteile: Es ist billig und fast beliebig multiplizierbar. Noch wird es hauptsächlich zur Dekontaminierung von Böden eingesetzt, doch denkt man bereits daran, ganze Abraumhalden als neue urbane (Pflanzen-)Minen zu nutzen.
Recyceln auf Basis feinerer Technologien bildet den bekanntesten Bereich von Urban Mining. Immer wieder kommt dabei die Frage auf, ob denn Urban Mining mit Recycling gleichzusetzen sei. Ist also Urban Mining das bessere Recycling? Mitnichten! Während Recycling eine Methode darstellt, um an Sekundärrohstoffe zu kommen, ist im Gegensatz dazu Urban Mining ein holistischer Denkansatz zur Ressourcenschonung und zur Nutzung von Sekundärrohstoffen. Vergessen wir nicht: Recycling war ursprünglich die Antwort auf wilde Ablagerungen, Knappheit von Deponieraum und vor allem auf Umweltbelastungen. Die Rückgewinnung von Rohstoffen war in den Anfängen ein untergeordneter Effekt.
Recycling: mächtiger ökonomischer Player
Um Fortschritte im Bereich der Recyclingtechnologien ist allerdings Sorge unangebracht. Die Entsorgungswirtschaft (noch nennt sie sich so und nicht Kreislaufwirtschaft) wurde mittlerweile zu einem mächtigen ökonomischen Player. So ist aktuell bei der Statistik Austria zu lesen: „Im Jahr 2015 beschäftigte die österreichische Umweltwirtschaft insgesamt 183.378 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 33,9 Mrd. €.“ Als Faustregel kann man die Angaben mit dem Faktor 10 multiplizieren, um auf die Zahlen für Deutschland schließen zu können. Das ist ein riesiges Potential für Forschung und Entwicklung von neuen Technologien.
Und auch die von der Europäischen Union eingeschlagene Richtung hin zur Kreislaufwirtschaft und die Vorgabe von sehr hohen Recyclingquoten werden den Motor der Technologieinnovationen im Bereich Recycling auf Touren halten.
Urban Mining beginnt beim Design
„Urban Mining beginnt beim Design“ ist ein oft von mir verwendeter Satz. Gemeint ist, dass man schon bei der Planung eines Produkts auch dessen Recycling mitdenkt. Klingt nach großem Weitblick. Ein typisches Beispiel, das diesem Leitsatz nicht Rechnung trägt, sind die Verbundmaterialien zur Wärmedämmung. Sie meistern zwar die Aufgabe der Energieeinsparung bravourös, ein Rückgewinnen der Rohstoffe ist jedoch nicht möglich. Es bleibt nur die thermische Verwertung. Noch werden einige Jahrzehnte vergehen, bis große Mengen davon anfallen werden. Niemand weiß, wie viel und welche Dämmmaterialien verbaut wurden. Daher stellt sich die dringliche Frage, ob sich die Erforschung und Entwicklung einer Recyclingmethode rechnen würde. In einer Schweizer Studie (http://urbanmining.at/neue-strategien-fuer-daemmstoffe/7826) hat man jetzt den Gebäudebestand der Schweiz erhoben und nach Baujahren gruppiert. Dämmmaterialien unterliegen genauso einer „Mode“ und somit kann die Art des Dämmmaterials den Jahren zugeordnet werden. Auf diese Art wird ein IST-Status erhoben, um zukünftige Mengen an noch nicht recyclierbaren Verbundstoffen aus der Gebäudeisolierung abzuschätzen. Mit diesen Ergebnissen kann die Suche nach einer neuen Recyclingtechnologie erfolgen.
Nicht immer kann jedoch das Ende eines Produkts und dessen Recycling vorausgedacht werden. Und es ist auch nicht immer sinnvoll, speziell bei langlebigen Wirtschaftsgütern wie Häuser oder Flugzeuge. Nehmen wir Industriebauten oder Flugzeuge her, die im Durchschnitt 40-50 Jahre im Gebrauch sind. Und überlegen wir uns gleichzeitig, auf welchem Stand die Recyclingtechnologie im Jahr 1977 oder 1967 war? Davon haben wir heute gar keine Vorstellung mehr.
Die Angst, dass der Menschheit die Ideen für neue Recyclingtechnologien ausgehen, ist sicher unbegründet. Dennoch ist der Wunsch, dass ein sorgsamerer Umgang mit endlichen Rohstoffen gepflegt wird, absolut gerechtfertigt. Urban Mining will genau das und Recycling ist nur eine von vielen Möglichkeiten dazu.
Glück auf für den Bergbau in der Stadt!
Mag. Brigitte Kranner
ist Herausgeberin des Blogs Urban Mining www.urbanmining.at, der vor allem zum Ziel hat, ein Bewusstsein für den Einsatz von Sekundärrohstoffen zu schaffen. Für ihre Pionierarbeit im Bereich des Urban Minings gewann sie im Vorjahr den internationalen Urban-Mining-Award. In Vorträgen und Come Togethers von Interessenvertretern versucht sie immer wieder, das Thema Urban Mining weit über die Grenzen bekannt zu machen.
In einer losen Folge erschienen von ihr auf dem Wertstoffblog insgesamt vier Teile. Teil 1 hat das Smart Design beleuchtet (Urban Mining beginnt mit intelligenten Produkten). Nach Teil 2, dem Rohstoffkataster, widmet sich Teil 3 der Suche urbaner Lagerstätten.
Neueste Kommentare