Bundestagswahl 2017: BDE-Präsident Peter Kurth im Interview

Die Bundestagswahl steht vor der Tür, der Wahlkampf nimmt an Fahrt auf. Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. hat sich mit drei zentralen Forderungen im Wahlkampf positioniert:
- europaweites Deponierungsverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle
- Recyclinglabel für Produkte
- Markttest für bürgernahe Entsorgungsleistungen
Im Vorfeld der Wahl haben der BDE und der Wertstoffblog Fachpolitiker dazu aufgerufen, Stellung zu diesen Forderungen und zur Entwicklung der Kreislaufwirtschaft zu beziehen. Die Interview-Reihe beginnt zunächst mit Peter Kurth, Präsident des BDE:
Am 24. September sind Bundestagswahlen. Die Legislaturperiode neigt sich also ihrem Ende zu. Wo steht die Kreislaufwirtschaft heute?
Peter Kurth: Wir haben in der letzten Legislaturperiode eine ganze Reihe von guten Gesetzen und Verordnungen als Branche mitbekommen. Wir haben viel Einfluss nehmen können auf die Gewerbeabfallverordnung, wir haben das ElektroG, wir haben das Verpackungsgesetz. All diese Regelungen bieten die Chance für mehr Recycling und das begrüßen wir. Wir wissen, Kreislaufwirtschaft ist unverzichtbar, damit wir mit den großen gesellschaftlichen Aufgaben – Klimawandel, Energiewende, Rohstoffversorgung – klar kommen in Zukunft. Und von daher haben wir einige Fortschritte erzielt.
Glauben Sie, dass die Bundesregierung noch größere Anstrengungen in Sachen Recycling unternehmen sollte?
Peter Kurth: Ja, schon. Wir haben zum einen einen ganz wichtigen Abfallstrom, die mineralischen Abfälle, das ist der größte Abfallstrom mit etwas über 200 Millionen Tonnen pro Jahr, wo wir seit Jahren eine rückläufige Recyclingquote haben und das liegt an den Rahmenbedingungen, die Verwaltung und Politik setzen. Hier brauchen wir sehr schnell eine Regelung, die mehr Recycling ermöglicht und nicht behindert. Und wir brauchen den Einsatz der Bundesregierung auf europäischer Ebene. Wenn wir da keinen Druck machen, dann werden wir europaweit mit Deponieverbot etc. nicht erfolgreich sein.
Das Deponierungsverbot von unbehandelten Siedlungsabfällen ist eine zentrale Wahlkampfforderung des BDE. Wie hat Deutschland davon profitiert?
Peter Kurth: Wir haben seit einigen Jahren eine Regelung, die es verbietet, dass man unbehandelte Siedlungsabfälle deponiert. Wir haben gesehen, dass das nicht nur einen unglaublichen Effekt hatte auf die CO2-Bilanz der Bundesrepublik, wir haben zig Millionen Tonnen CO2-Emissionen einsparen können dadurch, sondern dadurch, dass sie das Deponieren ausschließen und ausgeschlossen haben in Deutschland, geben sie den Investitionen im Bereich Anlagen und Infrastruktur für die Kreislaufwirtschaft den nötigen Rückenwind. Das heißt, wenn die anderen europäischen Länder auch auf das Deponieren verzichten würden in Zukunft, wäre das der entscheidende Durchbruch für die Kreislaufwirtschaft in Europa.
Nun ist es aber so, dass in einigen europäischen Ländern die Deponierungsquoten bei über 80 Prozent liegen. Sehen Sie das als Hindernis oder mehr als Chance?
Peter Kurth: Naja, es ist natürlich zunächst mal ein Hindernis, weil viele Länder über eine leistungsfähige Infrastruktur der Kreislaufwirtschaft noch nicht verfügen. Man darf aber nicht vergessen, dass alle diese Länder 2008 eine Verpflichtung unterschrieben haben, dass sie bis 2020 ihre Recyclingquote über 50 Prozent gebracht haben müssen. Das heißt, die entsprechende Verpflichtung der Länder war da, sie wurde aber nicht begleitet in den letzten Jahren, sie wurde nicht mit einem Controlling belegt und von daher ist es jetzt überfällig zu sagen: Nicht morgen und nicht übermorgen, aber im Jahre 2030, 2035 sollte Europa auf das Deponieren verzichten.
Kommen wir zur zweiten Wahlkampfforderung des BDE. Das Recyclinglabel. Wie wirkt sich das positiv auf die Sekundärrohstoffwirtschaft aus?
Peter Kurth: Mit einem Recyclinglabel geben Sie den Konsumenten die Information darüber, ob ein Produkt recyclingfähig ist oder gar aus Rezyclaten besteht. Diese Information für den Kunden ist wichtig, weil wir ja umweltbewusste Verbraucher immer häufiger haben in Deutschland und viele Verbraucher schon interessiert daran sind, ob mit dem Produkt, das sie kaufen, Kreislaufwirtschaft ermöglicht wird oder eher behindert. Das heißt, dieses Recyclinglabel ist ein erster Schritt dahingehend, den Recycling-Ergebnissen, die unsere Branche erreicht, auch einen Markt zu geben. Mehr wollen wir damit zunächst noch nicht, wobei wir uns natürlich wünschen, dass man später auch bei den Beschaffungsverhalten etwa der öffentlichen Hand genau auf diese Dinge Rücksicht nimmt.
Kommen wir zur dritten Forderung. Das ist der Markttest für bürgernahe Entsorgungsleistungen. Dabei geht es ja auch um das Spannungsverhältnis zwischen Kommunal- und Privatwirtschaft. Der Test – wie könnte er aussehen, warum brauchen wir ihn?
Peter Kurth: Kommunale Unternehmen erwirtschaften heute einen Umsatz von über 320 Milliarden Euro. Das sind Umsätze, das sind Aufträge, die dem Mittelstand oft regionalen Familienunternehmen entgehen und und dieses Verdrängen des Mittelstands geschieht aufgrund verschiedener Privilegien über die öffentliche Unternehmen verfügen. Was wir wollen, ist, dass zumindest in einem Markttest, etwa einer Ausschreibung, geprüft wird, ob denn das kommunale Angebot wirklich das bürgerfreundliche, preiswerte, leistungsfähige Angebot ist. Ich glaube, dass wenn wir so einen Markttest hätten, alle Beteiligten sich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger mehr Mühe geben würden und deswegen wollen wir diese Transparenz erreichen.
Vielen Dank.
In der nächsten Woche führen wir die Interviewserie fort und befragen dazu die einflussreichsten Umweltpolitiker Deutschlands. Unser erster Interviewpartner ist Michael Thews (MdB).
Weitere geplante Interviews:
- Christian Lindner (FDP): angefragt
- Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90 / Die Grünen): angefragt
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